Studie Next PE: Zukunftsfähigkeit organisationalen Lernens

Wo stehen Unternehmen in der Personalentwicklung – und wie schätzen die Lernenden den Status quo ein? Die wissenschaftliche Studie "Next PE" ist diesen Fragen aus Sicht der Personalentwickler und -entwicklerinnen sowie der Lernenden nachgegangen. Dabei schneidet die Personalentwicklung (PE) nicht schlecht ab. Neben der Einordnung des aktuellen Status quo entstand durch die Freitextantworten ein großer praktischer Mehrwert für die Weiterentwicklung der PE.

Wettbewerbsfähigkeit in globalen Märkten und auf digitalen Kanälen erfordert eine schnelle Anpassungsfähigkeit von Unternehmen. Dafür müssen Organisationen lebenslanges Lernen fördern, das sowohl die Lernbedürfnisse der Beschäftigten und ihre Beschäftigungsfähigkeit adressiert als auch die Anforderungen der Kunden und der Gesamtorganisation. Auch selbstorganisiertes Lernen, das Unternehmen mit einem breiten und flexiblen Lernangebot unterstützen, spielt dabei eine Rolle.

Next PE: Zielbild einer zukunftsfähigen Personalentwicklung

Wo Unternehmen aus Sicht von Personalentwicklung und HR einerseits und den Fach- und Führungskräften andererseits stehen, hat die Studie "Next PE" untersucht. Basierend auf Befunden zur Entwicklung von "Learning & Development" und eigenen Forschungsergebnissen wurde das Zielbild einer zukunftsfähigen Personalentwicklung entwickelt. Dieses wird in der Studie in Form von zehn Mini-Szenarien abgebildet, die jeweils mehrere zusammenhängende Teilaspekte beinhalten wie zum Beispiel die Gestaltung des Lernens. Sie umfassen gleichermaßen die Ausgestaltung des Lernens selbst, die Rollen und Aufgaben der Beteiligten, das Lerndesign sowie technologische und kulturelle Aspekte.

In der Studie bewerteten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dabei zuerst den aktuellen Entwicklungsstand des jeweiligen Mini-Szenarios in ihrer Organisation (Stufe 1 "trifft überhaupt nicht zu" bis 6 "trifft voll und ganz zu"). Zudem hatten sie die Möglichkeit, konkrete Maßnahmen zu benennen, die es bräuchte, um sich um einen Punkt zu verbessern - also die nächsthöhere Entwicklungsstufe zu erreichen. Insgesamt nahmen 471 Personen an der Befragung teil; 229 Fach- und Führungskräfte aus dem Bereich Personalentwicklung und 242 Lernende (Fach- und Führungskräfte aus anderen Bereichen).

Zukunftsorientierte Personalentwicklung: Zusammenspiel von drei Faktoren

In den Antworten der Teilnehmenden zeigte sich als erster wesentlicher Befund, dass sich die Szenarien zu drei stabilen Faktoren gruppieren lassen: der Faktor der Lernenden, der Faktor der Personalentwicklung selbst und der Faktor des organisationalen Rahmens.

Bei der Betrachtung der Einschätzungen zur aktuellen Ausprägung der Zukunftsfähigkeit zeigt sich, dass in den Organisationen in allen Szenarien die gesamte Entwicklungsstufen-Bandbreite vorhanden ist, das heißt, jedes Szenario wurde zwischen 1 und 6 bewertet. Branchenzugehörigkeit und Unternehmensgröße sind im Antwortverhalten keine relevanten Einflussfaktoren. Insgesamt scheinen die Organisationen in den zehn Szenarien auf einem guten Weg zu sein. Im Mittel schätzen die Lernenden und die Personalentwickler den Ausprägungsgrad in den Szenarien mit Werten zwischen 2,9 und 5,4 ein.  

Beim Vergleich der Einschätzungen der Personalentwickler mit denen der Lernenden wird deutlich, dass es keine bedeutsamen Unterschiede in ihren Einschätzungen des aktuellen Stands der PE-Arbeit und des organisationalen Rahmens gibt. Nur in einem Faktor unterscheiden sich ihre Einschätzungen: beim Faktor der Lernenden, der über das Szenario 1 (Gestaltung des Lernens) und 2 (Beitrag der Organisation zum Lernen) abgefragt wurde. Die Lernenden selbst schätzen sich in diesem Faktor signifikant höher ein (Szenario 1: 5,39 und Szenario 2: 4,97) als die Personalentwickeler dies tun (Szenario 1: 3,52 und Szenario 2: 3,52). Die Führungskräfte aus der Lernenden-Perspektive sehen diesen Faktor noch entwickelter bei sich selbst (Szenario 1: 5,48, Szenario 2: 5,22).

