Interview: Bedeutung des MBAs in Zeiten der Digitalisierung

Damit Führungskräfte die Digitalisierung besser verstehen und voranbringen, braucht es einen guten Weiterbildungsmix, erläutert Franziska Schatt, Global Head of Learning & Development des Konsumgüterherstellers Henkel, im Interview. Ein MBA-Studium oder Executive Education gehören für sie mit dazu – sofern Business Schools mit dem schnellen Wandel der Digitalisierungsagenda Schritt halten können.

Personalmagazin: Frau Schatt, seit 2014 haben Sie in verschiedenen Positionen bei Henkel daran mitgearbeitet, die digitale Transformation voranzutreiben und die nötigen Skills für die digitale Zukunft aufzubauen. Wie sieht sie aus, die digitale Zukunft bei Henkel?

Franziska Schatt: Wir treiben die digitale Transformation in allen Bereichen voran. Digitalisierung ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Wachstumsstrategie. Eine große Herausforderung bei Henkel als globaler, großer Konzern ist es, datengetriebener zu werden. Gleichzeitig birgt das großes Potenzial für uns. Wir sind auf einem sehr guten Weg, können aber die dahinterliegende Hebelwirkung heute noch nicht voll nutzen, weil es eben oft an den Fähigkeiten mangelt, mit Daten umzugehen. Es reicht nicht, wenn das nur Experten in einzelnen Bereichen können, das ist eine Kompetenz, die das gesamte Unternehmen durchdringen sollte. Alle Beschäftigten brauchen ein Grundverständnis, was man mit Daten machen kann, wie man sie analysiert und richtig interpretiert. Das ist in fast allen Bereichen wichtig – zum Beispiel in der Supply Chain, in der Produktion – Stichwort Industrie 4.0 – oder in Marketing und Kommunikation. Da müssen wir früh ansetzen, schon beim Thema, wie wir die Daten überhaupt beschaffen, sie sauber speichern und entsprechend transparent unsere Schlüsse ziehen können.

MBA: Digitales Fachwissen und Methoden, sich Neues anzueignen

Personalmagazin: 2019 haben Sie an zwei Executive-Education-Kursen an Business Schools teilgenommen: "Integrated Business Solutions" an der IESE Business School und "Digital Transformation – Strategy in the Age of Digital Disruption" von INSEAD. Ging es da auch um Daten?

Schatt: Auch. Aber in solchen Programmen lernt man nicht nur Fachwissen, sondern vor allem, das eigene Mindset zu erweitern. Beim beruflichen Lernen geht es immer seltener um spezifisches Wissen. Kenntnisse über bestimmte Technologien ändern sich enorm schnell. Was heute essenziell ist, brauche ich morgen schon lange nicht mehr. Wichtiger sind deshalb die Einstellung und die Methoden, sich Neues anzueignen, – und das quasi permanent. In einem der von mir belegten Kurse lag der Fokus zum Beispiel auf unternehmerischem Denken und Innovation. Da muss man verstehen, was ein Minimal Viable Product ist und wie man dabei konkret vorgeht. Wichtig sind auch Fragen aus der "Experience-Design-Perspektive": Warum tue ich das, für wen tue ich das und wie muss ich Dinge dafür anpassen?

Personalmagazin: Inwiefern können Business Schools aus Ihrer Sicht mit der von Ihnen beschriebenen Schnelllebigkeit mithalten?

Schatt: Insgesamt sehr gut. Aber es gibt natürlich Unterschiede, wie zukunftsgerichtet die Business Schools sind. Ich persönlich bin ein ganz großer Fan von INSEAD, weil sie einen starken Fokus auf Entrepreneurship haben.

Enger Austausch zwischen Henkel und Business Schools

Personalmagazin: Wie haben Sie für sich die Schulen ausgewählt und wie machen Sie das generell bei Henkel?

