Infektionsschutz: Software und Tools für mehr Sicherheit

In vielen Firmen wird wieder vor Ort gearbeitet – wenn auch unter neuen Bedingungen. Wie können Arbeitgeber ihre Belegschaften schützen, wenn eine weitere Corona-Welle anrollt? Welche Hilfsmittel für den Infektionsschutz stehen zur Verfügung? Eine Übersicht über Technik und Tools.

Seit Juni 2020 ist die offizielle Corona-Warn-App für Deutschland verfügbar. Die App des Robert-Koch-Instituts informiert die Nutzer über ihr persönliches Infektionsrisiko und benachrichtigt Kontaktpersonen von Infizierten automatisch.

Corona-Warn-App ist für Mitarbeiter keine Pflicht

Für den betrieblichen Einsatz der Corona-Warn-App ergeben sich jedoch klare Grenzen. Erstens ist die Nutzung der Corona-Warn-App freiwillig. Ein Arbeitgeber darf nicht anordnen, dass seine Beschäftigten die App auf ihren privaten Smartphones installieren und nutzen. Nur wenn die Beschäftigten Diensthandys nutzen, können Arbeitgeber zum Schutz ihrer Belegschaft die Installation der Corona-Warn-App anordnen. Eine Verpflichtung zur tatsächlichen Nutzung ist aber auch in diesem Fall nicht möglich.

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Zweitens darf die App nicht dazu eingesetzt werden, den Eintritt in bestimmte Räume oder Firmen davon abhängig zu machen, ob jemand die App auf seinem Smartphone installiert hat. Das war eine klare Botschaft des Bundesdatenschutzbeauftragten Professor Ulrich Kelber zum Start der Anwendung. Er stellte klar: "Es ist in keinem Fall zulässig, dass Dritte Einblick in die App fordern. Ich kann die Inhaber von Geschäften oder öffentlichen Verkehrsmitteln nur dringend warnen: Versucht es erst gar nicht!"

Unternehmen sollten Corona-App proaktiv bereitstellen

Aber aus Gründen des betrieblichen Gesundheitsmanagements ist es sinnvoll, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten die App auf freiwilliger Basis zur Verfügung stellen. Das empfiehlt Professor Volker Nürnberg, Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO: Im Sinne der Fürsorgepflicht und des betrieblichen Arbeitsschutzes sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden dazu animieren und sie gleichzeitig dabei unterstützen, die Corona-Warn-App auf ihren Smartphones einzusetzen. Unternehmen könnten die App proaktiv bereitstellen, um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zur App zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass Mitarbeitende nicht versehentlich eine "Fake-App" herunterladen, wodurch sensible Daten abgegriffen werden könnten. 

Corona-Warn-App: Tracing und Datenschutz

Die Corona-Warn-App setzt auf das Tracing-Verfahren. Der Unterschied von Tracing und Tracking liegt in einem Konsonanten und in der Art und Weise der Datensammlung: Während Corona-Tracker, die in anderen Ländern wie China zum Einsatz kommen, Aufenthaltsorte und Bewegungsprofile speichern, registriert die deutsche App, welche Geräte sich für mindestens 15 Minuten auf weniger als zwei Meter annähern. Dafür scannen Smartphones, auf denen die App aktiviert ist, etwa alle 15 Minuten die Umgebung und kommunizieren via Bluetooth mit anderen Smartphones. Die deutsche App speichert keine persönlichen Daten, sondern basiert auf einer zufällig generierten ID-Nummer. Nach zwei Wochen werden die erfassten Kontakte automatisch aus dem Smartphone-Speicher gelöscht.

Grundsätzlich sei die Datenschutzkonformität der Corona-Warn-App nach den bisher vorliegenden Informationen nicht zu beanstanden, sagt Julia Dönch, Rechtsanwältin BDO Legal. Kommt es zum Einsatz im Unternehmen, sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Beschäftigten umfassend über die Datenverarbeitung mit der Nutzung der Corona-Warn-App auf dem Diensthandy zu informieren. Zusätzlich sollten sie darauf hinweisen, dass die Nutzung zwar freiwillig erfolgt, die Beschäftigten bei einer freiwilligen Nutzung der App aufgrund der gegenseitigen Fürsorgepflicht aber auch verpflichtet sind, dem Arbeitgeber ein positives Testergebnis mitzuteilen.

