Xing New Work Award: Abschied von den Start-ups

Bosch wurde für sein lebensphasenorientiertes Arbeitszeitmodell mit dem New Work Award ausgezeichnet. Der schwäbische Technologiekonzern hat die Auszeichnung zweifellos verdient, doch der Award verliert sein Profil. Ein Kommentar von Reiner Straub.

Als die Burda-Tochter Xing 2014 erstmals den New Work Award vergab, wollten Sie den „Radikalen“ der Arbeitswelt Aufmerksamkeit verschaffen. Die Jury um Xing-CEO Thomas Vollmoeller und Publizist Thomas Sattelberger prämierte Konzepte, die Antworten auf die „radikalen“ Veränderungen in der Arbeitswelt aufzeigten. Die siegreichen Unternehmen hießen „12Monkeys“, „Team neusta“ und „Dark Horse“ und repräsentierten die New-Work-Bewegung. Die Preisverleihung war einzigartig und trug dazu bei, Pioniere zu stärken und ihnen eine öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Ein idealistisches Anliegen, das zweifelslos auch Xing beim Aufbau seiner Marke half.

Jury setzt auf Strahlkraft der etablierten Großunternehmen

Im Jahr 2015 hielt Xing den radikalen Erneuerern noch die Treue. Auf der Siegerliste standen „Auticon“, „Haufe-umantis“ (eine Tochter von Haufe, die diese Website publiziert) und Dexina. Doch die Erneuerer wurden in eine eigene Kategorie gesteckt, ihre Strahlkraft war den Marketingstrategen von Xing offenbar zu gering. Neben der Kategorie „KMU“ wurde noch die Kategorie „Großunternehmen“ geschaffen, über die sich der Preis offenbar noch mehr Aufmerksamkeit versprach. Die Jury kürte die Telekom (Social Media Business), Daimler und Microsoft zu Siegern, deren Konzepte der Öffentlichkeit bereits bekannt waren. Die Start-ups und Erneuerer bekamen zwar noch öffentliche Aufmerksamkeit, mussten diese sich aber mit den Etablierten teilen. Das funktionierte, der KMU-Sieger Auticon jedenfalls konnte sich über das Presseecho nicht beschweren.

Start-ups werden in den Hintergrund gedrängt

Xing setzt seinen Kurs 2016 fort, schaffte die Kategorien ab und drängte die Start-ups weiter in den Hintergrund. Als erster Sieger wurde Bosch für sein lebensphasenorientiertes Arbeitszeitmodell ausgezeichnet. Das Konzept war bereits bekannt und stellt eine evolutionäre Weiterentwicklung des bisherigen Arbeitszeitmodells dar. Bosch setzt damit vorbildlich um, was im klassischen Personalmanagement in den letzten Jahren diskutiert und erarbeitet wurde. Es ist die europäische Antwort auf den Hype um die Silicon-Valley-Firmen, mit denen Bosch auf dem Arbeitsmarkt konkurriert, wie mir Arbeitsdirektor Christoph Kübel vor einigen Monaten erläuterte. Bosch hat den Preis zweifellos verdient, sie machen dort eine innovative Personalpolitik, sogar in Kooperation mit den Sozialpartnern, die vielfach als Verhinderer von New Work gelten.

Weichenstellung bei der Preisvergabe

Doch die Preisvergabe markiert eine Weichenstellung: Die Jury hilft dem schwäbischen Technologiekonzern beim Employer Branding, um etwa Technologiefreaks zu gewinnen. Die Start-ups und Pioniere, die mit radikalen Modellen die Arbeitswelt verändern wollen, haben das Nachsehen. Darüber kann auch der zweite Platz für das Bauunternehmen Heitkamp & Hülscher (Modell der Mitarbeiterbeteiligung) sowie der dritte Platz für Bike Citizens (Vier-Tage-Woche) nicht hinwegtäuschen.

Xing-CEO Vollmoeller begründet die diesjährige Preisvergabe mit einer Marktveränderung: „Es sind nicht nur die Großunternehmen und Startups, die sich mit neuen Arbeitsmodellen befassen, sondern zunehmend auch Firmen aus traditionellen Branchen.“ Doch er irrt mit seiner Einordnung. Die sogenannten traditionellen Branchen innovieren ihre Arbeitsmodelle seit Jahrzehnten und haben sich vermutlich verstärkt beim New Work Award beworben, Bosch ist dafür ein gutes Beispiel.

Die Opfer der Marketingmaschinerie

Verändert hat sich nicht die Innovationskraft der etablierten Unternehmen, sondern die Marketingstrategie der etablierten Unternehmen und die Marketingstrategie für den New Work Award. Die Förderung der Start-ups und radikalen Erneuerern ist inzwischen weniger wichtig. Vollmoeller geht es darum, Xing in der Mitte der deutschen Wirtschaft zu positionieren. Das passt auch besser zu der Marketingmaschinerie der Focus-Leute, die parallel die besten Arbeitgeber auszeichnen und an diesem Geschäftsmodell prächtig verdienen. Den Pionieren und Start-ups fehlt jedenfalls eine Plattform. Das ist die Botschaft der diesjährigen Preisverleihung. Hat die Jury den Willen und die Kraft, sich wieder für die Start-ups und Pioniere einzusetzen?

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