Viele Beschäftigte fühlen sich krank und erschöpft im Urlaub
Der Urlaub soll der Erholung dienen – so sieht es nicht nur der Gesetzgeber im Bundesurlaubsgesetz vor. Wissenschaftliche Studien und medizinische Erkenntnisse unterstreichen eindrücklich, wie wichtig regelmäßige Auszeiten für die physische und psychische Gesundheit sind. Tatsächlich sieht die Praxis aber ganz anders aus, wie eine neue Studie der IU Internationalen Hochschule zeigt. Danach kennen rund 72 Prozent der Beschäftigten in Deutschland Leisure Sickness, also Erschöpfung und Krankheitssymptome an freien Tagen oder im Urlaub.
Zwar gehöre die "Freizeitkrankheit", so die direkte Übersetzung, nicht zu den durch offizielle internationale Klassifikationen festgelegten Krankheiten, so Studienautorin Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement an der IU. Dennoch sei das Phänomen mit Symptomen von Krankheiten verbunden, wie die Befragung zeige. Die Symptome reichen dabei von Müdigkeit bzw. Erschöpfung über Schlafprobleme und Reizbarkeit bis hin zu Kopfschmerzen und Erkältungssymptomen.
Wie es zu Leisure Sicknesss kommt
Leisure Sickness, so die Studienautoren, entstehe häufig durch chronischen Stress, fehlende Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und eine dauerhafte Erreichbarkeit. Der Körper reagiere auf den abrupten Wechsel zwischen Hochleistung und Stillstand, ein Warnsignal, das ernst genommen werden sollte. Nach der Studie zeigen sich als Belastungsfaktoren insbesondere: hoher Arbeitsdruck (33,7 Prozent), mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen (30,0 Prozent) sowie eine unklare Aufgabenverteilung (23,4 Prozent) und unklare Aufgabenstellungen (20,8 Prozent).
"Die Ergebnisse zeigen, dass Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit, hohe Arbeitsbelastung und fehlende Erholung klare Risikofaktoren für Krankheitssymptome an freien Tagen sind. Besonders jüngere Arbeitnehmende fühlen sich häufiger verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein, was zu einer eingeschränkten Erholung führt", erklärt André.
Die in der Studie festgestellte stärkere Betroffenheit gerade der jüngeren Generation mit dem Phänomen Leisure Sickness erkläre sich aber auch damit, dass gerade junge Befragten ihre Freizeit auch mit passivem Scrollen durch Social Media und Streamen von Serien und Filmen gestalten. Die Studie zeige, dass Menschen mit aktiver und sinnvoller Freizeitgestaltung seltener Leisure Sickness erlebten. Über 50 Prozent der Beschäftigten bis 25 Jahre hatten in der Studie erklärt, dass ihr Privatleben nicht ausreichend Erholung biete, um den Anforderungen im Beruf gerecht zu werden.
Anzeichen von Leisure Sickness
Leisure Sickness, erklärt André, zeige sich typischerweise dadurch, dass Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden oder Erschöpfung immer wieder in der Freizeit auftreten, während man sich im Arbeitsalltag meist fit fühle: "Oft beginnt die Freizeitkrankheit direkt zum Start ins Wochenende oder am ersten Urlaubstag, auch der Feierabend kann betroffen sein." Ein weiteres Anzeichen für Leisure Sickness: Der Körper reagiert auf Entspannung paradoxerweise mit Stresssymptomen wie Erschöpfung oder Schlafproblemen. Beschäftigte sollten deshalb auf körperliche Stress-Warnzeichen im Alltag, z. B. ein Gefühl von Überforderung, erhöhte Reizbarkeit oder körperliche Verspannungen, achten und die Hinweise ernst nehmen.
Als Arbeitgeber der Erschöpfung im Urlaub vorbeugen
Auch für Unternehmen hat die IU Internationale Hochschule Tipps, wie sie Leisure Sickness vorbeugen und dafür sorgen, dass der Urlaub tatsächlich zum Erholungsurlaub wird. Die Empfehlungen für Führungskräfte:
Verhaltensebene
- selbst regelmäßig Pausen und Auszeiten nehmen,
- offene Gespräche über Belastung und Regeneration im Team fördern,
- eigene Grenzen sichtbar machen und akzeptieren.
Verhältnisebene
- Pausen flexibilisieren und individuelle Erholungsstrategien ermöglichen,
- klare Regelungen zur Erreichbarkeit etablieren,
- Aufgaben so strukturieren, dass sie nachvollziehbar, machbar und sinnhaft sind.
Wichtig sei es, die drei Grundbedürfnisse gesunder Arbeit zu fördern, nämlich: Verstehbarkeit, Handlungsfähigkeit und Sinnhaftigkeit, betont Studienautorin André. Wer diese im Führungs- und Arbeitsalltag stärke, lege die Basis für langfristige Gesundheit bei sich selbst und im Team.
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