Schatt: Ich persönlich habe die Wahl nach den Schwerpunkten getroffen, denn ich wollte mich strategisch für die digitale Transformation weiterbilden – hands-on und am Puls der Zeit. Mir war ein holistischer Blick auf den Wandel wichtig. Bei Henkel arbeiten wir mit einigen Business Schools zusammen, zum Teil schon seit vielen Jahren. Für die Auswahl durchleuchten wir systematisch den Markt, schauen uns die einschlägigen Rankings und Benchmarks an und sprechen mit unserem Netzwerk und Partnern über ihre Einschätzung. Wir pilotieren auch viel, vor allem beim technischen Fokus. IT-Kollegen testen beispielsweise bestimmte Programme und wir beziehen ihr Feedback ein. Ich tausche mich auch viel mit anderen Unternehmen aus, mit welchen Business Schools oder mit welchen Anbietern sie zusammenarbeiten. Wir schauen uns das alles auf globaler Ebene an und differenzieren je nach Standort, Bereich und Zielgruppe. Es kommt also auch darauf an, welche Standorte die Business Schools weltweit haben, denn wir möchten die Programme global skalierbar anbieten. Meist schließen wir Verträge für zwei Jahre mit den Schulen und dann evaluieren wir die Auswahl wieder neu.

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Personalmagazin: Sie sagten, Beschäftigte brauchen für eine digitale Zukunft vor allem eine neue Einstellung, also auch Führungskräfte. Was meinen Sie damit konkret? Welche Soft Skills sind dafür aus Ihrer Sicht erforderlich?

Schatt: Adaptionsfähigkeit und die Fähigkeit, sich Neues anzueignen – das ist das A und O. Es kann vorkommen, dass Führungskräfte Schwierigkeiten haben, sich an neue Technologien anzupassen oder sich dafür zu öffnen. Und wenn bei der Teamleitung die Offenheit für die digitale Transformation fehlt, bremst das auch deren Teams aus. Auch Teamfähigkeit, Kreativität und Innovationsfähigkeit sind neben technischem Verständnis für neue Technologien und Analyse-Skills Schlüsselkompetenzen, die man heute braucht. Führungskräfte sollen ja den kulturellen Wandel, den die Digitalisierung mit sich bringt, vorantreiben.

Personalmagazin: Wie finden Sie heraus, wie gut Manager und Führungskräfte diese Skills bereits beherrschen oder sie sich noch aneignen sollten?

Schatt: Das ist nicht ganz einfach. Wir haben global definiert, wer in welcher Position welche Fähigkeiten braucht – also was bestimmte Beschäftigtengruppen kennen und lernen sollten. Wir versuchen dann, den Status quo zu ermitteln. Aber die Herausforderung dabei ist, das laufend nachzuhalten. Wir messen das nun stärker über unsere Innovations-Pipeline – also beispielsweise, indem wir uns anschauen, ob und wie viele neue Produkte oder Lösungen in einem Team oder Bereich aufgrund von besserer Datenauswertung entstanden sind. Wir arbeiten in crossfunktionalen Teams, um dafür die nötigen Daten bereitzustellen.

Mischung von externen und internen Weiterbildungsmöglichkeiten

Personalmagazin: Welchen Weiterbildungsbedarf versuchen Sie intern abzudecken, etwa durch Ihr Programm Digital Upskilling, und wann fördern Sie externe Weiterbildung oder ein Studium an einer Business School?

Schatt: Es braucht eine gute Mischung von externen und internen Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir haben intern sehr gute Experten und ein großes Know-how bei einzelnen Fachthemen. Auf unserer großen Lernplattform stellen wir Content für alle Karriere-Level zur Verfügung. Aber zum lebenslangen Lernen gehört auch der Blick über den Tellerrand – gerade, wenn es um den Kulturwandel geht. Da braucht es verschiedene Perspektiven, die man eher über einen MBA oder ein Executive-Programm bekommt. Nur so können wir mit Trends mithalten, wenn wir unseren Horizont erweitern. Dafür arbeiten wir zusammen mit Business Schools globale Programme aus, die an spezifische Karriereperspektiven geknüpft sind und aufeinander aufbauen.

