Kolumne Lerntransfer

Drei "E" für wirkungsvolleres Lernen


Drei "E" für wirkungsvolleres Lernen

Lerninhalte müssen effektiv, effizient und empowernd sein. Das ist die einfache Formel der drei "E", die am Ende zu einem wirkungsvollen Lernprozess führt. Doch was so einfach klingt, wird im L&D-Alltag viel zu oft missachtet. Was hier falsch läuft und wie es besser geht, hat Kolumnist Axel Koch erkundet.

"Jetzt habe ich das Selbstlernprogramm mit seinen Lernpfaden so schön entwickelt, aber ich sehe an den Abbruchquoten, dass die Leute damit einfach nicht arbeiten wollen." Oder: "Jetzt waren die Vertriebsleute bei der Produktschulung, aber am Ende ist nicht viel bei denen angekommen." Das sind typische Aussagen von L&D-Professionals. Voll Frust und Bitterkeit. Jürgen Sammet kennt diese nur zu gut.

Seine Erklärung dafür ist, dass das - im Grunde einfache - Prinzip der drei "E" ignoriert wird, so der Diplom-Pädagoge, Professor für Digitales Lernen, Leadership & Coaching sowie Autor der Bücher "Vom Trainer zum agilen Lernbegleiter" und "Good Learning – Guide zur agilen Lernbegleitung in Unternehmen". Im Gespräch hat er mir verraten, wofür die drei "E" stehen und was in dem Zusammenhang die Methode des Scaffoldings ist.

Die Formel für Transferwirkung

Das erste "E" steht für Effektivität. Hier geht es um den Fokus darauf, dass Lerninhalte zur Lösung von realen, aktuellen oder zukünftigen Problemen beitragen. Die Leitfrage ist: "Was brauchen die Lernenden genau, um die Herausforderungen in der Arbeit besser zu bewältigen?"

Das zweite "E" steht für Effizienz. Lernangebote sind auf der einen Seite kosten- als auch zeiteffizient gestaltet, auf der anderen Seite aber auch so, dass Mitarbeitende diese mit geringem geistigem Aufwand bearbeiten können. Hier gilt es verschiedene Aspekte zu beachten, wie etwa den "Expertise-Reversal-Effekt". Anfänger brauchen beim Lernen eher eine strukturierte, schrittweise Anleitung, die ihnen hilft, die Grundlagen zu verstehen. Expertinnen und Experten hingegen ziehen es vor, sich problemorientiert und selbstgesteuert mit neuen Herausforderungen auseinanderzusetzen, da sie bereits über eine solide Wissensbasis verfügen.  

Die Methode "Scaffolding", zu Deutsch "Gerüstbau", zielt genau darauf ab, Lernende sehr bedarfsgerecht zu unterstützen. Es gilt sie also an dem Punkt abzuholen, wo sie stehen, und sie schrittweise an das selbstständige Lösen komplexerer Aufgaben heranzuführen - bis sie dann eine Aufgabe eigenständig bearbeiten können.

Das dritte "E" steht für Empowerment. Hierbei geht es darum, ein Lernarrangement so zu gestalten, dass es die Lernmotivation fördert. Dies gelingt, indem der direkte Nutzen des Lernens für berufliche Anforderungen erlebbar wird. Die Motivation steigt laut der Selbstbestimmungstheorie dann, wenn bei den Lernenden die folgenden drei grundlegenden psychologischen Bedürfnisse erfüllt sind: Kompetenzerleben, Autonomie, Soziale Eingebundenheit.

Lernbegleitung schafft unmittelbar Impact

Als Parade-Beispiel für die Umsetzung der drei "E" sieht Jürgen Sammet die Lernbegleitung. Fachexpertinnen und -experten in einem Unternehmen bekommen dabei eine didaktische Ausbildung und bringen dann ihren Kolleginnen und Kollegen das bei, was sie für ihre Arbeit wissen müssen. Anstatt also alle Vertriebsmitarbeitende ein bis zwei Tage in eine Produktschulung zu setzen, gibt es stattdessen eine Art Tandem. Eine Produktkollegin vermittelt einem Vertriebsmitarbeiter mit ein bis eineinhalb Stunden Aufwand die Woche genau das technische Know-how, was dieser für seine Arbeit braucht. Die 1:1-Lehrsituation wirkt zwar auf den ersten Blick personalintensiv, sei es aber gar nicht, meint Sammet. Denn die Zeit wird nur anders investiert und vor allem viel wirkungsvoller. Weil eben die Produktkollegin didaktisch geschult ist und nicht nur einfach ihr ganzes Produktwissen "runterspult". 

Diese Art der Vermittlung kommt gut an, weiß Sammet. Er hört immer wieder Sätze wie "Das fühlt sich überhaupt nicht wie lernen an." Das liegt daran, dass der Lernende punktgenau im Prozess der Arbeit das nötige Wissen bekommt. Und da der Lernprozess sehr individuell abgestimmt ist, braucht auch kein Mitarbeitender Sorge zu haben, falls er oder sie etwas noch nicht weiß oder verstanden hat. Der weitere Pluspunkt der Lernbegleitung ist laut Sammet: "Mit so einer einfachen und sehr klaren Lernbegleitung kriege ich Motivation, weil es einen unmittelbaren Impact hat."

Ein Zungenbrecher mit System: PETRA-BAL

Vor dem Hintergrund der Prinzipien der drei "E" hat Jürgen Sammet ein Modell für eine agile Lernbegleitung entwickelt. Es besteht aus acht Komponenten, die sich in dem Akronym PETRA-BAL widerspiegeln. 

Das "P" steht für Planen. Bevor ich mit dem Lernen starte, überlege ich mir, wie ich vorgehen möchte, was genau gelernt werden soll und warum. Weiter geht es mit "E", dem effizienten Erschließen der neuen Inhalte, z. B. über Podcasts, Trainings, Peer-Learning, kuratierte Inhalte etc. Das "T" richtet den Blick auf das Tun und somit darauf, wie Wissen effektiv in praktisches Handeln gebracht werden kann. Das "R" steht für die Reflexion der gemachten Erfahrungen bei der Umsetzung des Gelernten. Feedback ist hier wichtig. Das "A" bedeutet Auswertung. Hierbei gilt es sich zu überlegen, wie die nächsten Schritte für einen erfolgreichen Lernprozess sein müssen. Diese fünf Schritte beschreiben den chronologischen Verlauf eines Learning Loops, also eines iterativen Vorgehens. Parallel dazu finden die Aspekte von "B" für "Begleiten" durch den Lernbegleiter, "A" für Austauschen im Sinne eines kollegialen Lernens und "L" für Lernkultur statt.

Das Modell ist kein starres Programm, sondern dient als Orientierungshilfe für die optimale Gestaltung eines Lernprozesses. Jede Komponente kann flexibel mit verschiedenen Formaten und Medien gestaltet werden.

Mehr zum Thema findet sich im Buch "Good Learning" von Jürgen Sammet. Auch steht er gerne für den vertiefenden Austausch bereit.


Prof. Dr. Axel Koch ist promovierter Diplom-Psychologe und arbeitet als Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning (bei München). In seiner Forschung befasst sich Koch mit dem Thema Lerntransfer und nachhaltige Veränderung. Er hat über 25 Jahre Erfahrung als Personalentwickler, Trainer und Coach. Er steckt hinter dem Pseudonym "Richard Gris", unter dessen Namen 2008 das Buch "Die Weiterbildungslüge" erschien.


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