Schutz des Kündigungsrechts des Handelsvertreters

Die Regelung des § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HGB stellt eine allgemeine Schutzvorschrift zu Gunsten des Handelsvertreters dar, die verhindern soll, dass er einseitig in seiner freien Entscheidung beschnitten wird, den Handelsvertretervertrag zu kündigen.

Hintergrund

Eine solche Beschränkung der Entschließungsfreiheit kann sich dadurch ergeben, dass an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden. Einen solchen erschwerenden Nachteil sah der BGH in einer Regelung, wonach bei Kündigung des Vertrags ein Bürokostenzuschuss wegfällt.

Dem BGH lag eine Klausel vor, die das Kündigungsrecht erschwert: Ein Handelsvertretervertrag für einen Vermögensberater sah einen Bürokosten- und Organisationsleistungszuschuss („BOZ“) vor, der monatlich bezahlt wurde. Das Unternehmen gewährte den BOZ aber insbesondere unter der Einschränkungen, dass der BOZ nur bezahlt wird, sofern der Handelsvertretervertrag „zum Zeitpunkt der Zahlung ungekündigt“ ist.

Der Handelsvertretervertrag sah für beide Parteien eine Kündigungsfrist von 30 Monaten vor. Das Unternehmen kündigte den Vertrag im Januar 2011 zum 30.6.2014, d.h. der gekündigte Handelsvertretervertrag war von beiden Parteien noch für 41 Monate zu erfüllen. Der Handelsvertreter begehrte den BOZ für diesen Zeitraum.

BGH, Urteil v. 5.11.2015, VII ZR 59/14

Der BGH gab der Klage statt. Das Unternehmen wurde verurteilt, den BOZ trotz Kündigung bis zum Vertragsende an den Handelsvertreter zu zahlen.

Die Klausel, wonach der BOZ davon abhängig ist, dass der Vertrag im Zeitpunkt der Zahlung ungekündigt ist, ist in diesem Fall wegen Verstoßes gegen § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HGB, § 134 BGB für unwirksam erklärt worden. Aufgrund des Vertrags hatte der Handelsvertreter seine Tätigkeit mindestens während der vertraglich geregelten 30-monatigen Kündigungsfrist weiterhin vollumfänglich zu erbringen, ohne während dieser Zeit den BOZ zu erhalten. Der entgangene BOZ belief sich auf mehrere zehntausend Euro. Den Verlust eines solchen Betrags stufte der BGH als einen Nachteil ein, der die Kündigungsrechte des Handelsvertreters unzulässig erschwert.

Hinweis

Die Entscheidung des BGH erging zu einem Handelsvertretervertrag mit einer 30-monatigen Kündigungsfrist, die deutlich von den Kündigungsfristen des § 89 Abs. 1 HGB abwich. § 89 Abs. 1 HGB enthält als längste Kündigungsfrist eine Frist von sechs Monaten. Es wird daher mit Spannung abzuwarten sein, wie der BGH in Fällen entscheiden wird, bei denen den Handelsvertreter nach Ausspruch der Kündigung ähnliche Nachteile treffen, es sich aber nicht um eine solch lange Verjährungsfrist handelt. Außerdem wird die Rechtsprechung weiterhin genau zu beobachten sein, welche Begünstigungen dem Handelsvertreter im Fall der Kündigung genommen werden dürfen, ohne dass die Rechtsprechung dies als unzulässigen wirtschaftlichen Nachteil im Sinne des § 89 Abs. 1 HGB einstuft.

Rechtsanwalt Dr. Hendrik Thies, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg


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