Amazon muss bezahlte Produktrezensionen offenlegen

Kundenbewertungen auf Online-Verkaufsplattformen enthalten unzulässige getarnte Werbung, wenn sie bezahlte Produktrezensionen enthalten, ohne den Erhalt einer Vergütung durch den Rezensenten kenntlich zu machen. Das hat das OLG Frankfurt in einem Verfahren gegen Amazon entschieden.

Das OLG Frankfurt hatte sich mit der Praxis der Kundenbewertungen der Online-Verkaufsplattform Amazon auseinanderzusetzen. Amazon veröffentlicht auf seiner Verkaufsplattform zu vielen Produkten mit einer unterschiedlichen Zahl an Sternen versehene Kundenbewertungen, die bei vielen Kaufinteressenten maßgeblichen Einfluss auf deren Kaufentscheidung haben.

Anbieterin entgeltlicher Kundenrezensionen klagt gegen Amazon

Eine Anbieterin entgeltlicher Vermittlungen von Kundenrezensionen hat gegen die Praxis der Veröffentlichung der Kundenbewertungen bei Amazon geklagt. Sie rügt, dass Amazon Verkäufern, die über die Plattform „amazon.de“ Waren anbieten, gegen Entgelt Kundenrezensionen im Rahmen ihres „Early Reviewer Programms“ (ERP) anbietet. Dieses Angebot beinhaltet den Erwerb von Bewertungen ausländischer Rezensenten gegen geringfügige Geldgutscheine oder Gutscheine für Produkte, die diese zuvor über die Onlineseiten von Amazon in Japan, den USA und in Großbritannien gekauft haben. Diese Bewertungen erscheinen dann auch auf der deutschen Amazon-Verkaufsplattform und fließen in die Sternebewertung des jeweiligen Produkts ein.

Sternebewertung enthält unlautere getarnte Werbung

Diese Praxis bewertete das erstinstanzlich mit dem Rechtstreit befasste LG ebenso wie in der Berufungsinstanz das OLG als wettbewerbswidriges Verhalten. Da Amazon bei den Bewertungen nicht deutlich kenntlich mache, ob der Rezensent für seine Bewertung eine Gegenleistung erhalten hat, enthalte diese Form der Bewertung eine für die Nutzer nicht erkennbare getarnte Werbung. Diese Vorgehensweise sei unlauter und damit wettbewerbswidrig.

Erhalt einer Gegenleistung muss offengelegt werden

Das Argument von Amazon, dass den meisten Nutzern der Amazon-Verkaufsplattform diese Praxis bekannt sei und sie mit bezahlten Rezensionen rechnen, ließ das OLG nicht gelten. Dies könne „kein Freibrief dafür sein, beeinflusste Rezensionen zu verwenden“, ohne dies für den User kenntlich zu machen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Praxis jedem User bekannt sei, zum anderen dürfe grundsätzlich nicht der unrichtige Anschein neutraler Kundenbewertungen erweckt werden, obwohl einige Rezensenten infolge des Erhalts einer Gegenleistung mit ihrer Bewertung eigene finanzielle Interessen verfolgen. Von einem neutralen Bewertungsergebnis könne bei in dieser Form beeinflussten Bewertungen nicht ausgegangen werden.

Kundenbewertungen haben erhebliche geschäftliche Relevanz

Das OLG stellte in seiner Entscheidung besonders die geschäftliche Relevanz der Kundenbewertungen für die zu treffenden Kaufentscheidungen der User heraus. Rezensenten, die für ihre Bewertung eine kleine oder auch größere Belohnung erhalten, seien zwangsläufig nicht frei bei der Abgabe ihres Urteils über die Qualität des zu bewertenden Produkts. Es sei davon auszugehen, dass ein nicht geringer Teil der Rezensenten sich durch die Vergütung veranlasst sehen, ein Produkt positiver zu bewerten als sie es ohne den Erhalt einer Gegenleistung tun würden. Dieser Hintergrund müsse daher für den Kunden transparent gemacht werden.

Amazon muss Bewertungssystem künftig anpassen

Mit diesen Argumenten hat das OLG die bereits erstinstanzlich erlassene Unterlassungsverfügung gegen die Online-Verkaufsplattform von Amazon bestätigt. 

OLG-Entscheidung ist nicht anfechtbar

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung des OLG ist nicht anfechtbar. Verstößt Amazon gegen die Verpflichtung, können Ordnungsgelder verhängt werden bis Amazon die Entscheidung umsetzt.

(OLG Frankfurt, Urteil v. 9.6.2022, 6 U 232/21)

Hintergrund

Interessant ist die nun gegen Amazon ergangene Entscheidung des OLG Frankfurt auch insofern, als Amazon selbst im Jahr 2019 ein gerichtliches Verfahren gegen einen Drittanbieter eingereicht und beim OLG eine Entscheidung erwirkt hat, wonach Drittanbieter auf Amazon keine gekauften Produktbewertungen veröffentlichen dürfen. Damals hatte Amazon selbst argumentiert, der Durchschnittsverbraucher gehe bei Produktbewertungen grundsätzlich davon aus, dass diese ohne Gegenleistung erstellt werden (OLG Frankfurt, Beschluss v. 22.2.2019, 6 W 9/19).

Amazon selbst hat das  Early Reviewer Programm im Frühjahr 2021 deaktiviert.


Schlagworte zum Thema:  Wettbewerbsrecht