In den jährlichen Mitarbeitergesprächen ist die Entwicklung ein fester Bestandteil, da schauen wir auf individueller Ebene, welcher Mitarbeiter hat welchen Weiterbildungsbedarf und welches Potenzial."


Personalmagazin: Das heißt, Mitarbeitende müssen selbst aktiv werden, wenn sie einen MBA machen oder an einem Executive-Education-Programm teilnehmen möchten?

Schatt: Für unsere Fokusthemen haben wir Nominierungsprogramme, offene Kurse an den Business Schools, mit denen wir zusammenarbeiten – aktuell zum Beispiel mit der IESE Business School, INSEAD oder Harvard. Das kann auf ein spezifisches Zertifikat hinauslaufen wie bei mir, das können aber auch offene Kurse sein. In den jährlichen Mitarbeitergesprächen ist die Entwicklung ein fester Bestandteil, da schauen wir auf individueller Ebene, welcher Mitarbeiter hat welchen Weiterbildungsbedarf und welches Potenzial. Da kann auch die Idee aufkommen, dass jemand einen MBA machen könnte – vonseiten der Führungskraft oder der Beschäftigten.

Wahl des MBA-Programms hängt vom Karrierestatus ab

Personalmagazin: Wann macht ein MBA-Studium Sinn?

Schatt: Vor allem am Anfang der Karriere – damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Zu einem späteren Zeitpunkt passt meist ein Executive-Programm besser, weil man mehrere Schwerpunkte in kürzerer Zeit gezielt abbilden kann. Die Wahl des Programms hängt vom jeweiligen Karrierestatus ab. Es kommt natürlich auch immer auf die eigene Motivation an, die muss man schon mitbringen. Es braucht diese Bereitschaft, sich auch außerhalb der normalen Arbeitszeit weiterzubilden und Zeit dafür zu investieren – indem man zum Beispiel auch in der Freizeit manche Dinge kompensiert.

Personalmagazin: Es heißt oft, Beschäftigte entscheiden sich für einen MBA, weil sie sich dadurch ein höheres Gehalt versprechen. Ist das nur ein Mythos?

Schatt: Ich kann das nicht bestätigen. Die Hauptmotivation ist die persönliche Entwicklung und vor allem der Wunsch, sich beruflich breit aufzustellen. Für viele spielen auch die internationalen Networking-Möglichkeiten eine sehr große Rolle. Wer durch eine Weiterbildung an einer Business School seinen Horizont erweitert und dann auch noch intern und extern gute Netzwerke hat, verbessert die eigenen Karrieremöglichkeiten enorm und hat gute Chancen spannende Zukunftsthemen bearbeiten zu können.

Finanzielle Förderung des MBA-Studiums

Personalmagazin: Sie fördern diese Art der Weiterbildung also auch finanziell?

Schatt: Ja, die Nominierungsprogramme finanzieren wir komplett. Auch bei mir hat Henkel 2019 die Kosten für die beiden Zertifikate an Business Schools übernommen. Bei einem MBA-Studium gibt es individuelle Vereinbarungen, aber das finanzieren wir gegebenenfalls auch mit, wenn wir das für einen richtigen Karriereschritt halten. Da dies aber von Fall zu Fall verschieden ist, sind diese Förderungen nicht offizieller Teil unseres globalen Trainingsportfolios.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter langfristig halten möchten, müssen ihnen attraktive Angebote für Weiterentwicklung und Lernen anbieten und in sie investieren."


Personalmagazin: Haben Sie keine Angst, dass Mitarbeitende den Arbeitgeber wechseln könnten, wenn sie dann so gut qualifiziert sind?

Schatt: Ich habe da keine Vorbehalte. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter langfristig halten möchten, müssen ihnen attraktive Angebote für Weiterentwicklung und Lernen anbieten und in sie investieren. Nur dann können wir im Wettbewerb um die besten Talente bestehen.

