Neue Beratungskultur oder Rohrkrepierer?

Zum 01.08.2014 ist das Honoraranlageberatungsgesetz in Kraft getreten. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel einer vom Provisionsinteresse des Beraters losgelöste objektive Kundenberatung. Kritiker sehen das Gesetz schon jetzt als gescheitert an.

In der EU hat die Finanzmarktmisere zu unterschiedlichen Reaktionen des jeweiligen Landesgesetzgebers geführt. In England wurde die Provisionsberatung verboten. In der Bundesrepublik führt das Honorar-Anlageberatungsgesetz (HAnlBG) einen zusätzlichen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte ein. Der Hauptzweck des Gesetzes liegt darin, dem uninformierten Anlagekunden die Möglichkeit einer objektiven Beratung zu gewähren, die nicht vom Provisionsinteresse des Beraters dominiert wird.

Entlohnung ausschließlich durch den Kunden

Der Honoraranlageberater führt eine gesetzlich geschützte eigene Berufsbezeichnung. Gemäß § 33 Abs. 3 a Satz 1 WpHG ist die Honorar-Anlageberatung eine eigenständige Beratungsform und muss innerhalb einer Bank beispielsweise personell und organisatorisch von der herkömmlichen Anlageberatung getrennt werden. Der Honorar-Anlageberater darf keine Provisionen mit dem Anbieter einer Anlage vereinbaren, es sei denn ein bestimmtes Anlageprodukt ist zwingend mit Provisionen verbunden. In diesem Fall hat der Berater die Provisionen dem Kunden offen zu legen und nach Erhalt sofort an den Kunden weiterzuleiten. Der Anlageberater selbst wird ausschließlich durch das mit dem Kunden vereinbarte Beraterhonorar entlohnt. Darüber hinaus untersagt das Gesetz eine gleichzeitige Ausübung einer provisionsbasierten Beratertätigkeit, d.h. der Honorar-Anlageberater ist auf diese Beratungsform festgelegt.

Gesetzeszweck verfehlt

An diesen eng regulierten Bedingungen der Tätigkeit des Honorar-Anlageberaters setzt die allgemeine Kritik der Banken und der Versicherungswirtschaft an. Nur wenige Anlageberater mit einem speziellen Kundenkreis seien wirtschaftlich in der Lage, sich auf eine solche Art der Anlageberatung ausschließlich festzulegen. Für den Normalkunden stelle eine eigenständige Honorarvereinbarung eine zu hohe Hürde für die Inanspruchnahme einer solchen Beratung dar. Damit sei der Gesetzeszweck, eine objektiver Beratung für eine breite Anlegerschicht zu erreichen, von vornherein verfehlt.

Nicht praxistauglich

Tatsächlich scheint die Kritik nicht unberechtigt zu sein. Nach einer Umfrage von „Fonds professionell online“ will deutschlandweit nur eine einzige Bank diese Form der Anlageberatung in ihr Geschäftsmodell aufnehmen. Nur wenige freie Berater zeigten sich interessiert. Die mangelnde Flexibilität des Modells schrecke viele ab. In der Praxis würden Berater häufig eine Mischform wählen und dem Kunden die Wahl lassen, ob er die Honorierung der Beratung über den Zufluss einer Beraterprovisionen oder durch Zahlung eines Beraterhonorars möchte.

Ausschluss von Interessenkonflikten

Untersuchungen in England zeigen, dass durch das Verbot der provisionsbasierten Beratung 90 % der Berater vom Markt verschwunden sind. Eine Beratung des Normalanlegers findet kaum noch statt. Die Beratung ist also nicht besser geworden, sondern fast ganz verschwunden. Fachleute prognostizieren, dass auch hier das HonoraranlagenberatungsG eine Totgeburt sei, die keinerlei Verbesserung für den Verbraucher bringe. Die Fraktion „Die Linke“ im Bundestag kritisiert, dass das Gesetz die für Kleinanleger wichtigen Kapitallebensversicherungen oder Bausparverträge gar nicht erfasse. Die Abzocke gehe daher fröhlich weiter. Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte gegenüber, dass die Einbeziehung von Versicherungen durchaus noch auf der Agenda stehe. Das neue Gesetz sei ein Einstieg in eine Alternativkultur der Anlageberatung. Experten sehen gute Chancen, dass der Honorar-Anlageberater das gleiche Schattendasein fristen wird wie der mit ähnlichen Absichten eingeführte Versicherungsberater.


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