Reform des strafrechtlichen Sanktionsrechts

Am 24.5.2023 hat der Rechtsausschuss des Bundestages die vom Bun­des­ka­bi­nett eingebrachte Reform des straf­recht­li­chen Sank­tio­nen­rechts beschlossen und damit den Weg für die Umsetzung freigemacht. Die Dauer der Ersatz­frei­heits­strafen wird danach hal­biert, der Katalog der Straf­zu­mes­sungs­gründe wird um geschlechts­spe­zi­fi­sche Tat­mo­tive erwei­tert werden.

Bun­des­jus­tiz­mi­nister Marco Busch­mann hatte sich bereits Ende 2022 mit seinen Plänen zur Reform des straf­recht­li­chen Sank­tio­nen­rechts durch­ge­setzt. Mit der Reform soll die Haft­zeit für Delin­quenten, die eine Ersatz­frei­heits­strafe ver­büßen, hal­biert und die Zahl derer, die die Ersatz­frei­heits­strafe durch gemein­nüt­zige Arbeit tilgen, erhöht werden. Außerdem werden künftig geschlechts­spe­zi­fi­sche und gegen die sexu­elle Ori­en­tie­rung gerich­tete Beweg­gründe bei der Straf­zu­mes­sung straf­ver­schär­fend berück­sich­tigt. Daneben sind Modi­fi­ka­tionen des Maß­re­gel­rechts vor­ge­sehen.

Die Änderungen im Einzelnen

Konkret sieht der nun beschlos­sene Gesetz­ent­wurf fol­gende Ände­rungen der bestehenden recht­li­chen Rege­lungen vor:

Halbierung des Umrechnungsmaßstabs für die Ersatzfreiheitsstrafe

Mit der Reform soll die Verbüßung von Gefängnishaft als Ersatz für nicht beglichene Geldstrafen deutlich zurückgedrängt werden.

  • Gemäß § 43 StGB-E wird der Umrechnungsmaßstab von Geldstrafen in eine Ersatzfreiheitsstrafe halbiert, sodass künftig 2 Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen.
  • Durch eine Erweiterung von § 459e Abs. 2 StPO um eine neue Hinweispflicht wird die Strafvollstreckungsbehörde verpflichtet, die zu einer Geldstrafe verurteilte Person auf mögliche Zahlungserleichterungen gemäß § 459a StPO sowie
  • auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freiwillige Arbeitsstunden abzuwenden.
  • Flankierend soll die Gerichtshilfe und gegebenenfalls die Straffälligenhilfe zur Förderung dieser Optionen eingeschaltet werden.

Deutliche Reduzierung der Haftkosten

Die Halbierung der Haftstrafen kommt nicht nur den Betroffenen, sondern auch dem Staat zugute, denn eine Halbierung der Haft bedeutet auch eine Halbierung der nicht geringen Haftkosten. Am preiswertesten wird es für den Staat, wenn der Betroffene statt der Ersatzfreiheitsstrafe die Option der Ableistung gemeinnütziger Arbeit wählt. Auch hier soll der Umrechnungsmodus 1/2 lauten, d.h. für einen Tagessatz wäre ein halber Tag gemeinnütziger Arbeit zu leisten.

Erweiterung der Strafzumessungsgründe

Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E werden die bis­he­rigen Straf­zu­mes­sungs­gründe um „geschlechts­spe­zi­fi­sche“ und „gegen die sexu­elle Ori­en­tie­rung gerich­tete Beweg­gründe“ ergänzt. Damit wird die bereits bisher gel­tende Recht­spre­chung, wonach Hass gegen Frauen sowie gegen LSBTI-Per­sonen sich als Tat­mo­tive straf­schär­fend aus­wirken, durch eine aus­drück­liche Kodi­fi­zie­rung gesetzlich vorgegeben. Unter die Neu­re­ge­lung sollen auch Fälle zu sub­su­mieren sein, in denen sich der Täter von Vor­stel­lungen geschlechts­be­zo­gener Ungleich­wer­tig­keit leiten lässt. Auf Vorschlag des Bundesrates wurde der bisherige Gesetzentwurf durch eine Ergänzung in § 5 StGB insoweit ausgeweitet, als für diese Taten nicht nur Personen belangt werden können, die zum Tatzeitpunkt Deutsche sind, sondern künftig auf solche Personen, die ihre Lebensgrundlage in Deutschland haben.