Personalmagazin: Welches Zeitmodell ist das beste – berufsbegleitend oder Vollzeit, online oder Präsenz, festes Curriculum oder modulare Angebote?

Schatt: Das hängt davon ab, zu welchem Zeitpunkt in meiner Karriere ich welche Art der Weiterbildung an einer Business School mache. Alle Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Je nach Standort gibt es flexible Arbeitszeitregelungen, die ein berufsbegleitendes Studium erleichtern können – das ist regional sehr unterschiedlich. Und natürlich spielt auch die persönliche Situation eine Rolle.

Personalmagazin: Wie haben Sie persönlich das gemacht – also Familie und Beruf unter einen Hut bekommen, während Ihrer berufsbegleitenden Weiterbildungsphasen?

Schatt: Wenig geschlafen (lacht). Meine Vorgesetzten und meine Familie haben mich da zum Glück sehr gut unterstützt. Ich habe drei Kinder, aber Henkel bietet viel Flexibilität mit den verschiedenen Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Wenn Mitarbeiter zum Beispiel in Elternzeit gehen möchten oder andere private Angelegenheiten anstehen und gleichzeitig ein Programm startet, dann schieben wir das auch mal um ein halbes Jahr oder ein Jahr – das heißt nicht, dass dann die Chance auf das Angebot vertan ist.

Coronapandemie als "Booster" für die digitale Weiterbildung

Personalmagazin: Sind reine Online-Studiengänge jetzt mit der Coronapandemie eher salonfähig geworden?

Schatt: Insgesamt hat das Thema digitales Lernen einen unglaublichen "Booster" durch Corona erhalten. Das wird sich sicher auf die Studiengänge auswirken. In der Zukunft kommt es darauf an, online und offline sinnvoll miteinander zu verbinden. Und die Flexibilität sollten wir uns beibehalten.

Personalmagazin: Inwiefern bearbeiten Beschäftigte an Business Schools Ihre praktischen Fragestellungen im Unternehmen?

Schatt: Wir versuchen immer, die von uns geförderten Weiterbildungen anwendungsorientiert zu gestalten – sei es, dass wir Cases für Masterarbeiten zur Verfügung stellen oder Führungskräfte in Trainings an unseren Fragen arbeiten. Das geben wir aber nicht vom Learning & Development-Team vor, sondern das kommt aus dem Business. Da besteht auch oft die Möglichkeit, dass die Teilnehmer von Weiterbildungen ihre Erkenntnisse vor dem Management- oder Leadership-Board präsentieren.

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Personalmagazin: Ein MBA-Studium gilt als Karrieresprungbrett. Verbessern sich damit auch bei Henkel die Karrierechancen?

Schatt: Ein MBA-Studium hat in jedem Fall einen positiven Einfluss auf die Karriereentwicklung. Aber der einzige Grund, warum jemand in eine höhere Position kommt oder in einer höheren Position einsteigt, ist es sicherlich nicht. Es ist ein guter Indikator, wenn jemand sich an einer Business School weitergebildet hat. Meistens rundet es das persönliche Profil ab und man stellt sich breiter auf. Karriere muss dabei nicht immer Führung bedeuten, sondern kann auch in die Expertenrichtung gehen – gerade im technischen Bereich. Wir unterscheiden in unserem globalen Development-Programm zwischen Leadership Series und Expert Series. Letztere sind inhaltlich getrieben, werden aber immer mehr gleichwertig mit der Führungsschiene. Die Führungskarriere ist nicht mehr alternativlos.


Zur Interviewpartnerin:

Franziska Schatt beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren beruflich mit der Digitalisierung – nach Positionen bei Google und dem Bundesverband Digitale Wirtschaft seit 2014 in unterschiedlichen Funktionen bei Henkel. Heute ist sie dort "Global Head of Learning & Development".


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