Gerichtshof prangert Justizwillkür in der Ukraine an
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem weitreichenden Urteil die Justizwillkür in der Ukraine verurteilt. Der Fall betraf die Festnahme und Inhaftierung des früheren Innenministers der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, Juri Luzenko, im Jahr 2010. Der Richterspruch stärkt die Kritiker von Staatspräsident Viktor Janukowitsch, die ihm «Siegerjustiz» vorwerfen, um die Opposition vor der Parlamentswahl im Herbst politisch kaltzustellen.
Die Festnahme und Inhaftierung des Politikers sei «willkürlich und ungesetzlich» gewesen, urteilte der Gerichtshof am Dienstag. Die Richter gingen nicht soweit, ausdrücklich von «politischer Justiz» zu sprechen, doch ging das Urteil in diese Richtung. Luzenkos Klage, seine Verhaftung habe dazu gedient, ihn vom politischen Leben und von den nächsten Parlamentswahlen auszuschließen, prüften die Richter sehr genau. Sie kamen dabei zu dem Schluss, dass die Beschränkung seiner Freiheit «auch andere Gründe» gehabt habe.
Die Richter sprachen Luzenko eine Entschädigung von 15 000 Euro zu. Der Politiker büßt eine vierjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs ab.
Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit und auf Information über die Gründe einer Haft
Die Richter werfen in ihrem Urteil den ukrainischen Behörden vor, sie hätten Luzenkos Inhaftierung nicht stichhaltig begründet. Sie hätten den Ex-Minister auch nicht über die Gründe seiner Haft informiert. Verletzt wurden laut Urteil unter anderem das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Menschenrechtskonvention und auf Information über die Gründe einer Haft.
Luzenkos Verteidigerin Valentina Telitschenko nannte das Urteil einen «Meilenstein». «Die Entscheidung ist äußerst folgenschwer für die Ukraine», sagte sie dem TV-Sender Fünfter Kanal. Die Urteile des EGMR sind bindend. Die Ukraine sollte dafür sorgen, dass sich derartige Fälle nicht wiederholen. Allerdings ist das Urteil nicht endgültig, dagegen kann Berufung beantragt werden.
In den vergangenen Monaten waren einige frühere Ressortchefs Timoschenkos verurteilt worden. Timoschenko selbst war im Oktober 2011 in einem international kritisierten Prozess wegen eines umstrittenen Gasgeschäfts mit Russland - auch hier lautete die Anklage auf Amtsmissbrauch - zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
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