Öffentlicher Dienst: Herausforderung demografischer Wandel

Der demografische Wandel trifft auch den öffentlichen Dienst. Mit den Menschen, die aus dem Dienst ausscheiden, geht Erfahrungswissen verloren. Die nachfolgenden Generationen habe zum Teil andere Motivatoren. Umso wichtiger ist eine Kultur der Offenheit und des Lernenwollens. 

Der demografische Wandel betrifft alle

Der demografische Wandel ist seit vielen Jahren als einer der starken Einflussfaktoren für unsere Gesellschaft bekannt. Da es sich um die Zusammensetzung der Altersstrukturen handelt, betrifft dieses Phänomen prinzipiell nicht einzelne Teilbereiche wie z. B. bestimmte Regionen oder Branchen, sondern die gesamte Gesellschaft. Dennoch beobachten wir das Phänomen, dass es z. B. Regionen oder Branchen gibt, die „jünger“ oder „älter“ sind, was die durchschnittlichen Werte angeht und somit bestimmte Regionen/Branchen stärker oder schwächer vom demografischen Wandel betroffen sind.

Der demografische Wandel bezeichnet eine bestimmte strukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung. An demografischen Verschiebungen ist zunächst nichts ungewöhnlich, sie passieren ständig und in jeder Gesellschaft. Die momentane Situation speziell in Deutschland führt zu mehreren Herausforderungen, die für Unternehmen wie auch den öffentlichen Dienst Handlungsfelder ergeben.

Demografischer Wandel: Woraus ergibt sich das Problem?

In Deutschland gab es nach dem zweiten Weltkrieg mehrere geburtenstarke Jahrgänge, die so genannten Babyboomer (das sind in aller Regel die Jahrgänge von 1955 – 1969). Darauf folgten dann mehrere Jahre, in denen deutlich weniger Kinder zur Welt kamen. Dies wird allgemein mit einer bewussteren Familienplanung und der Verfügbarkeit der Anti-Baby-Pille erklärt („Pillenknick“). Die Babyboomer-Generation ist nun, je nach Beschäftigungsverhältnis und persönlicher Lebensplanung auf dem Weg, nach und nach aus dem Erwerbsleben auszuscheiden.  Die Konsequenzen daraus sind für den öffentlichen Dienst gravierend und sollen nachfolgend – mit einigen Lösungsansätzen – kurz skizziert werden.

Quantitative Lücke

Der erste Einflussfaktor ist rein quantitativ: Wenn man von gleich bleibender Arbeitsbelastung ausgeht, muss eigentlich jede Person mit einer/m Nachfolger/in besetzt werden. Das ist allein aufgrund der unverhältnismäßig vielen Personen, die ausscheiden, nicht möglich. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass es natürlich auch Personen mit einer entsprechenden Ausbildung sein müssen, die die jeweils vakant gewordene Stelle besetzen sollten.

Es wird für den öffentlichen Dienst eine große Herausforderung sein, Stellen passend zu besetzen und alle Bereiche gut abzudecken. Die positive Darstellung als Arbeitgeber dürfte für den Erfolg dieser Bemühungen entscheidend sein. Es lohnt sich ebenfalls, einen Blick auf Unternehmen zu werfen und dort Trends und Veränderungen im arbeitsbezogenen Miteinander zu beobachten – schließlich sind es jene Unternehmen, die für junge Nachwuchstalente oft die Wunscharbeitgeber sind. Ein Lösungsansatz kann auch sein, Personen mit untypischen Ausbildungen und Erwerbslebensverläufen als Kandidaten in Betracht zu ziehen und ihnen durch Qualifizierungsmaßnahmen und passende Bildungsangebote (gegebenenfalls auch on the job) die Möglichkeit zur Mitarbeit und Mitgestaltung zu eröffnen.

