bAV: Betriebsrenten jetzt anpassen

Die Niedrigzinsphase und der damit verbundene weitere Anstieg der Pensionsrückstellungen bergen auch für zahlreiche wirtschaftlich gesunde  Unternehmen die Gefahr einer bilanziellen Überschuldung. Zwei bAV-Experten von KPMG zeigen Auswege aus dem Dilemma auf.

Haufe Online-Redaktion: In vielen Unternehmen werden die gebildeten Rückstellungen für die Versorgungsansprüche ihrer Betriebsrentner wegen der niedrigen Zinsen mittel- bis langfristig nicht ausreichen. Wie können Unternehmen auf dieses Risiko reagieren?

Susanne Jungblut: Unternehmen lösen ihre alten Versorgungsregelungen, die häufig zum vollständigen Bilanzausweis führen, durch moderne Versorgungskonzepte ab. Diese sind in der Regel extern finanziert beziehungsweise  gedeckt – und dies so, dass nur ein geringer oder kein Bilanzausweis erforderlich wird.

Haufe Online-Redaktion: Wie sehen solche modernen Versorgungskonzepte aus?

Tobias Schmitz: Diese Konzepte sind beitragsorientiert. Das Unternehmen sagt einen definierten Beitrag statt eines lebenslangen Rentenversprechens zu. Die Beiträge werden extern angelegt – also entweder in Publikums- beziehungsweise Spezialfonds oder eine Rückdeckungsversicherung. Bei entsprechender Gestaltung, die eine Verpfändung oder ein CTA, also ein Treuhandmodell, einschließt, ist eine bilanzneutrale Darstellung oder ein vollständiger Verzicht auf eine Pensionsrückstellung möglich.

Gleichzeitig werden diese Versorgungssysteme so ausgestaltet, dass sie auch die anderen Risiken der betrieblichen Altersversorgung minimieren und die Kalkulierbarkeit für die Unternehmen erhöhen. So werden in diesen Systemen keine faktischen Zinsgarantien ausgesprochen. Der Arbeitgeber garantiert den Erhalt des eingezahlten Kapitals, also der eingebrachten Beiträge. Die Versorgungsleistungen werden als Einmal- oder Ratenzahlung an die Begünstigten gezahlt, sodass dadurch das Langlebigkeitsrisiko für die Unternehmen entfällt. Dabei kann die Anzahl der Jahresraten durchaus hoch sein – wir haben schon Pensionspläne gesehen, die das angesparte Kapital über 20 Jahre auszahlen. So ist zwar keine lebenslange, aber doch eine äußerst langfristige Absicherung gegeben.

Haufe Online-Redaktion: Oftmals werden modernere Zusagen nur für neue Mitarbeiter eingeführt. Die entlastenden Effekte kommen dadurch erst langfristig zum Tragen. Was machen Unternehmen mit Ihren Altlasten bezogen auf die Pensionsverpflichtungen?

Jungblut: Eine Entschuldung für bereits erdiente Anwartschaften beziehungsweise  bereits laufende Leistungen kann nur durch eine Auslagerung oder Ausfinanzierung der Verpflichtung erreicht werden. Hierfür gibt es jedoch keine Pauschallösung – in jedem Falle erfordert solch ein Schritt erhebliche Liquidität. Ist diese vorhanden, ist eine Auslagerung der erdienten Anwartschaften und Ansprüche auf einen Pensionsfonds ein Schritt, der von zahlreichen Unternehmen gegangen wird. Eine Alternative oder auch eine Ergänzung hierzu kann ein CTA sein. Hier können auch illiquide Vermögenswerte, wie beispielsweise Immobilien, eingebracht werden – wobei derartige Lösungen stets vor dem Hintergrund der bilanziellen Saldierungsanforderungen und eventueller steuerlicher Konsequenzen sorgfältig zu prüfen sind. Aber auch die Abfindung von geringen Rentenansprüchen kann eine sinnvolle Maßnahme sein.

Sofern die für diese Schritte erforderliche Liquidität nicht vorhanden ist, kann bei nachweisbar angespannter wirtschaftlicher Situation des Unternehmens das Auslassen der Rentenanpassung und eventuell darüber hinaus das Einfrieren der Pensionspläne auf Basis der erdienten Anwartschaften zu einer weiteren Entlastung für Unternehmen führen. Bei derartigen Maßnahmen gilt es natürlich stets, die hierzu ergangene Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zu beachten.

Schmitz: Wir empfehlen unseren Mandanten, sich zunächst einen vollständigen Überblick über die vorhandenen Versorgungssysteme zu verschaffen. Nicht selten existieren immer noch Zusagen mit hohen Zinsgarantien. Derartige Pensionspläne sollten nach Möglichkeit dem aktuellen Zinsniveau angepasst werden. Ferner wird häufig die im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung angebotene Arbeitnehmer-finanzierte betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung) über mehrere Durchführungswege und/oder über verschiedene Anbieter abgewickelt. Dies führt unter anderem zu hohen Administrationskosten,  die nach unserer Erfahrung durch eine Harmonisierung dieser Systeme erheblich reduziert werden können. 

Haufe Online-Redaktion: Können Sie unseren Lesern ein Fazit unseres Gesprächs mit auf den Weg geben?

Jungblut: Es gibt grundsätzlich keine einfache Patentlösung. Für eine nachhaltige Lösung ist oftmals eine Kombination verschiedener Maßnahmen zielführend, die die Besonderheiten des einzelnen Unternehmens abbildet.

Schmitz: Die betriebliche Altersversorgung bleibt ein für die Arbeitgeberattraktivität wesentliches Vergütungselement und wird zunehmend auch von jüngeren Arbeitnehmern nachgefragt. Durch moderne Versorgungskonzepte können die Risiken und die Kosten für Unternehmen minimiert werden und die Mitarbeiter trotzdem von einer attraktiven betrieblichen Altersversorgung profitieren.


Susanne Jungblut ist Director, HR Consulting KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München

Tobias Schmitz ist Senior Manager, HR Consulting KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main

Das Interview führte Katharina Schmitt, Redaktion Personalmagazin.


Veranstaltungshinweis:

Informationen zu den arbeitsrechtlichen Neuerungen der bAV, einen Einblick in die Diskussion um die Einführung einer tariflich gebundenen Betriebsrente sowie praxisnahe Informationen zur Neuordnung der bAV bieten Ihnen die bAV-Experten Susanne Jungblut und Tobias Schmitz auch beim "Breakfast Meeting" von KPMG. Die Frühstücks-Veranstaltungen finden in der Zeit vom 2. bis 19. Juni an mehreren Orten in Deutschland statt, die Teilnahme ist nach Anmeldung kostenlos.