Keine Entschädigung für Nasenbeinfraktur

Wer einen Polizisten während einer erkennungsdienstlichen Maßnahme beißt, muss mit einer umfassenden und schmerzhaften Reflexhandlung des Beamten rechnen. Wer hierdurch zu Schaden kommt, hat regelmäßig keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz.

Der kürzlich vom LSG Mainz entschiedene Fall war von durchaus komplexer Natur. Der Kläger hatte sich kurz vor Weihnachten 2007 zu einer Polizeiwache begeben, um sich nach dem Verbleib seines gestohlenen Fahrrades zu erkundigen. Bei dieser Gelegenheit bemerkte einer der Polizeibeamten, dass hinsichtlich des Klägers eine erkennungsdienstliche Behandlung in einer anderen Sache angeordnet war.

Jedenfalls biss der Kläger dem Polizeibeamten ins Bein

Darauf angesprochen randalierte der Kläger nach Schilderung der anwesenden Polizeibeamten. Man führte ihn darauf in einer Arrestzelle. Einer der Beamten versuchte den Kläger auf der dort befindlichen Pritsche ruhig zu stellen, indem er dessen Kopf zwischen seinen beiden Füßen fixierte. Die Schilderungen über den weiteren Vorfall gehen - wie in Fällen von Polizeigewalt nicht selten - erheblich auseinander.

Multiple Prellungen am Kopf und am ganzen Körper

Jedenfalls biss der Kläger dem Polizeibeamten ins Bein, worauf dieser nach eigener Aussage reflexartig sein Bein wegzog, dabei das Gleichgewicht verlor und so unglücklich auf den Kläger stürzte, dass dieser multiple Prellungen am Kopf und am ganzen Körper, sowie eine Nasenbeinbruch erlitt.

Das Amt für Soziale Angelegenheiten wies den Kläger ab

Der Kläger stellte daraufhin Januar 2009 beim Amt für Soziale Angelegenheiten in Landau/Pfalz einen Antrag auf Versorgung nach dem OEG. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft das gegen den Polizeibeamten eingeleitete Ermittlungsverfahren mangels tragfähiger Beweise eingestellt. Das LSG hat zweitinstanzlich umfassend Beweis erhoben durch Vernehmung der drei beteiligten Polizisten und einer ausführlichen Anhörung des Klägers. Ein vom Gericht eingeschalteter Sachverständiger bestätigte die nicht unerheblichen Verletzungen des Klägers, nämlich diverse Verletzungen am Kopf, eine posttraumatische Schiefnase, Prellmarken an der Stirn, am Hinterhaupt, Nasenrücken, einen Knorpeleinriss am linken Ohr, Hämatome an den Handgelenken sowie am Oberschenkel.

Die Verletzungsbilder bestätigen Darstellung der Polizei

Der Gutachter kam jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Verletzungsbilder sich sowohl nach den Schilderungen des Klägers als auch nach den Schilderungen der Polizisten erklären ließen. Aus Sicht des Sachverständigen waren einige der aufgetretenen Verletzungsbilder bei Zugrundelegung des seitens der Polizeibeamten geschilderten Sachverhalts sachlich sogar plausibler zu erklären als nach den Schilderungen des Klägers.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Opferentschädigung

Das LSG stellte klar, dass die Anerkennung von Schädigungsfolgen gemäß § 1 OEG einen

  • vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff voraussetzt,
  • der zu den Gesundheitsstörungen des Betroffenen führt.
  • Die Schädigung des Opfers müsse darüber hinaus unmittelbar auf die Verletzungshandlung zurückzuführen sein

Partielle Beweiserleichterungen zu Gunsten des Geschädigten

Hierbei treffe den Kläger die volle Beweislast. Die Schädigungshandlung ohne Schädigungsfolgen müssten hiernach mit einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt worden sein, dass kein vernünftiger Mensch noch hieran zweifelt (BSG, Urteil v. 28.6. 2000, B 9 VG 3/99 R). Das Gericht verkannte nicht, dass bei Verfahren nach dem OEG häufig Beweisschwierigkeiten auftreten. Diese rechtfertigen nach Auffassung der Richter jedoch keine generelle Beweiserleichterung oder sogar Beweislastumkehr. Allerdings kämen dem Opfer die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins sowie die für Kriegsopfer geschaffene besondere Beweiserleichterung nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung zugute (SG Mainz, Urteil v. 18.5.2011, L 4 VG 14/09).

Beweislage ergab: Kläger hat sich seine Verletzungen selbst zuzuschreiben

Nach Ansicht des Gerichts sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nicht gegeben. Der Kläger habe nicht hinreichend glaubhaft und plausibel gemacht, dass er im Zuge der gegen ihn eingeleiteten polizeilichen Maßnahmen durch die handelnden Polizeibeamten vorsätzlich und rechtswidrig verletzt worden sei.

Es existierten zwei sich widersprechende Darstellungen des Geschehensablaufs. Die Darstellung der Polizeibeamten sei durch mehrere Zeugen belegt. Hinzu kämen die Feststellungen des Sachverständigen, nach denen der Geschehensablauf von den Polizeibeamten plausibler geschildert worden sei als von dem Kläger. Außerdem sei festzuhalten, dass die von den Polizeibeamten eingeleiteten erkennungsdienstlichen Maßnahmen rechtmäßig ergangen seien. Das Gericht müsse nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgehen, dass die diagnostizierten Verletzungsbilder letztlich auf den Biss ins Bein des Polizisten zurückzuführen seien, der daraufhin durch eine reflexartige Bewegung und den Verlust des Gleichgewichtes unglücklich mit seinem ganzen Körper auf den Kläger gestürzt sei. Es sei daher letztlich nicht auszuschließen, dass die Verletzungen des Klägers auf seinem eigenem Fehlverhalten beruhten - ein wirklich bizarrer Ablauf aus dem polizeilichen Alltag...

(LSG Mainz, Urteil v. 9.1.2015, L 4 VG 5/14).


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