Arbeitswelt 2030: Flexibler, digitaler - aber nicht schöner
Im Rahmen eines Forschungsprojekts hat der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Niederrhein insgesamt 30 Thesen formuliert, wie sich Arbeitswelt, Unternehmen und Personalmanagement bis zum Jahr 2030 voraussichtlich entwickeln werden. Diese Thesen wurden insgesamt 601 Mitarbeitern, Führungskräften und Personalern in Deutschland vorgelegt und gefragt, für wie wahrscheinlich sie diese Thesen halten und wie sie diese bewerten.
So wird die Arbeitswelt 2030 sein
Die Auswertung der Antworten ergab fünf zentrale Merkmale der Arbeitswelt 2030:
- Alles ist digital.
- Die Konstante heißt Veränderung.
- Arbeits- und Privatleben sind nicht mehr zu trennen.
- Nur die Ergebnisse zählen.
- Selbststeuerung ersetzt Führung.
Insgesamt sind die meisten Befragten überzeugt, dass die Unternehmen im Jahr 2030 erfolgreicher sein werden als heute.
Variabler, aber nicht schöner
Die Mehrheit der Befragten geht aber auch davon aus, dass sich die Menschen im Jahr 2030 mit ihrer gesamten Lebenssituation nicht wohler fühlen werden als heute. Insbesondere die Arbeitsmotivation werde nicht höher sein. Besonders negativ reagieren die Befragten auf die Hypothese, dass es keine persönlichen Büros mehr gäbe. Auch die Aussicht, dass es künftig mehr Freiberufler und Selbständige als Angestellte geben würde und man seine Arbeit- und Auftraggeber häufiger als heute wechseln wird, gefällt den Befragten mehrheitlich nicht.
Qualitative Aspekte der Arbeitstätigkeit gewinnen an Bedeutung
Was sich die Befragten dagegen wünschen, wäre eine wachsende Bedeutung der qualitativen Aspekte ihrer Arbeitstätigkeit wie zum Beispiel Eigenverantwortung, Selbstverwirklichung oder auch Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Ebenso positiv fänden die Befragten eine Arbeitstätigkeit, die ihren persönlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht – dieser Wunsch rangiert sogar vor Einkommen und Status.
Atypische Beschäftigung nimmt zu
Ein ähnliches Bild wie die Studie der Hochschule Niederrhein zeichnet auch der "Atlas der Arbeit", der auf Analysen der Hans-Böckler-Stiftung basiert und jüngst in Berlin vorgestellt wurde. Der Bericht zeigt, wie schon jetzt die sogenannte atypische Beschäftigung wächst: Minijobs, Teilzeit- und Leiharbeit, Werk- und Zeitverträge. 7,4 Millionen Menschen arbeiteten demnach auf 450-Euro-Basis, für 4,7 Millionen von ihnen sei es die einzige Einkommensquelle.
"Entgegen der ursprünglichen Idee haben sich Minijobs für die Beschäftigten nicht als Einstieg zu guter Arbeit erwiesen", resümieren die Autoren. Deutschland habe den größten Niedriglohnsenktor Westeuropas, 1,2 Millionen Beschäftigte bekämen zusätzlich Hartz IV.
Wer neu eingestellt werde, bekomme in 44 Prozent der Fälle nur einen befristeten Vertrag - in der Hoffnung, eines Tages unbefristet eingestellt zu werden. In der Kritik steht derzeit beispielsweise die Einstellungspraxis der Deutschen Post, weil ein unbefristeter Vertrag dort unter anderem davon abhängig ist, wie oft der Mitarbeiter krank ist und wie häufig er Unfälle mit Postfahrzeugen baut.
Arbeitswelt vor tiefgreifendem Wandel
"Man befindet sich heute in einer revolutionären Situation", so Michael Guggemos, der Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung. Technikgetrieben entstünden Crowdworking, also die standortunabhängige Auftragsverteilung übers Internet, und neue Dienstleistungen, etwa durch Plattform-Betreiber wie den Fahrtenvermittler Uber und den Essenslieferdienst Foodora.
Auch diese Unternehmen müssten ihre Arbeitgeberverantwortung wahrnehmen und etwa Sozialversicherungsbeiträge und Mindestlöhne zahlen, forderte Reiner Hoffmann, der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds bei der Vorstellung des "Atlas der Arbeit".
Kein Land in Europa benötigt bis 2030 mehr Fachkräfte als Deutschland
Aus Arbeitgebersicht ist für die Arbeitwelt 2030 die größte Herausforderung der Fachkräftemangel. Einer aktuellen Analyse der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry zufolge werden Unternehmen bis zum Jahr 2030 8,452 Billionen US-Dollar Umsatz aufgrund von zu wenig verfügbaren Fach- und Arbeitskräften entgehen. 85,2 Millionen Menschen fehlen der Wirtschaft. Besonders betroffen ist Deutschland, das mit knapp 630 Milliarden US-Dollar den größten Einnahmenausfall in Europa verbuchen muss. Das entspricht 14,4 Prozent der heutigen Wirtschaftskraft. Insgesamt fehlen bis zum Jahr 2030 4,9 Millionen potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.
Zum Weiterlesen
Die Zukunft der Arbeit: Empirische Studie der Hochschule Niederrhein
Atlas der Arbeit: Bericht von DGB und Hans Böckler Stiftung
"Global Talent Crunch": Studie der Organisationsberatung Korn Ferry
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