Handeln für nicht bestehende juristische Person

Tritt ein Geschäftsführer neben einer existenten GmbH für eine nicht existente juristische Person im Rechtsverkehr auf und erweckt so den falschen Eindruck eines in Wahrheit nicht gegebenen Unternehmensverbands, so haftet er persönlich.

Hintergrund

Der Beklagte war einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH Schweizer Rechts. Zugleich trat er im Geschäftsverkehr als vertretungsberechtigter Verwaltungsrat einer schweizerischen Aktiengesellschaft auf, die in Wahrheit gar nicht existierte. Durch sein Verhalten erweckte er aber den Eindruck, er handle für diese nicht existierende AG. Unter anderem schloss er namens der Aktiengesellschaft Arbeitsverträge, zog Wechsel und verwendete auf sie lautende Stempel und Geschäftsbriefe. Die Klägerin, ein deutsches Software-Unternehmen, erbrachte aufgrund des Eindrucks, die schweizerische Aktiengesellschaft würde bestehen, Software-Programmierleistungen. Als sich herausstellte, dass die schweizerische Aktiengesellschaft tatsächlich nicht bestand, nahm die Klägerin dem Beklagten unmittelbar persönlich auf Zahlung in Anspruch.

OLG Stuttgart, Beschluss v. 30.9.2013, 5 O 50/13

Entgegen der Vorinstanz bejahte des OLG Stuttgart die persönliche Haftung des Geschäftsführers aus § 179 Abs. 1 BGB analog. Vorliegend habe der Beklagte es nicht lediglich unterlassen zu offenbaren, nicht im eigenen Namen bzw. anstelle eines nicht existenten Unternehmens für das einzig von ihm vertretene tatsächlich existierenden Unternehmen gehandelt zu haben, sondern sei bewusst und nach außen ersichtlich gleichzeitig nebeneinander unter verschiedenen Firmenbezeichnungen aufgetreten, um so den Eindruck zu erwecken, es gäbe verschiedene haftende Gesellschaften. Insofern unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt von der Fallgruppe der sog. „unternehmensbezogenen Geschäfte“.

Das Landgericht Stuttgart hatte zuvor die Klage unter Hinweis auf die Lehre des sog. „unternehmensbezogenen Geschäfts“ abgewiesen. Danach geht der Wille der Parteien in Zweifel dahin, dass bei einem unternehmensbezogenen Geschäft der wahre Betriebsinhaber Vertragspartner werden soll. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn der Geschäftspartner sich unrichtige Vorstellungen über die Person des Betriebsinhabers macht.

Praxistipp

In der Sache ist die Analogie zur § 179 BGB eine Einschränkung der grundlegenden Auslegungsformel vom unternehmensbezogenen Geschäft. Der Reichweite dieser Ausnahme hat das OLG Stuttgart nunmehr zusätzliche Kontur verliehen.

Auch wenn der vorliegende Spezialfall einer vorsätzlichen Verschleierung der wahren Rechtslage wohl eher Seltenheitswert beansprucht, so gilt doch ganz generell, dass Vertretungspersonen im Zweifel unmissverständlich und beweisbar klarstellen sollten, für wen sie konkret handeln. Ein sich im Nachhinein als falsch herausstellender Rechtsschein kann für den handelnden organschaftlichen Vertreter oder die bevollmächtigte Vertretungsperson ein Haftungsrisiko darstellen. Denn nach § 179 BGB wird zum Schutz des Vertragspartners der Vertreter ohne Vertretungsmacht zu einer persönlichen Haftung herangezogen. Schließlich ist es dem Vertragspartner nur bei Kenntnis des tatsächlich aus dem Vertrag Verpflichteten möglich zu prüfen, ob ein Vertragsschluss in Frage kommt oder ob zusätzliche Sicherungsmaßnahmen vor Abschluss des Vertrages erforderlich sind.

Hinweis

Praktisch ist die Vertreterhaftung nur dann ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner von dem Mangel der Vertretungsmacht Kenntnis hatte. Darlegungs- und beweisbelastet ist insofern der Vertreter. Knüpft sich der Rechtsschein an objektive Indizien, ist eine Enthaftung des Vertreters nur schwer zu erreichen. Schon im eigenen Interesse sollten daher organschaftliche Vertreter und Bevollmächtigte unmissverständlich und beweisbar klarstellen, für wen sie konkret handeln.

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Oliver Wasmeier, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg


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