Hybrides Arbeiten: Altersgemischte Teams brechen auseinander

In der Corona-Krise haben sich Homeoffice und Mobilarbeit fest etabliert. Viele Unternehmen wollen ihren Mitarbeitern auch künftig die freie Wahl lassen, wo sie arbeiten wollen. Dabei wird übersehen, welche Probleme das bergen kann. Insbesondere altersgemischte Teams drohen auseinander zu brechen und in Subgruppen zu zersplittern.

Schon seit längerem arbeiteten in Unternehmen bis zu fünf, recht unterschiedliche Generationen zusammen – vom Azubi bis zu den Ü60. Das war und ist notwendig, die Vorteile sind wissenschaftlich belegt und in den Unternehmen hat man unter dem Stichwort "Altersdiversität" bereits eine Menge gemacht, um sie nutzen zu können. Nun verschiebt das Homeoffice coronabedingt die Prioritäten, alle scheinen (noch) glücklich und zufrieden – vor allem die Unternehmen. Diese sehen in erster Linie die Chancen, Büroflächen in den teuren Städten zu reduzieren, sich gleichzeitig als moderner Arbeitgeber zu präsentieren und alle bisherigen Mitarbeiter rundum zufriedenzustellen.

Jedoch verdeckt diese verkürzte Sicht eine ganze Reihe von Problemen, die altersdiverse Belegschaften bergen, und gefährdet gleichzeitig die Vorteile, die man vor der Krise noch mit ihnen verbunden hat – nur um Kosten zu senken, und weil man glaubt, hohe Investitionen in noch vor kurzem moderne Bürolandschaften als sunk cost und damit nicht mehr als entscheidungsrelevant betrachten zu müssen.

Ist Homeoffice gekommen, um zu bleiben?

Ursprünglich aus der Not geboren, trifft Homeoffice nun scheinbar den Puls der Zeit, ist krisenerprobt und wird von Unternehmen schnell umfassend ausgebreitet. Mitte Juli verkündet Siemens, dass künftig rund 140.000 Beschäftigte bis zu drei Tage in der Woche im Homeoffice arbeiten können. Weitere Unternehmen wie z. B. Allianz springen auf den Trend auf und erarbeiten innerhalb kürzester Zeit eigene Homeoffice-Lösungen. Google verschiebt die zum Jahreswechsel geplante Rückkehr in die Büros und weitet das Homeoffice bis Juli nächsten Jahres aus. Twitter und der Pharmakonzern Novartis gehen noch einen Schritt weiter und erlauben auch nach der Krise die selbstständige Wahl des Arbeitsortes. Die Mitarbeiter dürfen künftig dauerhaft im Homeoffice arbeiten – falls sie das denn überhaupt wollen.

Generationale Vielfalt wird vergessen

Während die Gesellschaft in der Krise solidarisch zusammenrückt, brechen altersdiverse Teams auseinander und arbeiten mittels digitaler Anwendungen im Homeoffice. Dies stellt Mitarbeiter nicht nur vor ungewohnte Probleme hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern geht mit Sorgen der Kurzarbeit oder Angst vor Jobverlust einher. Parallel wird in Unternehmen die über Jahrzehnte stabile Präsenzkultur plötzlich abgeschafft. Von fehlendem Vertrauen oder Kontrollmöglichkeiten im Homeoffice spricht dort niemand mehr.

Die Mitarbeiter freut dies, da für sie tägliche Pendelzeiten wegfallen und die gewonnene Zeit für private Verpflichtungen genutzt werden kann. Trotzdem ist Vorsicht geboten, da die unterschiedlichen Generationen der Beschäftigten verschiedene Bedürfnisse haben, die auch nach der Krise weiter bestehen bleiben. Unternehmen vergessen, dass die Vorteile altersdiverser Belegschaften nicht ohne Weiteres auf den heimischen Arbeitsplatz übertragen werden können, sie vielmehr mit weitreichenden Problemen rechnen müssen, die aus der räumlichen Trennung und der Zusammenarbeit mit digitalen Medien resultieren.

