Duale Ausbildung: Zehn Tipps für Ausbildungsbetriebe

Azubis vermissen individuelle Ausbildungspläne und regelmäßiges Feedback. Doch die meisten Ausbildungsverantwortlichen sind der Ansicht, dass sie das bereitstellen. Die Studie Azubi-Recruiting-Trends deckt unterschiedliche Wahrnehmungen auf und formuliert zehn Tipps für Ausbildungsbetriebe.

82 Prozent der Ausbildungsbetriebe geben an, individuelle Ausbildungspläne zu nutzen. Doch offenbar kommen diese nur bei einem Teil der Azubis an: Nach eigenen Angaben verfügen 54 Prozent der Azubis über einen individuellen Ausbildungsplan. Bei 31 Prozent ist das nicht der Fall und 15 Prozent wissen es nicht.

Nicht nur bei den Ausbildungsplänen, sondern auch bei zahlreichen weiteren Themen weist die Studie Azubi-Recruiting-Trends von U-Form Testsysteme starke Unterschiede bei den Wahrnehmungen von Ausbildungsverantwortlichen und Azubis auf. Anfang 2025 hatte die Studie mit wissenschaftlicher Begleitung von Professor Christoph Beck 5.482 Schülerinnen und Schüler, Azubis und dual Studierende befragt. Darüber hinaus nahmen 1.621 Ausbildungsverantwortliche an der Befragung teil.

Azubis wünschen kürzeres, häufigeres Feedback

Feedback ist fundamental für den Ausbildungserfolg. Regelmäßige Rückmeldungen tragen dazu bei, grundlegende Lernprozesse in Gang zu bringen und falsche Selbsteinschätzungen zu korrigieren.  Doch Feedback ist im Alltag von Auszubildenden eher eine Ausnahme als die Regeln. Nur rund 30 Prozent erhalten monatlich oder wöchentlich Feedback, 34 Prozent vierteljährlich und 31 Prozent halbjährlich oder jährlich. Sechs Prozent bekommen noch seltener oder nie eine Rückmeldung. Schriftliches Feedback gibt es nur für 47 Prozent der Azubis. Der Wunsch der jungen Menschen sieht anders aus: 70 Prozent wünschen sich eher regelmäßige, kürzere Feedbacks als ausführlichere Rückmeldungen in größeren Zeitabständen.

Ein anderes Bild entsteht, wenn Ausbildungsverantwortliche nach ihrer Feedback-Praxis befragt werden: Sie schätzen ihre Feedback-Häufigkeit deutlich besser ein. 34 Prozent sagen, dass sie wöchentlich oder monatlich Feedback geben. 40 Prozent geben vierteljährlich Rückmeldung und 25 Prozent halbjährlich oder jährlich. Nur ein Prozent gibt zu, seltener oder nie Feedback zu geben.

Auch die Durchführung der Feedback-Gespräche wird unterschiedlich angesehen: Als "klar strukturiert" bezeichnen nur knapp 60 Prozent der Azubis das Feedback, das sie erhalten. Dem gegenüber sagen 65 Prozent der Ausbildungsverantwortlichen, klar strukturierte Rückmeldung, zum Beispiel anhand eines Feedback-Bogens, zugeben.

Unterschiedliche Sichtweisen von Azubis und Ausbildern

Weitere Unterschiede zeigen sich laut Studie unter anderem bei Selbstwirksamkeit, Gamification der dualen Ausbildung und Soft Skills.

Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, durch eigene Schwierigkeiten und Kompetenzen Herausforderungen erfolgreich meistern und Ziele erreichen zu können. Laut Befragung empfinden sich 69 Prozent der Azubis in der Ausbildung oder dem dualen Studium als "selbstwirksam" oder "sehr selbstwirksam". Die Ausbildungsverantwortlichen blicken deutlich skeptischer auf die Selbstwirksamkeit der Azubis in den Betrieben. Nur 24 Prozent erleben die eigenen Azubis als "selbstwirksam" oder "sehr selbstwirksam".

Ein guter Teil der Azubis wünscht sich Gaming-Elemente in der dualen Ausbildung. Das können kleine Elemente wie Fortschrittsbalken oder Ranglisten sein, aber auch Challenges, Achievements oder Experience Points. In der Praxis sind diese Elemente jedoch nur teilweise umgesetzt. Zum Beispiel sind Achievements und Experience Points laut 48 Prozent der Azubis wünschenswert, aber nur 26 Prozent der Betriebe setzen diese um.

