Kürzung von Krankentagegeld unterliegt engen Grenzen

Darf eine Versicherung ein einmal vereinbartes Krankentagegeld einfach kürzen, wenn das Nettoeinkommen des Versicherten gesunken ist? Das geht nicht, selbst wenn die Versicherungsbedingungen eine einseitige Kürzung erlauben, da diese Regelung den Versicherten unangemessen benachteiligt.

Geringeres Nettoeinkommen, geringeres Krankentagegeld? Mit dieser Regelung wollte sich ein selbstständiger Handwerker nicht zufrieden geben und klagte. Das OLG Karlsruhe gab dem Versicherten Recht.

Einseitig Krankentagegeld von 100 Euro pro Tag auf 62 Euro herabgesetzt

Die Versicherung hatte einseitig das mit 100 Euro pro Tag vereinbarte Krankentagegeld auf 62 Euro herabgesetzt. Begründung: Das durchschnittliche Nettoeinkommen des Handwerkers sei inzwischen niedriger als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Bedarf contra Nettoeinkommen

Dagegen wehrte sich der Mann. Die Versicherungsagentin, die den Vertrag vermittelt hatte, habe nicht sein Nettoeinkommen abgefragt und daran die Höhe des Krankentagegelds bemessen. Sie habe vielmehr auf den generellen finanziellen Bedarf eines Handwerkers im Falle einer Krankheit abgestellt und sei so auf die 100 Euro gekommen.

Gehen Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherungen vor?

Das Landgericht Koblenz hatte die Klage des Mannes noch abgewiesen. Die zwischen den Parteien vereinbarte vertragliche Grundlage der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherungen (MB/KT) 2009 in Verbindung mit den Tarifbedingungen der Versicherung schrieben eindeutig vor, dass die Höhe des Krankentagegelds von der Höhe des Nettoeinkommens abhänge, nicht vom Bedarf.

Einseitige Anpassung der Bedingungen unwirksam

Dieser Auffassung schloss sich das OLG Karlsruhe nicht an. Zwar sei eine Orientierung des Krankentagegelds am Nettoeinkommen zulässig. Die einseitige Anpassung durch die Versicherung ist dennoch unwirksam, weil die Regelungen einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhielten.

Musterbedingungen benachteiligen Versicherten unangemessen

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelungen der Musterbedingungen die Versicherten unangemessen benachteiligen.

  • § 4 Abs. 4 MB/KT gestattet es dem Versicherer seine Leistung einseitig für die Zukunft herabzusetzen.
  • Unabhängig davon, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht.
  • Voraussetzung ist, dass das Nettoeinkommen des Versicherten unter die Höhe des dem Vertrag zugrunde gelegten Einkommens gesunken ist.

Versicherungsnehmer wird unangemessen benachteiligt

  • Die Interessen des Versicherungsnehmers würden durch diese Gestaltung nicht ausreichend berücksichtigt, so das Gericht. Die frühestmögliche Wirkung der Herabsetzung trete bedingungsgemäß zu Beginn des zweiten Monats ein, nachdem der Versicherer vom Absinken des Nettoeinkommens erfahren habe.
  • Für den Versicherungsnehmer mache es diese Regelung nicht möglich, sich rechtzeitig genug auf die neue Situation einzustellen.

Das Gericht bemängelte außerdem, dass die Bedingungen keinen letztmöglichen Zeitpunkt regeln, zu dem die Versicherung das Krankentagegeld herabsetzen kann.

Versicherung darf Versicherungsschutz nicht zu beliebigem Zeitpunkt herabsetzen

Der Versicherer könne mit der Herabsetzung ohne weiteres bis zum Versicherungsfall abwarten und bis dahin Prämien für einen Risikoschutz vereinnahmen, der dann gar nicht gewährt werde.

In letzter Konsequenz könne dies dazu führen, dass die Versicherungsleistungen bis auf null gesenkt werden, wenn z.B. im Falle einer Arbeitsunfähigkeit das Einkommen immer weiter sinke.

Fazit des Gerichts: Die Klausel ist unwirksam. Die Reduzierung des Krankentagegelds hat keine vertragliche Grundlage und ist deshalb ebenfalls unwirksam.

(OLG Karlsruhe, Urteil v. 23.12.2014, 9a U 15/14).

Vgl. zu dem Thema auch:

Teilweise arbeitsunfähig und die Versicherung zahlt nicht

Etwas arbeitsunfähig? Ungenaue Bedingungen bescheren Versicherungsnehmer Krankentagegeld

Krankentagegeld auch bei Kündigung während einer Arbeitsunfähigkeit