Viele Büros werden überflüssig …

Mit der Einführung des Homeoffice ergeben sich für Unternehmen zunächst viele Vorteile. Der Einsatz digitaler Medien ermöglicht ihnen weltweit die besten Talente zu rekrutieren und Dienstreisen zukünftig zu verringern – schließlich musste in der Krise die internationale Zusammenarbeit auch auf Distanz funktionieren. Allerdings bleiben die trendigen Bürogebäude, die Unternehmen oft schon vor der New-Work-Bewegung besaßen, nun leer und der Arbeitsort wird in den digitalen Raum verlegt. In der Konsequenz können Unternehmen Kosten sparen, indem sie Bürogebäude reduzieren und die verbleibenden Flächen mittels Desksharing-Lösungen gestalten. Zwar möchten Unternehmen die bisherigen Vorteile altersdiverser Teams auch im Homeoffice weiter nutzen, jedoch werden noch nicht alle Kostenfaktoren wie z. B. künftige Mietzuschüsse für angemessene Wohnungen beachtet. Gemäß dem Motto "aus den Augen, aus dem Sinn" liegt die angemessene Ausstattung des Arbeitsplatzes aktuell oftmals bei den Mitarbeitern.

… und über Nacht brauchen alle ein Arbeitszimmer

Anstatt der präventiven Maßnahmen des Arbeitsschutzes und der ergonomischen Arbeitsplätze in Unternehmen, fliehen die Mitarbeiter nun an den heimischen Küchentisch oder auf das Sofa – gesundheitliche Schädigungen inklusive. Ein separates Arbeitszimmer haben nur die wenigsten Mitarbeiter und viele können, auch aufgrund der hohen Kosten, kurzfristig keinen Arbeitsplatz zu Hause einrichten. Der genaue Blick auf die altersdiversen Belegschaften zeigt, dass die wohnlichen Gegebenheiten von den aktuellen Lebenssituationen abhängig sind und zwischen den Generationen erhebliche Unterschiede auftreten. Alleinstehende oder Kinderlose haben kein Problem, ausreichend Platz für einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Auch bei älteren Mitarbeitern lassen sich ehemalige Kinderzimmer schnell umfunktionieren. Problematisch ist die Arbeit im Homeoffice aber für die mittleren Altersgruppen. Angesichts der Kindererziehung und der Betreuung von Angehörigen wäre, selbst mit der Unterstützung des Arbeitgebers, kein Platz für die Einrichtung eines heimischen Arbeitsplatzes. Je nach Wohnort kommen Probleme des knappen Wohnraums und horrende Mietpreise hinzu, die ein Arbeitszimmer für einen Großteil der Belegschaft nicht realisierbar machen.

Mitarbeitern fehlt das Büro als sozialer Treffpunkt

Bislang wird von den Unternehmen übersehen, dass Arbeit auch eine soziale Komponente umfasst und der Arbeitsplatz ein wichtiger Ort des Miteinanders ist, der Generationen vereint. Nach vielen Wochen im Homeoffice herrscht bei den Mitarbeitern Sehnsucht nach mehr Präsenz, persönlichem Austausch und spontanen Treffen. Viele Mitarbeiter kostet es immer noch Überwindung, die Teamkollegen bei Fragen zu Hause anzurufen. Außerdem leidet im Homeoffice das Zugehörigkeitsgefühl und die fehlende Selbstmotivation kann die Arbeitsleistung beeinträchtigen. Für ältere Mitarbeiter ist der Arbeitsplatz ein gewohntes soziales Umfeld, da sie die Zusammenarbeit im bisherigen Arbeitsleben nur vor Ort kennen und den persönlichen Kontakt womöglich zur Vermeidung der Einsamkeit suchen. Mit Blick auf die neue Arbeitssituation ist somit höchst fraglich, ob virtuelles Kaffeetrinken den persönlichen Austausch der Generationen zukünftig ersetzen kann.