Mit Corona-Tracern Infektionsketten im Betrieb nachverfolgen

Ebenfalls mit dem Tracing-Verfahren arbeiten die Corona-Tracer von Inform Software und dem niederländischen Unternehmen Safe-Drive-Pod. Dabei handelt es sich um kleine Geräte, etwa in der Größe einer Streichholzschachtel, die wie ein Mitarbeiterausweis am Körper getragen werden können. Sie zeichnen Annäherungen auf weniger als zwei Meter zwischen Beschäftigten anonym auf.

Der Datenschutz ist durch die Trennung der Gerätecodes und der Namen gewährleistet und dadurch, dass die Daten nur dann zur Identifikation der Kontaktpersonen ausgelesen werden, wenn es tatsächlich zu einer Infektion im Betrieb kommt." – Dr. Jörg Herbers, Inform GmbH


Die aufgezeichneten Daten werden nach Gerätecode gespeichert. Die Zuordnung dieser Geräte-Identifikationsnummer zur jeweiligen Person wird an einer vertrauenswürdigen Stelle innerhalb oder außerhalb des Unternehmens, zum Beispiel der Personalabteilung, hinterlegt. Nur wenn ein Infektionsfall auftritt, werden die Daten ausgelesen, um eine mögliche innerbetriebliche Infektionskette nachverfolgen zu können.

"So können die Unternehmen ihren Verpflichtungen in Bezug auf Arbeits- und Infektionsschutz nachkommen", sagt Dr. Jörg Herbers, Leiter des Geschäftsbereichs Workforce Management bei der Inform GmbH. Der Datenschutz sei durch die Trennung der Gerätecodes und der Namen gewährleistet und dadurch, dass die Daten nur dann zur Identifikation der Kontaktpersonen ausgelesen werden, wenn es tatsächlich zu einer Infektion im Betrieb kommt. "Dass eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten in Ordnung ist, hat der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit bestätigt", so Herbers. Zudem garantiere der Corona-Tracer, dass keine Aufzeichnung nach Feierabend erfolgt: "Die Corona-Tracer haben zusätzlich zu den Kontaktsensoren Bewegungssensoren eingebaut. Wenn das Gerät nicht mehr bewegt wird, weil es entweder in der Firma oder zuhause abgelegt wird, schläft es nach fünf Minuten ein, sendet und empfängt nicht mehr."

Es piept, wenn sich ein Kollege nähert

Nach einem anderen Prinzip – der Warnung vor zu geringem Abstand – funktionieren die Secure Distance Vest und der Distance Beeper von Linde Material Handling. Die beiden Wearables sollen dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden sich auf ihre Tätigkeit konzentrieren können, ohne ständig abschätzen zu müssen, ob sie den vorgeschriebenen Abstand einhalten. Zudem werden Abstände oftmals falsch eingeschätzt. 1,50 Meter sind mehr, als viele denken. Die beiden Geräte warnen daher akustisch, visuell und sensorisch, sobald sich die Beschäftigten im Betrieb zu nahe kommen.

Die Sicherheitsdistanzweste wurde auf Basis des Assistenzsystems Safety Guard entwickelt, das in der Intralogistik vor Kollisionen zwischen Flurförderzeugen und Fußgängern warnt. Aus dieser Produktfamilie stammen auch die Distance Beeper – kleine tragbare Einheiten, die an der Kleidung, dem Gürtel oder einem Armband befestigt werden und bei Annäherung warnen. Die Geräte basieren auf Ultrabreitbandtechnologie, die auch durch Wände, Regale oder Tore hindurch funktioniert. Sie können laut Hersteller optional mit einer Zusatzfunktion "Tracking & Tracing" ausgestattet werden, durch die Unternehmen im Infektionsfall nachvollziehen können, welche Kollegen in der Nähe der positiv getesteten Person waren.

Armband erfasst Abstände

Auch das Armband Kinexon Safezone ist ein Wearable, das die Beschäftigten beim Unterschreiten eines Mindestabstands warnt und bei Infektionen die Rückverfolgung von Kontaktketten ermöglicht. Das Armband verwendet ebenfalls die Ultrabreitbandtechnologie. Nach Auskunft des Herstellers ist diese Technologie, die Abstände mit Zentimetergenauigkeit messen kann, deutlich präziser als Bluetooth Low Energy, das von der Corona-Warn-App eingesetzte Verfahren. Kinexon Safezone wurde komplett im Homeoffice entwickelt und kam im Mai 2020 auf den Markt. Mittlerweile wird es laut Dr. Oliver Trinchera, Mitgründer und Geschäftsführer von Kinexon, von Unternehmen wie Continental, Oerlicon und DFL eingesetzt.

