Versicherungschutz für Kfz-Diebstahl mit steckendem Schlüssel?

Autotür unverschlossen, Autoschlüssel im Zündschloss und ab in den Waschsalon. Ist das grob fahrlässig und ermöglicht es einer Kaskoversicherung, die Versicherungsleistung im Fall eines Kfz-Diebstahls auf Null zu kürzen? Hier kam es auch darauf an, wo das später gestohlene Fahrzeug abgestellt wurde.

Es war nur ein kurzer Zwischenstopp, den ein Autofahrer einlegte. Er hatte sein Auto in einer Einfahrt abgestellt, um einen Waschsalon zu besuchen. Viel Zeit verbrachte er dort nicht. Maximal zehn Minuten. Allerdings hatte er das Auto nicht abgeschlossen und den Fahrzeugschlüssel stecken lassen.

Versicherer will bei Autodiebstahl mit steckengelassenem Schlüssel nicht zahlen

Das Fahrzeug wurde in der Zeit, die der Fahrzeughalter im Waschsalon verbrachte, gestohlen. Von seiner Kaskoversicherung wollte der Halter den Schaden ersetzt bekommen. Doch die weigerte sich zu zahlen, auch anteilig wollte sie nicht leisten. Der Kasko-Versicherer begründete seine ablehnende Haltung damit, dass der Versicherungsnehmer grob fahrlässig gehandelt habe.

LG Dresden sieht Leistungskürzung auf Null nur in Ausnahmefällen

Das Landgericht Dresden hatte sich der Auffassung der Versicherung nicht angeschlossen. Das Gericht hatte auf eine Entscheidung des BGH verwiesen (BGH, Urteil v. 22.06.2011, IV ZR 225/10), wonach eine Leistungskürzung des Versicherers auf Null gemäß § 81 Abs. 2 VVG nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Ein derartiger Ausnahmefall liege nicht vor, so das Landgericht.

Auch OLG sah im Autodiebstahl keinen Fall der Kürzung der Versicherers auf Null

Diese Auffassung hat das OLG Dresden bestätigt. Das Landgericht habe alle maßgeblichen Umstände in die Abwägung einbezogen:

  • Einerseits habe der bestohlene Kläger keine hinreichenden Vorkehrungen gegen die Entwendung seines Fahrzeugs getroffen, weil er sein Auto unverschlossenen und mit steckendem Zündschlüssel abgestellt habe.
  • Andererseits müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger das Fahrzeug nicht in der Straße, sondern neben dem Waschsalon abgestellt habe und das für kurze Zeit.
  • Da das Fahrzeug in einer Einfahrt stand und alle Türen und Fenster geschlossen waren, sei für Dritte nicht sofort zu erkennen gewesen, dass das Fahrzeug leicht zu entwenden war.

Versicherungsleistung waren wegen des im Auto verbliebenen Schlüssels um 75 % zu kürzen

Angesichts dieser Umstände schloss sich das OLG der Einschätzung des Landgerichts an, dass die Ansprüche des Bestohlenen um 75 Prozent zu kürzen seien. Daran ändere auch der von der Versicherung hervorgebrachte Gesichtspunkt nichts, dass der Mann sein Fahrzeug außerhalb seines eigenen Wahrnehmungsbereiches abgestellt hatte.

Unterschied, ob Fahrzeug auf einer Straße oder in einer Einfahrt abgestellt wird

Maßgeblich sei, dass beim Abstellen in der Einfahrt, anders als auf der Straße, nicht damit zu rechnen war, dass in der Zeit zahlreiche Fußgänger an dem Fahrzeug vorbeiliefen und den steckenden Autoschlüssel durch einen beiläufigen Blick entdeckten, was die Wahrscheinlichkeit der Entwendung des Fahrzeugs deutlich erhöht hätte. Fazit: Der Versicherer muss für 25 Prozent des entstandenen Schadens aufkommen.

(OLG Dresden, Beschluss v. 21.11.2019, 4 U 2082/19).

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Hintergrund: Grob fahrlässige Herbeiführung des Diebstahls

Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Diebstahls des Fahrzeugs schlägt der "Goslarer Orientierungsrahmen" eine Kürzung um 75 % bei im Zündschloss steckendem Zündschlüssel und um 25 % bei sonstigem gefahrgeneigten Umgang mit Kfz-Schlüsseln vor.

Aufgrund einer Empfehlung des Arbeitskreises II des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstages (VGT) 2009 hat im November 2009 ein Symposium von Verkehrsrechtlern aus dem Kreise der Versicherungswirtschaft, der Vereine und Verbände stattgefunden. Aus diesem Symposium ist mit dem Goslarer Orientierungsrahmen  ein "unverbindlicher Orientierungsrahmen" hervorgegangen, der für typische, in der Praxis häufig vorkommende Fälle grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzungen (§ 28 Abs. 2 S. 2 VVG) bzw. grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ 81 Abs. 2 VVG) sozusagen "Einstiegsquoten" in groben Kürzungsschritten von 25 % vorschlägt. Diese geben lediglich einen Rahmen vor, innerhalb dessen sodann entsprechend den konkreten Umständen des Einzelfalles die der konkreten Schuldschwere angemessene Kürzungsquote gefunden werden soll.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Diebstahl, Kfz-Versicherung