Gefahr der Subgruppenbildung

Generationenvielfalt in Teams kann für positive und negative Effekte sorgen. Einerseits tragen heterogene Teams zum Perspektivenaustausch und generationenübergreifenden Wissenstransfer bei, der aktuelles Fachwissen junger Mitarbeiter mit dem Erfahrungswissen Älterer kombiniert. Andererseits können soziale Kategorisierungsprozesse ausgelöst werden, die das Risiko altersbasierter Subgruppenbildung erhöhen. Hierbei grenzen sich junge von alten Mitarbeitern ab, wodurch Konflikte und Kommunikationsprobleme entstehen können. In der Forschung ist hinreichend belegt, dass Kategorisierungen den Teamzusammenhalt gefährden und die Leistung des Teams beeinflussen können. Aktuell wird die Subgruppenbildung dadurch verstärkt, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter bewusst in Teams einteilen, um im Fall einer Infektion handlungsfähig zu bleiben. Da ältere Mitarbeiter häufiger den schützenswerten Risikogruppen angehören, arbeiten sie oft vollständig zu Hause. Allerdings sind dafür digitale Kompetenzen notwendig, die die Gefahr bergen, ältere Mitarbeiter auszugrenzen. Dieses altersdiskriminierende Verhalten kann dazu beitragen, dass Vorurteile gegenüber der Leistungsfähigkeit und Motivation älterer Mitarbeiter aufkommen.

Onboarding braucht sorgfältige Planung und mehr Zeit

Die digitale Zusammenarbeit erschwert die Sozialisation neuer Mitarbeiter. Da der informelle Austausch in der Kaffeeküche oder der Flurfunk ausbleiben, ist es nicht leicht, ein gemeinsames Verständnis und geteilte Werte im digitalen Raum aufzubauen. Für neue Mitarbeiter ist es herausfordernd, die bestehende Rollenverteilung in Teams zu erkennen und ihre eigene Position zu finden. Das fehlende Miteinander und der ausbleibende persönliche Kontakt für Rückfragen machen die Teambildung zum Problem. Führungskräften kommt hierbei eine besondere Aufgabe zu, da sie ihr Team auf Distanz führen und neue Mitglieder integrieren müssen. Ein Fehlstart kann nur vermieden werden, wenn Führungskräfte den Einstieg sorgfältig planen und sich von Anfang an mit genügend Zeit an der Sozialisation der Mitarbeiter beteiligen – schließlich zählt der erste Eindruck!

Arbeitsort bloß nicht selbst wählen lassen

Unternehmen preisen ihre hybriden Homeoffice-Lösungen an, ohne die Gefahren dieser zu erkennen. Unbeachtet bleibt, dass selbstständiges Wählen des Arbeitsortes die Subgruppenbildung in Teams verstärken kann. Voraussichtlich bleiben die Generationen unter sich, da junge, qualifizierte Mitarbeiter mit digitalen Kompetenzen ohne Einschränkungen zu Hause arbeiten können und den Arbeitsweg langfristig einsparen. Im Büro arbeiten die verbleibenden älteren Generationen zusammen, die aus Gewohnheit und anlässlich des sozialen Miteinanders zurückkehren. Auf der Suche nach Gleichgesinnten treten Mitarbeiter mit anderen Personen in Kontakt, die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befinden. Aus diesem Grund kommt es im Homeoffice z. B. zu einer Subgruppe aus Müttern, die sich über traditionelle Rollenbilder, Organisationstipps und Homeschooling austauschen. Folglich werden generationale Vorteile der Zusammenarbeit durch die selbstgewählte Aufspaltung verhindert.

Ab jetzt Altersdiversität neu ausrichten

Da alte Instrumente des Altersdiversitätsmanagements nicht einfach auf die aktuelle Arbeitssituation übertragen werden können, stehen Teams vor neuen Herausforderungen. Beispielsweise lebt das bewährte Reverse Mentoring, bei dem jüngere Mitarbeiter als Mentoren den Älteren aktuelles Wissen vermitteln, gewöhnlich von der persönlichen Beziehung und dem informellen Austausch – im Homeoffice ist dies aber nur schwer realisierbar. Auch Teamanreizsysteme, die als Motivation für die gemeinsame Zielerreichung dienen, können durch die Trennung beeinträchtig werden. Unternehmen müssen schnellstmöglich auf diese Probleme reagieren und langfristig umdenken. Neue differenzierte Lösungen sollten die Generationenvielfalt auch in der sich wandelnden Arbeitswelt sicherstellen und die Zusammenarbeit altersdiverser Teams ermöglichen – natürlich in allen Zeiten!


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Schlagworte zum Thema:  Homeoffice, Diversity, Onboarding