Wegfall von Erfahrungswissen und sozialen Strukturen

Viele Personen aus der Babyboomer-Generation behalten eine starke Kontinuität in ihrem Erwerbsleben bei: 10, 20 oder mehr Jahre beim gleichen Arbeitgeber und/oder der gleichen Behörde sind keine Seltenheit, wohingegen sich nachfolgende Generationen durch stärker fragmentierte Erwerbslebensverläufe auszeichnen. Mit vielen Jahren innerhalb einer Behörde oder auch der gleichen Position sammelt jede Person enormes Erfahrungswissen. Dieses erstreckt sich nicht nur auf die Zusammenarbeit mit dem direkten Umfeld, sondern schlägt sich auch im reibungslosen Verlauf zu anderen Behörden, Dienststellen und Einzelpersonen nieder, mit denen ein vertrauensvolles Miteinander aufgebaut wurde.

Brückenbauen kostet Zeit

Natürlich ist damit nicht gesagt, dass sich nicht in „neuer Besetzung“ diese Brücken genauso wieder ergeben werden. Es dauert nur eine gewisse Zeit, bis diese Brücken entstanden und belastbar sind und das Gesamtsystem gleich leistungsfähig ist wie zuvor. Diese Zeit sollte einkalkuliert werden und dem kollegialen Miteinander sollte dafür auch genug Raum gegeben werden. Ein Lösungsansatz hierfür sind Tandems, die aus jeweils einem erfahrenen Kollegen sowie einer/einem Nachfolger/in bestehen, deren Aufgabe es ist, gemeinsam Aufgaben zu bearbeiten, gemeinsam Termine wahrzunehmen und so einen möglichst reibungslosen Übergang zu schaffen. Das gemeinsame Arbeiten ist außerdem, wenn es im gemeinsamen Einverständnis organisiert wird, die beste Methode für kollegialen Wissenstransfer.

Generationen und Kulturen

Der nachfolgende „Pool“ an Arbeitskräften ist – ebenso wie die „Babyboomer-Generation“ – ebenfalls in verschiedene Generationen teilbar, denen spezifische Eigenheiten zugeschrieben werden. Auch wenn es noch kein Modell gibt, das eindeutig die Zuordnung von Eigenschaften zu bestimmten Generationen beinhaltet, ist jedoch recht einsichtig, dass jüngere Generationen zum Beispiel im Umgang mit Technik und IT-Infrastruktur völlig anders „ticken“.

Dem technikgewöhnten „Nachwuchs“ kann es mitunter sehr schwer fallen, sich mit Arbeitsmitteln und -abläufen anzufreunden, die von ihren sonstigen Geräten und individuellen Nutzungsgewohnheiten stark abweichen. Gleichzeitig kann es für die Mitarbeitenden mit vielen Dienstjahren ein Zeichen mangelnder Wertschätzung sein, wenn die junge Generation eine „veraltete“ Infrastruktur kritisiert, mit der sie selbst nun viele Jahre gut arbeiten konnten und die sie ggf. sogar selbst mit aufgebaut haben.

Es gilt, Konflikte dieser Art rechtzeitig zu erkennen und durch transparente Kommunikation aufzulösen. Schließlich ist die Modernisierung komplizierter Infrastrukturen nichts, was über Nacht zu bewerkstelligen wäre wie der Download einer App, die man ausprobiert und gleich wieder löscht, wenn sie einem nicht gefällt. Ein Lösungsansatz ist die transparente Kommunikation über die Entwicklungen. Die „jungen Hasen“ können ein besseres Verständnis aufbauen, wenn sie nachvollziehen können, warum z. B. Veränderungen oft lange dauern und viel Vorlauf benötigen, wie bestimmte Programme, Abläufe und Vorgaben sich entwickelt haben und welchem Zweck sie dienen.

Lust auf Neues, Respekt für Vorhandenes

Das Bearbeiten der Handlungsfelder, die durch den demografischen Wandel entstehen, ist vielfach ein Thema der Kultur und des kollegialen Miteinanders. Die besten Chancen haben Umfelder, in denen ein gesundes Gleichgewicht zwischen der Wertschätzung des Vorhandenen und der Offenheit gegenüber Neuerungen und Veränderungen gelebt wird.