New Work bei Porsche: Agil im Garagenduft

Porsche investiert eine Milliarde Euro in die Entwicklung der Standorte – darunter auch in ein neues Digital Office in Ludwigsburg, das moderne, agile Arbeitsweisen unterstützen soll. Personalvorstand Andreas Haffner über die wichtige Rolle von New Work in seinem Unternehmen.

Haufe Online-Redaktion: Wie wichtig ist New Work in Ihrem Unternehmen?

Andreas Haffner: New Work bekommt bei uns einen deutlich größeren Stellenwert. Das hängt mit der Umsetzung unserer Strategie 2025 zusammen. Für uns ist New Work ein Dreiklang. Es geht um die Frage, wie unsere zukünftigen Methoden und Prozesse aussehen, es geht um Kultur und es geht um Arbeitsumgebung und Arbeitsbedingungen. Wir arbeiten an allen drei Ecken. Beim Thema Methoden und Prozesse haben wir für uns eine eigene Methodik namens „Agiles Arbeiten bei Porsche“ entwickelt, die an die klassischen agilen Arbeitsformen angelehnt ist. Diese haben wir dementsprechend auf unsere Bedürfnisse angepasst.

"Für uns ist New Work ein Dreiklang. Es geht um die Frage, wie unsere zukünftigen Methoden und Prozesse aussehen, es geht um Kultur und es geht um Arbeitsumgebung und Arbeitsbedingungen." Porsche-Personalvorstand Andreas Haffner

Haufe Online-Redaktion: Ist das neue Digital Office in Ludwigsburg ein Beispiel für Ihre Veränderungen im Bereich Arbeitsumgebung und -bedingungen?

Haffner: Das Digital Office in Ludwigsburg, das neben der Porsche Digital GmbH auch ressortübergreifende Einheiten rund um Smart Mobility beheimatet, ist nur ein Beispiel. Auch in Zuffenhausen integrieren wir sukzessive neue Arbeitsumgebungen – insbesondere dort, wo wir Renovierungen durchführen oder Neubauten errichten. Dabei ist es für uns wichtig, dass die Mitarbeiter von vornherein abgeholt werden. Wir haben eine "Mockup-Fläche" erstellt – eine Visualisierung, bei der sich die Mitarbeiter ansehen können, wie die neue Arbeitsumgebung aussehen wird. Das ist für uns extrem wichtig, da sich gerade ältere Mitarbeiter, die Zweier- oder Vierer-Büros gewohnt sind, nicht immer leicht damit tun, in neue Arbeitswelten einzutauchen. Deshalb haben wir einen offenen und transparenten Prozess gewählt, um die Mitarbeiter dafür zu gewinnen.

Klassische und bewährte Prozesse bleiben zunächst bestehen 

Haufe Online-Redaktion: Wie nehmen Sie die Mitarbeiter mit, was die Methoden und Prozesse angeht?

Haffner: Agile Arbeitsweisen können wir nicht auf einmal über alles stülpen, sondern wir haben ganz klein angefangen, ausprobiert, und werden das Thema sukzessive auf weitere Projekte erweitern. Natürlich können wir agile Arbeitsweisen nicht für alles einsetzen. In der operativen Produktion oder auch in der Entwicklung haben wir viele klassische und bewährte Prozesse, die wir nicht von heute auf morgen verändern werden. Aber in anderen Bereichen gibt es durchaus interessante Beispiele. So wurden die Lade-App für den Taycan oder das Internetportal „My Porsche“ agil entwickelt. Übrigens haben wir auch unser Kulturbild mit einer agilen Methodik erarbeitet.

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Bottom-up-Methode für das Leitbild

Haufe Online-Redaktion: Können Sie mehr über die Entwicklung Ihres neuen Kulturleitbilds erzählen?

Haffner: Uns war wichtig, die Mitarbeiter von vornherein mit einzubinden. Deshalb haben wir eine Bottom-up-Methode gewählt und das Kulturleitbild über eine agile Herangehensweise mit einem größeren Team von Mitarbeitern aus allen Ressorts entwickelt. Das war ein spannender Prozess, weil wir aus dem Vorstand keine Vorgaben gemacht haben. Vielmehr haben wir die Mitarbeiter gefragt: Was macht die Kultur bei Porsche aus? Wir haben auch die Arbeitnehmervertretung intensiv mit eingebunden. Das Ergebnis ist toll und vom Vorstand und Betriebsrat akzeptiert und begrüßt. Jetzt wird das Kulturleitbild über verschiedene Maßnahmen kommuniziert.

Haufe Online-Redaktion: Wie wichtig ist dabei, dass Sie zusammen mit Ihrem Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume und dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden Uwe Hück einer von drei Kulturpaten sind?

Haffner: Es muss immer Menschen geben, die sich intensiv dafür einsetzen, dass die Unternehmenskultur gelebt wird. Wir haben lange überlegt, wer die Patenrolle übernehmen sollte und im Vorstand dann entschieden, dass Oliver Blume und ich das von Vorstandseite aus begleiten. Es war aber auch wichtig, dass die Arbeitnehmervertretung mit eingebunden ist. Denn in vielen Unternehmen gibt es eine Kultur, die vom Vorstand gewünscht ist, aber von Arbeitnehmerseite nicht mitgetragen wird. Deshalb wollten wir auch dem Vorsitzenden des Betriebsrats eine aktive Rolle zuweisen. Unser Betriebratsvorsitzender Uwe Hück war aber sofort bereit, auch eine Patenrolle zu übernehmen. Er war schon im Entstehungsprozess von Anfang an mit dabei.