Mit Software die Besucher einweisen und lenken

Da die vorgestellten Tools nur innerhalb der Belegschaften Einsatz finden und die Nutzung der Corona-Warn-App nur auf freiwilliger Basis funktioniert, sollten Unternehmen zusätzlich auf ein zielgerichtetes Besuchermanagement achten. Laut dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind Arbeitgeber dazu angehalten, den Zugang von externen Kräften auf ein Minimum zu beschränken und zu dokumentieren.

Die Gäste erhalten mit ihrem Identifikationsmittel nur Zutritt zu den vorher definierten Bereichen im Unternehmen. Gleichzeitig werden der Check-in und Check-out automatisch in der Software gespeichert, sodass das Führen einer Besucherliste überflüssig wird." – Gunda Cassens-Röhrig, Gfos mbH


Aber nicht immer ist ein rigides Abschotten vor Externen möglich. Um die Arbeitsabläufe aufrecht zu erhalten, müssen Waren geliefert, Maschinen gewartet oder repariert, Dienstleister beauftragt und Kunden empfangen werden. Zwar ist die Dokumentation der Besucherinnen und Besucher schon mit einer einfachen Liste auf Papier möglich. Aber eine Software für das Besuchermanagement bietet deutlich mehr Sicherheit: "Die Gäste erhalten mit ihrem Identifikationsmittel nur Zutritt zu den vorher definierten Bereichen im Unternehmen. Gleichzeitig werden der Check-in und Check-out automatisch in der Software gespeichert, sodass das Führen einer Besucherliste überflüssig wird", nennt Gunda Cassens-Röhrig, Geschäftsführerin der Gfos mbH, die Vorteile eines Besuchermanagementsystems.

Ein weiterer Pluspunkt einer Software für das Besuchermanagement ist, dass die Gäste automatisch an den Zutrittsterminals oder vorab per E-Mail über die Hygienestandards und Verhaltensregeln des Unternehmens informiert werden können. Die Software kann zudem so programmiert werden, dass die Zutritte und Kontaktdaten der Besucherinnen und Besucher automatisch nach drei bis vier Wochen gelöscht werden. Das Unternehmen ist also in Sachen Datenschutz auf der sicheren Seite. "Setzt das Unternehmen zudem RFID-Karten und automatische Türöffner ein, kann der Zugang zu den freigeschalteten Bereichen berührungslos erfolgen. Das unterstützt die hygienischen Schutzvorkehrungen im Unternehmen", ergänzt Gunda Cassens-Röhrig.

Sichere Arbeitsumgebung im modernen Büro

Auf eine neue Software, die sichere Arbeitsumgebungen – auch in modernen Büros ohne feste Arbeitsplätze – gewährleisten soll, setzt die Siemens AG. Zusammen mit dem US-Softwareunternehmen Salesforce wurde ein Programmpaket entwickelt, für das Salesforce seine Plattform Work.com zur Verfügung stellt und Siemens die Produkte Comfy und Enlighted aus dem Geschäftsbereich Smart Infrastructure.

Schwerpunkt der Neuentwicklung ist ein "berührungsloses Büro" mit mobilen Zutrittsberechtigungen für Gebäude und Aufzüge sowie ein sicheres Belegungssystem, das es Mitarbeitenden ermöglicht, Konferenzräume und Schreibtische per App zu reservieren, und das einen Alarm sendet, wenn bestimmte Grenzwerte erreicht sind. Auch ein Kontakt-Tracing-System soll dazugehören. Die Technologie wird zunächst in den eigenen Büros eingeführt, zum Beispiel am Hauptsitz von Siemens Smart Infrastructure im schweizerischen Zug und im Salesforce Tower in San Francisco. Ziel der Lösung ist es, die Beschäftigten über aktuelle Entwicklungen zu informieren und zugleich eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen, die den lokalen Regelungen entspricht. 


Dieser Beitrag ist im aktuellen Sonderheft "Personalmagazin plus HR-Software 2020" erschienen. Das Sonderheft können Sie hier kostenlos als PDF herunterladen.


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