Höchste Zeit für neues Seehandelsrecht

Die schwere Havarie der Costa Concordia hat auch Zweiflern verdeutlicht, wie dringlich die Reform des teilweise völlig veralteten Seehandelsrechts ist. Mehr Rechtssicherheit für Entschädigungen bei Personen- und Frachtschäden und klare Regelungen über Verantwortlichkeiten müssen zügig Gesetz werden.

Seewolf lässt grüßen: mittelalterliche Seerechtsregelungen

Das im 5. Buch des HGB geregelte deutsche Seehandelsrecht hinkt der Rechtswirklichkeit hinterher. Es enthält noch völlig veraltete Rechtsinstitute wie die mittelalterliche Partenreederei oder das Verklarungsverfahren.

Dem Kapitän wird im Gesetz eine unternehmerähnliche Stellung zugewiesen. Er haftet für die Erfüllung der vom Reeder eingegangenen Verpflichtungen in weiten Bereichen persönlich. Dies entspricht nicht mehr den modernen Seehandelsbedingungen.

Wenn spätestens zum 31.12.2012 die europäische Verordnung EG Nr. 392/2009 des europäischen Parlaments und des Rates über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See EU-weit Geltung erlangt, wird die deutsche Regelung völlig überholt sein.

 

Elektronische Dokumentenabwicklung

Mit der Abschaffung der veralteten Rechtsinstitute wird das Gesetz  gleichzeitig den modernen, elektronischen Formen der Vertragsabwicklung angepasst.

Das Seefrachtrecht wird neu strukturiert und an das Internationale Abkommen vom 25.08.1924 zur Vereinheitlichung der Regeln über die Konnossemente (Haager Regeln) unter Berücksichtigung des Änderungsprotokolls vom 23.02.1968 angeglichen. Für die Verwendung elektronischer Beförderungsdokumente sowie den Seefrachtbrief wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen.

 

Sonderregelung Bareboat - Charter

Die bisher in der Anlage zum HGB enthaltenen Bestimmungen über die Beförderung von Reisenden und Gepäck werden aktualisiert und ins HGB übernommen. Erstmalig werden dabei die in der Praxis wichtigen Schiffüberlassungsverträge, darunter der Bareboat – Charter und der Zeitcharter, ausführlich gesetzlich geregelt.

Das Transportrecht für die Binnenschifffahrt wird hierbei dem Seehandelsrecht stärker angeglichen. Zwischen Stückgutfrachtvertrag und Reiseverfrachtvertrag wird künftig klar getrennt. Die Gliederung des 5. Buches des HGB wird damit übersichtlicher. Am Beginn stehen künftig die Regelungen über Reeder, Ausrüster und die Besatzung. Im Anschluss folgen die Bestimmungen zu den Beförderungsverträgen.

 

Verschuldensunabhängige Haftung

Der Gesetzentwurf sieht eine Haftung des Beförderungsunternehmens für Personenschäden unabhängig von dessen Verschulden vor. Für den einzelnen Passagier wird die Haftungssumme deutlich angehoben, von bisher 164.000 € auf künftig 468.000 €. Demgegenüber wird die Haftung des Kapitäns im Außenverhältnis deutlich begrenzt und seine in der Rechtswirklichkeit bestehende arbeitnehmerähnliche Stellung stärker berücksichtigt.

 

Kostenverlagerungen noch nicht quantifizierbar

Das BMJ rechnet mit deutlichen Kostenveränderungen innerhalb der betroffenen Handelskreise. Haftungs- und Schadensrisiken werden teilweise deutlich erhöht, aber auch besser kalkulierbar. Die Nachfrage nach entsprechenden Versicherungen dürfte sich spürbar erhöhen. Dennoch erwartet das BMJ keine negativen Auswirkungen auf die Verbraucherpreise.