Mythen über die Arbeit im Homeoffice

Florian Kunze untersucht mit seinem Team am "Future of Work Lab" der Universität Konstanz seit fünf Jahren in der Konstanzer Homeoffice-Studie, wie sich die mobile Arbeitswelt entwickelt. Bald erscheint sein neues Buch "Schluss mit dem Büro! Oder doch nicht?", in dem er auf verschiedene Thesen zum Homeoffice eingeht. Hier stellt er sechs weit verbreitete Mythen vor.

Seit Jahren wird über die Frage diskutiert: Macht Homeoffice träge, einsam und unproduktiv – oder ist es die Zukunft moderner Arbeit? Zwischen Rückkehrpflicht und Remote-Begeisterung geht oft verloren, was wissenschaftliche Studien tatsächlich belegen.

Mythos 1: Homeoffice schadet der Produktivität

Das Bild vom Homeoffice-Mitarbeitenden, der zwischen Waschmaschine und Videokonferenz die Arbeit schleifen lässt, hält sich besonders bei Führungskräften hartnäckig. Der wissenschaftlichen Überprüfung hält es aber nicht stand. Zahlreiche Studien, darunter auch die Konstanzer Homeoffice-Studie, zeigen: Mitarbeitende arbeiten zu Hause häufig konzentrierter, erleben weniger Ablenkungen und schätzen ihre Produktivität höher ein. Wird ihre Flexibilität eingeschränkt, sinkt die wahrgenommene Leistung sogar deutlich. Entscheidend ist nicht der Ort, sondern wie Aufgabe, Autonomie und Vertrauen zusammenpassen. Hybridmodelle, die Fokusarbeit zuhause und kollaborative Arbeit im Büro kombinieren, erreichen meist die besten Ergebnisse - sowohl für Beschäftigte als auch für Unternehmen.

Mythos 2: Nur durch eine verstärkte Rückkehrpflicht ins Büro können Unternehmen innovativ bleiben

Den Ruf danach, Beschäftigte wieder ins Büro zu zurückzubeordern, begründen Unternehmen und Führungskräfte oft mit dem Argument, Innovation entstehe nur durch zufällige Begegnungen am Kaffeeautomaten. Doch Zwang schafft keine Kreativität, sondern Misstrauen und Demotivation. Organisationen, die räumliche Freiheit zulassen, fördern eigenständiges Denken und Vielfalt – zwei zentrale Treiber von Innovation. Erfolgreiche Beispiele von Remote-Only-Organisationen wie etwa dem US-Digitalunternehmen Git Lab zeigen, dass auch mit vollständig dezentralen Strukturen innovative Spitzenleistungen hervorgebracht werden können. Innovation braucht keine Präsenzpflicht, sondern psychologische Sicherheit, klare Kommunikationsstrukturen und Räume – physische wie digitale – für spontane Ideen und soziale Verbindung.

Mythos 3: Viel mobiles Arbeiten schadet der Karriere

Es stimmt: Wer dauerhaft unsichtbar bleibt, läuft Gefahr, bei Beförderungen übersehen zu werden. Doch das ist kein Schicksal, sondern eine Frage des aktiven Selbstmanagements. Karriere basiert heute weniger auf Anwesenheit als auf Wirkung und Vernetzung. Mitarbeitende, die digitale Sichtbarkeit strategisch nutzen, regelmäßigen Austausch mit Führungskräften suchen und ihre Erfolge transparent machen, können auch auf Distanz erfolgreich sein. Gleichzeitig eröffnet flexibles Arbeiten neue Aufstiegsmöglichkeiten für Menschen, die früher durch familiäre Verpflichtungen gebremst wurden. Wenn Organisationen Leistung fair und ergebnisorientiert bewerten, kann mobiles Arbeiten sogar zum Karrierebooster werden und den Talentpool erweitern.

Buchtipp:

Das neue Buch von Florian Kunze "Schluss mit dem Büro! Oder doch nicht? – Flexibilität als Chance und Risiko für die Zukunft der Arbeit" erscheint am 4. November 2025 bei Haufe.

Mythos 4: Effektive Führung ist in einer mobilen Arbeitswelt nur schwer möglich

Räumliche Distanz stellt Führungskräfte zweifellos vor Herausforderungen. Allerdings machen neue flexible Arbeitsformen gute Führung nicht unmöglich, sondern sichtbarer. Kontrolle verliert an Bedeutung, Vertrauen und Kommunikation werden wichtiger. Wer in der mobilen Arbeitswelt erfolgreich führen will, muss klare Ziele formulieren, Transparenz schaffen und gegenseitiges Zutrauen fördern. Führungskräfte, die Orientierung bieten, aktiv Feedback geben und soziale Nähe bewusst stärken, können Teams auch über hunderte Kilometer hinweg verbinden. Führung wird dadurch menschlicher, reflektierter und nachhaltiger, weil sie nicht mehr auf Kontrolle, sondern auf Sinn, Beziehung und Eigenverantwortung beruht.

Mythos 5: Arbeiten im Homeoffice ist gut für die Gesundheit

Das Homeoffice kann eine Wohltat sein: Weniger Pendelstress, individuellere Tagesrhythmen und mehr Zeit für Familie oder Sport tragen zu Entspannung und Erholung bei. Gleichzeitig birgt flexibles Arbeiten auch Risiken: Bewegungsmangel, Vereinsamung, ständige Erreichbarkeit. Die Forschung zeigt, dass flexible Arbeit dann gesund wirkt, wenn Grenzen gewahrt bleiben. Wer klare Routinen pflegt, Pausen einhält und den Laptop abends wirklich zuklappt, profitiert körperlich und psychisch. Unternehmen können diesen Effekt verstärken, indem sie ergonomische Ausstattung bereitstellen, digitale Erholungszeiten fördern und Austauschformate etablieren. So wird Flexibilität zum Hebel für Gesundheit statt zur neuen Belastung.

Mythos 6: Das Büro hat keine Zukunft mehr in einer flexiblen Arbeitswelt

Ganz im Gegenteil: Das Büro hat Zukunft, aber es muss sich in seiner Funktion wandeln. Es wird vom Pflichtarbeitsplatz zum sozialen Ankerpunkt. Menschen kommen nicht mehr, weil sie müssen, sondern weil sie wollen: um sich auszutauschen, kreativ zu werden, Zugehörigkeit zu spüren. Moderne Büros sind Kommunikations- und Identitätsräume, keine Präsenzzwangszonen. Sie verbinden Kultur, Innovation und Gemeinschaft, also Werte, die sich digital allein nicht erzeugen lassen. Die Organisationen der Zukunft gestalten ihre Arbeitsorte bewusst als Orte der Begegnung, nicht der Kontrolle. Das Büro bleibt relevant – aber nur, wenn es menschlicher, offener und inspirierender wird.


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Schlagworte zum Thema:  Homeoffice , Mobiles Arbeiten , New Work , Büro
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