Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
a) Verfahren zur Bestimmung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vorratsvermögens
Tz. 781
Grundsätzlich ist jeder Vermögenswert des Vorratsvermögens zum Zeitpunkt des Erwerbes bzw. der Produktion mit dessen spezifischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Dennoch gewährt der Standard Vereinfachungsverfahren. Vorrausetzung für deren Anwendung ist, dass die Ergebnisse den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nahe kommen (IAS 2.21).
Tz. 782
Ein solches Vereinfachungsverfahren ist die sog. Standardkostenmethode. Dabei wird auf Basis einer Normalauslastung ein Soll-Herstellungskostensatz pro Stück ermittelt. Die Festlegung der Standardkosten basiert auf periodischen Schätzungen über entstehende Kosten wie Materialeinsatz und Löhne sowie Einschätzungen über die Leistungsfähigkeit und Kapazitätsauslastung. Damit die Standardkosten nicht wesentlich von den Ist-Kosten abweichen, ist eine regelmäßige Überprüfung und, falls notwendig, Anpassung an die aktuellen Gegebenheit notwendig (IAS 2.21).
Tz. 783
Neben der Standardkostenmethode wird vor allem im Einzelhandel die sog. retrograde Methode angewandt, um große Stückzahlen von Vorratsposten mit hoher Umschlagshäufigkeit und ähnlichen Gewinnmargen zu bewerten. Bei diesem Verfahren werden Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch Abzug einer angemessenen prozentualen Gewinnmarge vom Verkaufspreis der Vorräte ermittelt (IAS 2.22).
Tz. 784
BEISPIEL
Retrograde Methode
Ein Einzelhandelsunternehmen weißt bei der Warengruppe Z folgende Werte auf:
|
Anschaffungskosten |
Verkaufswert |
Anfangsbestand 01.01 |
10.000 GE |
15.000 GE |
Zugänge |
30.000 GE |
45.000 GE |
Verkaufsbestand |
40.000 GE |
60.000 GE |
Umsatzerlöse |
|
35.000 GE |
Endbestand 31.12. |
|
25.000 GE |
Das Verhältnis Anschaffungskosten zum Verkaufswert ermittelt sich wie folgt:
40.000 GE / 60.000 GE = 66,67 %.
Dies entspricht einer Gewinnspanne von 33,33 %.
Dies führt zu folgender Bewertung der Vorräte zum 31.12.: 25.000 GE x 66,67 % = 16.667 GE.
b) Verfahren zur Kostenzuordnung
Tz. 785
Gem. IAS 2.23 sind Vorräte nach dem Prinzip der Einzelzuordnung zu bewerten, soweit es sich um Vorräte handelt, die gewöhnlich nicht austauschbar sind oder die für spezielle Projekte hergestellt und ausgesondert werden. Einzelzuordnung bedeutet, dass jedem identifizierbaren Vermögenswert die jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugeordnet werden (IAS 2.24). Nicht austauschbare Vorräte stellen bspw. Kunstgegenstände oder Antiquitäten dar.
Tz. 786
Handelt es sich jedoch um Vorräte, die in einer großen Anzahl vorliegen und normalerweise untereinander austauschbar sind, hat die Bewertung unter Verwendung bestimmter Vereinfachungsverfahren zu erfolgen (IAS 2.24 und .25). Aus Objektivierungsgründen ist die Anwendung von Vereinfachungsmethoden dabei zwingend vorgeschrieben. Dadurch soll eine bewusste Steuerung des Wertansatzes und des Jahresergebnisses durch die gezielte Auswahl am Bilanzstichtag verbleibender Vorräte vermieden werden.
Als Bewertungsmethoden kommen gem. IAS 2.24 das First-in-first-out-Verfahren (Fifo) und die Durchschnittsmethode in Betracht. Für alle Vorräte die von ähnlicher Beschaffenheit und Verwendung für das Unternehmen sind, ist das gleiche Zuordnungsverfahren anzuwenden. Unterscheiden sich jedoch die Vorräte im Hinblick auf Beschaffenheit oder Verwendung, so können auch unterschiedliche Bewertungsvereinfachungsverfahren verwendet werden (IAS 2.25). Dies ist bspw. dann der Fall, wenn die gleiche Art von Vorräten in einem Geschäftsbereich eine andere Verwendung hat als in einem anderen Geschäftsbereich. Ein Unterschied im geografischen Standort allein berechtigt hingegen nicht zur Verwendung unterschiedlicher Kostenzurechnungsverfahren (IAS 2.26).
Tz. 787
Beim Fifo-Verfahren wird unterstellt, dass zuerst angeschaffte oder hergestellte Vorräte zuerst verkauft werden. Folglich sind die am Bilanzstichtag noch vorhanden Vorräte die zuletzt beschafften oder hergestellten und spiegeln daher durch die Verwendung der jüngsten Preise die aktuellen Werte des Marktes wider (IAS 2 BC12). Anders hingegen würde es sich bei der sog. Lifo-Methode (Last-in-first-out) verhalten, bei welcher Vorräte angesetzt würden, die nur unzureichend in Relation zu den jüngsten Kostenniveau der Vorräte stehen. Aus diesem Grund ist die Anwendung der Lifo-Methode nicht zulässig (IAS 2 BC13, BC19).
Tz. 788
BEISPIEL
Fifo-Methode
Ein Unternehmen weist die unten stehenden Vorratsbewegungen auf. Die Anwendung der Fifo-Methode führt zu folgender Vorratsbewertung:
|
Stück |
Preis/Stück |
Gesamtwert |
Anfangsbestand |
3.000 |
1,00 EUR |
3.000 EUR |
Zugang |
1.000 |
1,50 EUR |
1.500 EUR |
Abgang |
2.000 |
2.000 Stück zu 1,00 EUR |
2.000 EUR |
Zugang |
3.000 |
1,60 EUR |
4.800 EUR |
Abgang |
4.000 |
1.000 Stück zu 1,00 EUR |
1.000 EUR |
|
|
1.000 Stück zu 1,50 EUR |
1.500 EUR |
|
|
2.000 Stück zu 1,60 EUR |
3.200 EUR |
Endbestand |
1.000 |
1,60 EUR |
1.600 EUR |
Tz. 789
Bei Anwendung der Durchschnittsmethode werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Vorräten als durchschnittlich gewichtete Anschaffungs- oder Herstellungskosten ähnlicher Vorräte zu Beginn der Periode und der Anschaffungs- oder Herstellungsko...