Das heutige Porsche-Geschäftsmodell wird erweitert

Haufe Online-Redaktion: Ihr Unternehmen investiert stark in Start-ups im Bereich künstliche Intelligenz und Mobilität. Heißt das, dass sich Porsche immer mehr in Richtung Technologiekonzern entwickelt und moderne Arbeitsformen diese Entwicklung unterstützen sollen?

Haffner: Vom Grundsatz her bleiben wir ein Unternehmen, das noch viele Jahre unsere heutigen Produkte – natürlich technisch weiterentwickelt – verkaufen wird. Aber Sie haben recht: Früher stand im Mittelpunkt unseres Unternehmensleitbilds, dass wir exklusive Sportwagen verkaufen. Das haben wir geändert und sagen: Wir verkaufen exklusive und sportliche Mobilität. Das ist viel weiter gefasst.

"Wir entwickeln uns in Richtung einer Tech-Company"

Uns ist klar, dass es zunehmend schwieriger wird, mit dem heutigen Geschäftsmodell auf Dauer erfolgreich zu sein. Wie alle anderen Automobilunternehmen sind wir auch auf der Suche, das heutige Geschäftsmodell zu erweitern. Daher kann man schon sagen, dass wir uns in Richtung einer Tech-Company weiterentwickeln. Allerdings sind die Fahrzeuge heute schon Hightech. Es gibt kaum ein Produkt, das vielschichtiger ist als ein Automobil. Die Vernetzung der Steuergeräte und Software im Fahrzeug ist heute schon enorm komplex. Aber mit der Anbindung an zentrale Servereinheiten, die im Back-End stehen und permanent mit dem Auto kommunizieren, wird das noch deutlich zunehmen. Das Auto wird auch mit anderen Fahrzeugen im Straßenverkehr kommunizieren. Es wird sozusagen zu einem zweiten mobilen Endgerät für die Kunden. Wir müssen sicherstellen, dass der Kunde die Infrastruktur, die er heute außerhalb des Autos nutzt, in Zukunft auch innerhalb des Autos nutzen kann.

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Haufe Online-Redaktion: Aber der „Garagenduft“, der Ihr Unternehmen seit seiner Gründung begleitet hat, bleibt erhalten?

Haffner: Den versuchen wir beizubehalten. Er ist auch ein wichtiger Bestandteil unseres Kulturleitbilds. Der Grundgedanke „Wir wollen weiterhin sportlich unterwegs sein“ äußert sich darin, dass wir uns als Organisation schnell und agil aufstellen. Auch den Pioniergeist, der seinen Ursprung vor 70 Jahren in einer Garage in Österreich hatte, wollen wir bewahren. Das bedeutet auch, etwas unkonventionell zu machen, ohne übermäßige Hierarchieschritte durchlaufen zu müssen. Aber ich muss auch dazu sagen, dass das mit zunehmender Mitarbeiterzahl nicht einfacher wird. Vor fünf Jahren hatte Porsche noch etwa die Hälfte der Mitarbeiter von heute. Es wird immer schwieriger, sich auf einer persönlichen Ebene diese Schnelligkeit zu bewahren. Trotzdem glaube ich, dass wir das im Moment noch gut hinbekommen.

Agile Arbeitsformen auch in der Produktion 

Haufe Online-Redaktion: Sie sagten, dass in manchen Arbeitsfeldern agile Arbeitsformen nicht unbedingt sinnvoll sind. Können Sie Digitalisierung und neue Arbeitsformen auch in den Arbeitsalltag der Produktion einbringen?

Haffner: Schon heute können Mitarbeiter Fehler elektronisch dokumentieren und weiterleiten. Mit der Fertigung unseres Elektrofahrzeugs Taycan werden wir einen weiteren Schritt gehen und neue, wesentlich flexiblere Produktionsprozesse einführen. Zwar werden wir in einem Teilbereich der Produktion weiterhin Gehänge haben, bei denen die Fahrzeuge in einer bestimmten Reihenfolge die Bänder durchlaufen. Aber es wird auch Abschnitte geben, in denen die Fahrzeuge auf fahrerlosen Transportsystemen laufen und jederzeit flexibel ein- und ausgesteuert werden können. Doch das erfordert bei den Mitarbeitern auch ein enormes Umdenken und zusätzliches Wissen. Dafür müssen wir die Mitarbeiter noch schulen. Das wird für die Mitarbeiter in der Produktion und in der Instandhaltung erhebliche Veränderungen mit sich bringen.

Haufe Online-Redaktion: Gibt es auch eine Möglichkeit für selbstbestimmte Arbeitszeiten in der Produktion?

Haffner: In der klassischen Sportwagen-Produktion haben wir schon relativ lange Arbeitstakte. Diese werden wir bei der Fertigung des neuen Taycan nochmals deutlich erweitern. Das heißt, dass ein Mitarbeiter das Fahrzeug bis zu zehn Minuten begleiten wird. Das gibt ihm ganz andere Möglichkeiten, seine Zeit während dieses Prozessschrittes individuell zu gestalten. Wir wollen beim Taycan ganz bewusst neue Wege gehen. Die längeren Arbeitstakte erlauben es dem Mitarbeiter, sich einem Thema intensiver zu widmen, weil er ein anderes Thema vielleicht deutlich schneller ausüben kann.

Das Interview führte Daniela Furkel.

 

Andreas Haffner ist Vorstand für das Personal- und Sozialwesen sowie Arbeitsdirektor bei der Dr. Ing. h.c.F. Porsche AG. Der Jurist ist 1997 ins Unternehmen eingestiegen und nach Statinen bei Volkswagen im Jahr 2015 zu Porsche zurückgekehrt.

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Schlagworte zum Thema:  New Work, Digitalisierung