Radikale Führungsstile wirken selten wie geplant

Steve Jobs beschimpfte seine Teams bei Apple, Jack Welch entließ bei General Motors ein Viertel seiner Belegschaft. Trotzdem gelten beide als visionäre Führungsvorbilder. Eine Studie untersucht, unter welchen Bedingungen solche radikalen Führungsstile wirken können – und wann sie mehr schaden als nutzen.

Sind radikale Führungsstile besser für Change-Prozesse geeignet? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Studie "Annealing as an Alternative Mechanism for Management", die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Connections erschienen ist. Die Studie unter der Mitarbeit der wissenschaftlichen Hochschule ESMT Berlin untersucht Logik und Voraussetzungen einer radikalen Führungsform, die die Forschenden als "Annealing" bezeichnen.

Radikale Führungsform als Auslöser für Bewegung

Das Konzept des Annealing stammt ursprünglich aus der Metallverarbeitung. Materialien werden erhitzt, anschließend kontrolliert abgekühlt und verändern dabei ihre innere Struktur. Die Forschenden übertragen dieses Prinzip in ihrem Fachbeitrag auf Führung und beschreiben, wie Organisationen gezielt in Unruhe versetzt werden können, um eingefahrene Strukturen zu lockern. Ziel ist es, Organisationen beweglicher zu machen und in die Lage zu versetzen, sich neu auszurichten.

Annealing als radikales Führungskonzept

Laut der Studie kann der Ansatz große Wirkung entfalten. Dazu sei jedoch eine sorgfältige Inszenierung notwendig, die in zwei Phasen erfolgt:

  1. Im ersten Schritt wird gezielt Unruhe erzeugt. Die Autoren nennen dies die Phase der Erhitzung: Routinen werden infrage gestellt und gewohnte Abläufe gestört. Dadurch werden neue Möglichkeiten sichtbar.
  2. Im zweiten Schritt folgt eine Phase der Abkühlung: Hier werden Deutungen gefestigt, Belastungen reduziert und neue Strukturen stabilisiert. Erst im Verlauf dieser zweiten Phase entscheidet sich, ob eine Organisation neue Geschlossenheit gewinnt oder an der Spannung zerbricht.

Rahmenbedingungen für radikale Führung

Nicht jede Organisation sei in der Lage, diesen Prozess zu bewältigen. Die Studie nennt mehrere Rahmenbedingungen, die für ein Gelingen von Annealing erfüllt sein müssen. So braucht es erstens eine Führungsperson mit gefestigtem Status, die Rückhalt in der Organisation hat. Zweitens muss die Belegschaft genügend emotionale Kraft haben, die neuen Spannungen auszuhalten.

Drittens funktioniert Annealing nur, wenn eine Organisation zugleich über freie Ressourcen wie Zeit oder Budget für Experimente verfügt und genug Unsicherheit über die eigene Lage besteht, um die anfängliche Unruhe sinnvoll erscheinen zu lassen. Sei einer dieser beiden Faktoren zu gering ausgeprägt, misslingt der Prozess.

Wenn radikale Führung Schaden anrichtet

Die Forschenden betonen außerdem, wie wichtig Kommunikation in diesem Kontext ist. Die Führungsperson darf nicht nur Unruhe stiften, sondern muss gleichzeitig ein glaubwürdiges Zukunftsversprechen abgeben. Fehlen diese Voraussetzungen, führt der Impuls nicht zu Erneuerung, sondern zu Erschöpfung, Zynismus oder Orientierungslosigkeit.

Das Forschungsteam kommt zu dem Schluss, dass ein radikaler Führungsstil wie Annealing zwar unter den richtigen Bedingungen wirksam sein können, aber selten anwendbar und mit hohen Risiken verknüpft sei. "Wenn nicht alle Rahmenbedingungen stimmen, richtet Radikalität mehr Schaden an, als sie nützt", so Matthew S. Bothner von der ESMT Berlin.


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