Das gleiche Phänomen in abgeschwächter Form ist bei der Bewertung von Szenario 5 zur Entwicklung der Personalentwicklung vorhanden. Hier schätzen sich die Personalentwickler und -entwicklerinnen um einen Punkt besser ein als die Lernenden dies tun (PE: 4,25 und Lernende: 3,13)

Zahlreiche konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung erhalten

Nach der individuellen Einschätzung der eigenen PE hatten die Befragten die Möglichkeit, Maßnahmen vorzuschlagen, durch die sich ihre Organisation in dem jeweiligen Szenario um einen Punkt weiterentwickeln könnte. Die Antworten zeigen den großen Praxiswert dieser Studie: Die Teilnehmenden gaben 1.528 offene Antworten, die insgesamt etwa 2.500 Vorschläge enthielten.

Bei der inhaltsanalytischen Auswertung der Antworten zeichnete sich über die beiden Gruppen der Befragten ein klares Muster ab: Für jeden Entwicklungsschritt auf die nächsthöhere Stufe lassen sich in jedem Szenario jeweils differenzierte Ansatzpunkte identifizieren. Das bedeutet, dass die Teilnehmenden sich unabgesprochen relativ einig zu sein schienen, welche Maßnahmen für die Erreichung der nächsten Entwicklungsstufe wichtig wären.

Entwicklungsstufen bei der Gestaltung des Lernökosystems

Ein Beispiel für die Maßnahmen im Faktor Personalentwicklung lässt sich an Szenario 4 aufzeigen, in dem es um die Gestaltung des Lernökosystems geht. 

1. Schritt: Etablierung als Servicedienstleister für das Business (Maßnahmen: Wünsche der Mitarbeitenden aufnehmen, Zugang zu Bildungsangeboten sicherstellen, für eine angemessene Lernausstattung sorgen).

2. Schritt: Kundenorientierung der Personalentwicklung weiter ausbauen (Maßnahmen: Ausbau von zielgruppenspezifischen Angeboten, Entwicklung von Beratungsangeboten).

3. Schritt: Strategieorientierung, um die Wahrnehmung als Partner statt als reiner Servicedienstleister zu fördern (Maßnahmen: zukunftsorientierte Bedarfsanalysen, Verzahnung mit dem operativen Geschäft, Einbetten der Angebote in den Rahmen der Gesamtstrategie).

4. Schritt: Professionalisierung der strategischen Ausrichtung (Maßnahmen: ganzheitliche Betrachtung der Personalentwicklung, Modernisierung der Formate und Systeme, Lernbegleitungsangebote für Führungskräfte).

5. Schritt: Wertschöpfungsorientierung fokussieren (Maßnahmen: Individualisierung durch Bedarfsanalysen, Kompetenzorientierung der Angebote, Gestaltung der Learning Experience).

6. Stufe: Integration der Personalentwicklungsaufgaben ins Business (Maßnahmen: Co-Creation mit allen Beteiligten, Personalisierung, Fokussierung auf das Wesentliche).

Studie Next PE zum Download

Weitere Beispiele für die Auswertung der einzelnen Szenarien und Entwicklungsstufen sind in einer dreiteiligen Serie in der Zeitschrift "wirtschaft+weiterbildung" sowie in einem zusammenfassenden Beitrag in Personalmagazin Ausgabe 09/2021 enthalten. Der gesamte Studienbericht wird ab Ende November online zum Download zur Verfügung stehen. 

Die Studie ist ein Gemeinschaftswerk der Professorinnen Nele Graf, Leiterin des Competence Centre of Innovations and Quality in Leadership and Learning (CILL) an der Hochschule für angewandtes Management, und Anja Schmitz, Professorin für Personalmanagement/HRM an der Hochschule Pforzheim. Das Personalmagazin und Persoblogger.de haben die Studie als Kooperationspartner unterstützt.


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Schlagworte zum Thema:  Personalentwicklung, Weiterbildung, Studie