Digitalisierung scheitert nicht zuletzt an der E-Sigtnatur

Digitaler Aufbruch? Nicht, wenn es um Arbeitsverträge geht, beobachtet Transformationsexperte Johannes Brinkkötter. Er hat sich das Thema elektronische Signatur und rechtliche Hürden genauer angesehen.

Insbesondere mit dem Bundestagswahlkampf 2021 ist die Digitalisierung ganz hoch auf die Agenda aller politischen Akteure gerückt. Immer wieder war von erheblichen Defiziten wie auch dem hohen Handlungsdruck die Rede, immer wieder fielen Hinweise auf infrastrukturell abgehängte Gegenden, langsame oder nicht vorhandene Breitbandverbindungen, altertümlich anmutende Prozesse und Software in der öffentlichen Verwaltung ebenso wie fehlende Fachkräfte auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Auch in den Programmen der aktuellen Koalitionsparteien finden sich wortreiche Bekenntnisse zum Thema, wobei unter Verweis auf die immer stärkere Nutzung von künstlicher Intelligenz, Blockchain und den intensivierten Gigabitausbau rasche und umfassende Verbesserungen als Ziele definiert sind.

Und tatsächlich rücken Bauarbeitertrupps in immer mehr Regionen an und verkabeln in hoher Geschwindigkeit Städte und Gemeinden mit orangen Glasfaserkabeln für den schnellen Datenaustausch. Es tut sich also was, wenngleich sich mit der verbesserten Infrastruktur nicht gleich alle Defizite in Luft auflösen. Denn es sind nicht nur technische Hürden, die die Digitalisierung ausbremsen: Rechtliche Hürden erweisen sich als mindestens genauso herausfordernd. Diesem Umstand liegt ein nicht mehr zeitgemäßes Verständnis der Schutzbedürftigkeit von Individuen im Umgang mit digitalen Tools zugrunde und unterstellt, dass - wie noch zu Opas Zeiten - nur mit blauer Tinte unterschriebene Dokumente Rechtsverbindlichkeit beanspruchen könnten.

Elektronische Signatur ist rechtlich abgesichert ... eigentlich

Ein dafür sehr eingängiges Beispiel aus der Unternehmenswelt ist die Nutzung von E-Signaturen, nicht zuletzt durch Personalabteilungen. Hier zögern viele Verantwortliche vor allem aufgrund rechtlicher Bedenken – und so bleiben Prozesse weiter umständlich, unnötig langwierig und aufgrund der immanenten Medienbrüche fehleranfällig.

Aber worum geht es bei der E-Signatur genau? Deren Anwendung ist in Deutschland seit 2016 durch die eIDAS-Verordnung der EU eigentlich rechtlich abgesichert. Die zentrale Nutzenargumentation läuft darauf hinaus, dass durch eine sogenannte qualifizierte Signatur eine eindeutige Identifikation des Signierenden erfolgt und damit ein hohes Maß an Rechtssicherheit sichergestellt werden kann. Ist gesetzlich nichts anderes festgehalten, so ist diese qualifizierte elektronische Signatur der handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt.

Einfache E-Signatur reicht oft nicht aus

Wie so oft aber liegt die Tücke im Detail. So ist nach heutiger Gesetzgebung für einige HR-spezifische Dokumente der digitale Weg in der Legitimierung ausdrücklich ausgeschlossen. Hierzu zählen beispielsweise Arbeitszeugnisse (§ 630 Satz 3 BGB) oder Kündigungen (§ 623 BGB). Erhebliche Unsicherheiten bestehen bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen, jedenfalls wenn es sich nicht um unbefristete Einstellungen handelt. Zwar ist auch hier ein elektronischer Vertragsschluss grundsätzlich möglich, aber aktuelle Gerichtsentscheidungen wie beispielsweise in mehreren Verfahren gegen das Hamburger Quick-Commerce-Startup Gorillas bestätigen, dass bei der Signatur von befristeten Arbeitsverträgen Vorsicht geboten ist. Die einfache E-Signatur reicht hier nicht aus – der Arbeitsvertrag wäre zwar gültig, die Befristung jedoch unwirksam.