Modifikationen des Auflagen- und Weisungsrechts

In den Katalog der Wei­sungen im Rahmen der Straf­aus­set­zung zur Bewäh­rung gemäß § 56c Abs. 2 StGB, im Rahmen einer Ver­war­nung mit Straf­vor­be­halt gemäß § 59 a Abs. 2 StGB sowie bei vor­läu­figem Absehen von der Straf­ver­fol­gung gemäß § 153 a Abs. 1 Satz 2 StPO (Gering­fü­gig­keit)  wird nun aus­drück­lich die Mög­lich­keit einer The­ra­pie­wei­sung dahingehend auf­ge­nommen, dass der Betroffene sich psych­ia­trisch, psycho- oder sozi­al­the­ra­peu­tisch betreuen und behan­deln zu lassen hat. Die Ver­war­nung mit Straf­vor­be­halt gemäß § 59a StGB wird um die Mög­lich­keit der Weisung zur Erbrin­gung gemein­nüt­ziger Leis­tungen erwei­tert.

Die Unterbringung in Entziehungsanstalten wird enger gefasst

Die Unter­brin­gung in einer Ent­zie­hungs­an­stalt nach § 64 StGB wird auf Per­sonen beschränkt, bei denen auf­grund ihres über­mä­ßigen Rausch­mit­tel­kon­sums die Gefahr der Bege­hung erheb­li­cher Straf­taten besteht. Flan­kie­rend wird die zeit­nahe Rück­über­stel­lung von Per­sonen in den Straf­vollzug gestärkt, bei denen fest­steht, dass die Behand­lung erfolglos war oder ist. Hierzu sind ver­schie­dene Ände­rungen des StGB und der StPO vor­ge­sehen. Mit diesen Modi­fi­ka­tionen soll die seit Jahren erheb­lich anstei­gende Zahl der Unter­brin­gungen in Ent­zie­hungs­an­stalten redu­ziert werden. Künftig werden nur noch die­je­nigen Per­sonen ein­ge­wiesen, bei denen eine posi­tive Behand­lungs­pro­gnose besteht.

Reform des Straftatbestandes der Leistungserschleichung soll später folgen

Auch eine Ände­rung des mate­ri­ellen Straf­rechts ist geplant. Die Ampel­ko­ali­tion hat eine Über­ar­bei­tung des Straf­tat­be­standes der Leis­tungs­er­schlei­chung, § 265a StGB, in Aus­sicht gestellt, die fällige Reform aller­dings auf später ver­schoben. Eine der dis­ku­tierten Optionen ist die Her­ab­stu­fung zu einer Ord­nungs­wid­rig­keit. Damit könnten Buß­gelder ver­hängt werden, die in der Regel deut­lich geringer als Straf­zah­lungen aus­fallen und auch von finan­ziell schlechter gestellten Men­schen leichter auf­zu­bringen wären.

Kritik des DAV

Dem DAV gehen die Reformen insgesamt nicht weit genug. Er kritisiert vor allem die Ersatzfreiheitsstrafe als nicht mehr zeitgemäß. In der Praxis führe die Ersatzfreiheitsstrafe regelmäßig zur Inhaftierung von Menschen mit psychischen Problemen, mit Suchtkonflikten sowie von Menschen in finanzieller Not. Das Strafrecht dürfe nicht dazu dienen, Armut und soziale Ausgrenzung zu vertiefen. Die Ersatzfreiheitsstrafe gehöre deshalb abgeschafft. Die Justiz befürchtet demgegenüber bei einer vollständigen Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe einen deutlichen Bedeutungs- und Wirkungsverlust von Geldstrafen.

Reform soll umgehend umgesetzt werden

Mit dem nunmehr vom Rechtsausschuss gefassten Beschluss dürfte der Weg für die Umsetzung der Reform endgültig frei sein. Nach den Plänen des Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ters soll die Reform möglichst umgehend vom Bundestag beschlossen werden und anschließend nach Ausfertigung und Gegenzeichnung durch den Bundespräsidenten in Kraft treten.

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