In Sachen Soft Skills sehen sich die Azubis selbst in einem recht positiven Licht. Am stärksten ausgeprägt ist das Kriterium "Zuverlässigkeit" (93 Prozent), am schwächsten "Kommunikationsfähigkeit" (70 Prozent). Die positive Selbsteinschätzung passt jedoch nicht zur häufigen Klage von Ausbildungsbetrieben über schwach entwickelte Soft Skills der Auszubildenden.

Zehn Tipps für Ausbildungsbetriebe

Auf Basis dieser und weiterer Studienergebnisse formulieren die Studienautoren zehn Empfehlungen für Ausbildungsbetriebe, wie sie ihre Ausbildungen besser an die Wünsche und Bedürfnisse der Azubis anpassen können:

1. Ausbildungspläne konsequent umsetzen und transparent machen

Es geht nicht nur darum, Ausbildungspläne zu erstellen, sondern sie aktiv mit den Azubis zu besprechen, regelmäßig anzupassen und auch digital zugänglich zu machen. So werden Pläne zum echten Orientierungsinstrument und nicht zum Papiertiger.

2. Soft Skills realistisch einschätzen – und trainieren

Soft Skills wie Kommunikation, Zuverlässigkeit oder Teamfähigkeit sollten gezielt beobachtet und mit Übungen, Workshops oder Rollenspielen gefördert werden. So wird aus Wunschdenken echte Kompetenz.

3. Feedbacks neben dem klassischen Beurteilungsgespräch einführen

Regelmäßige Feedbacks bieten eine hervorragende Möglichkeit, Lernprozesse anzustoßen und zu begleiten. Sie müssen zeitnah zu den Arbeitserfahrungen und aktuellen Herausforderungen in den Abteilungen erfolgen.

4. Feedback vorbereiten und strukturieren

Ein einfacher Leitfaden oder Feedback-Bogen reicht oft aus. Wichtig, ist, dass Ausbilder in den Fachabteilungen gut vorbereitet ins Gespräch gehen. Das steigert die Akzeptanz und Verbindlichkeit auf beiden Seiten. Auch Feedback durch die Azubis ist sinnvoll und sollte zum festen Bestandteil der dualen Ausbildung werden: gegenseitiges Feedback stärkt die Lernkultur.

 5. Selbstwirksamkeit gezielt fördern

Selbstwirksamkeit ist essenziell für das berufliche und persönliche Wachstum sowie für die Bindung an den Betrieb. Azubis sollten eigenständige Projekte oder verantwortungsvolle Aufgaben übertragen bekommen, damit Motivation und Bindung wachsen können. Gerade am Anfang der Ausbildung sind sichtbare Erfolge wichtig für Selbstwirksamkeitserfahrungen.

6. Azubi-Erfolge sichtbar machen

Erfolge sollten nicht untergehen. Kleine Präsentationen, interne Auszeichnungen oder Azubi-Blogs zeigen Wertschätzung und fördern Selbstvertrauen. Darüber hinaus tragen sie zu einem authentischen Employer Branding bei.

7. Alltagswissen praxisnah vermitteln

Viele Azubis starten mit massiven Wissenslücken zum Thema Sozialversicherung in die Arbeitswelt. Workshops zu Themen wie Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung gehören in jedes Onboarding. Praxisnah erklärt, zum Beispiel am eigenen Gehaltszettel, wirkt es sofort.

8. Digitale Tools als Lern- und Feedback-Helfer nutzen

Apps für Ausbildungspläne, Feedback-Tools oder digitale Berichtshefte erhöhen Transparenz und erleichtern die Organisation. Wichtig dabei ist, die Azubis aktiv einzubinden, damit Tools nicht als Kontrolle, sondern als Unterstützung wahrgenommen werden.

9. Ausbildungskultur modernisieren: Vertrauen vor Kontrolle

Wöchentliche „Jour Fixes“, flexible Feedback-Formate und selbstbestimmte Lernzeiten zeigen, dass das Unternehmen seine Azubis ernst nimmt. Vertrauen in die Fähigkeiten der Azubis stärkt Bindung, Motivation und langfristig auch die Übernahmequote.

10. Im Azubi-Marketing auf Mitbestimmung im Betrieb hinweisen

Die Mehrheit der Azubi-Bewerberinnen und -Bewerber findet, dass ein Betriebsrat einen Ausbildungsbetrieb attraktiver macht. Aber Ausbildungsbetriebe werben kaum mit diesem, wenn einer vorhanden ist. Im Azubi-Marketing sollten die Unternehmen zeigen, dass bei ihnen Mitbestimmung gelebt wird.


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