Eine qualifizierte Signatur als rechtlich gleichgestelltes Substitut der handschriftlichen Unterschrift schafft hingegen Abhilfe, ist aber deutlich teurer. Mit geschätzten bis zu 25 Euro pro Vorgang ist diese kaum wirtschaftlich darstellbar.

Realistische Risikobewertung statt hundertprozentige Sicherheit

Im regelmäßigen Austausch mit Unternehmen zeigt sich zudem, dass das Thema E-Signatur in arbeitsbereichsspezifischen Dokumenten selbst für HR-Experten nur bedingt zu handhaben ist. Sie nehmen daher immer noch eine eher abwartende Haltung ein - ungeachtet der Tatsache, dass sie damit eine große Wettbewerbschance verstreichen lassen. Statt das Thema intensiv zu analysieren, wird angesichts juristischer Komplexität beziehungsweise Unklarheit gezögert und gezaudert. So wird der neue Anstellungsvertrag nach elektronischer Abstimmung mit dem Bewerbenden und der Sammlung von Unterschriften interner Entscheider auf Papier ausgedruckt, der Kandidatin oder dem Kandidaten zugesandt und nach unterschriebener Rücksendung wieder eingescannt. Wer Konzern-Verhältnisse kennt, weiß: das kann dauern. Zeit, in der Bewerber anderen Einstellungsangeboten den Vorzug geben können.

Um hier Abhilfe zu schaffen, braucht es gerade seitens des Gesetzgebers Realitätssinn, Prozessverständnis und natürlich Mut zur Modernisierung. Vor allem aber braucht es ein generelles Umdenken der Politik: weg von dem gigantischen, ohnehin nicht erfüllbaren Anspruch einer hundertprozentigen Sicherheit, hin zu einer realistischen, zielführenden und klar verständlichen Bewertung von Risiken unternehmerischen Handelns. Wer glaubte dazu aus dem Koalitionsvertrag Hoffnung schöpfen zu können, wird nun bitter enttäuscht.

Nachweisgesetz: Komplexität statt Vereinfachung

Auch bei der Novellierung des sogenannten Nachweisgesetzes wird die nächste Chance verpasst. Der im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Entwurf ist eine einzige Enttäuschung. So darf der Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen weiterhin nicht auf elektronischem Wege erfolgen, was neben aufgeschlossenen HR-Praktikern auch namhafte Juristen wie Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen, anprangern. Statt Einfachheit zu fördern, wird Komplexität erhöht und der digitale Wandel unserer Arbeitswelt ignoriert. Den Kopf in den Sand zu stecken mag vielleicht Ängste im Jetzt reduzieren. Eine Problemlösung wird damit im besten Fall auf der Zeitachse verschoben, greifbar wird sie indes nicht.

Unternehmen sollten jedoch nicht die Flinte ins Korn werfen: Einige Leuchttürme in der Nutzung der E-Signatur machen es genau richtig. Mit einer umfassenden Nutzen-Risiko-Analyse und einer engen Zusammenarbeit zwischen HR- und Rechtsabteilung werden Sachverhalte fachgerecht erörtert und in der Prozessgestaltung und Nutzung juristisch abgesichert. Dieses Vorgehen bildet letztlich auch die optimale Grundlage für die Entscheidung, welche Richtung ein Unternehmen beim Einsatz von E-Signaturen einschlagen möchte. Schon heute gibt es viele rechtssichere Anwendungsfälle. Chancen und Mehrwert sind groß - es gilt nur, sie zu nutzen!


Das könnte Sie auch interessieren:

Das neue Nachweisgesetz: zu viel des Schlechten (Kolumne von Alexander R. Zumkeller)

Arbeitsbedingungenrichtlinie bringt weitreichende Gesetzesänderungen mit sich

Schriftform im Arbeitsrecht: Klassische Fehler und deren Konsequenzen