a) Überblick

 

Tz. 2

Die Vorschriften der §§ 238241a HGB zur Buchführung und zum Inventar enthalten die elementaren Grundnormen der kaufmännischen Buchführung. Denn die Buchführungspflicht bildet zusammen mit dem Inventar die Grundlage für den vom Kaufmann jährlich aufzustellenden Abschluss. § 238 Abs. 1 HGB regelt die eigentliche handelsrechtliche Buchführungspflicht. Er bestimmt, welcher Personenkreis unter welchen Voraussetzungen buchführungspflichtig ist und dass GoB (näher vgl. Kapitel 1 Tz. 84 ff. und vgl. Kapitel 4 Tz. 67 ff.) dabei einzuhalten sind. § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB bringt deutlich den Willen des Gesetzgebers zur Objektivierung der Dokumentation zum Ausdruck: Für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung kommt es nicht auf die Verständnismöglichkeiten des Kaufmanns selbst an, sondern auf einem sachverständigen Dritten. Entscheidend ist die Nachprüfbarkeit.[1] Das bedeutet nicht, dass die Buchführung nicht auch ganz wesentlich der Selbstinformation des Kaufmanns dient (näher vgl. Kapitel 1 Tz. 209). Es bedeutet aber, dass sich der Kaufmann im eigenen und im Gläubigerinteresse objektiv, d. h. aus der Sicht eines neutralen Dritten, informieren muss. § 238 Abs. 2 HGB normiert eine spezifische Dokumentationspflicht, die aber von den in Abs. 1 angesprochenen GoB umfasst ist, sodass dieser Bestimmung nur klarstellende Funktion zukommt.[2]

 

Tz. 3

Aus der handelsrechtlichen Buchführungspflicht folgt abgeleitet die steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 140 AO. Danach werden alle, die nach nicht steuerrechtlichen Vorschriften Bücher und Aufzeichnungen zu führen haben, auch für steuerliche Zwecke an diese Buchführungspflicht gebunden. Damit wird die handelsrechtliche Buchführungspflicht zur steuerrechtlichen Pflicht erklärt und als solche durchsetzbar.[3]

[1] Walz, in: Heymann, HGB, § 238 HGB Rn. 1.
[2] Hüffer, in: Ulmer, BilanzR, § 238 HGB Rn. 1.
[3] Graf, in: MüKo-BilR, § 238 HGB Rn. 2.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 4

Die historischen Ursprünge der Buchführungspflicht liegen in der frühen Neuzeit. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert enthielten einzelne Stadtrechte Vorschriften zur Buchführung der Kaufleute. Ausführliche Bestimmungen enthielt sodann in Frankreich die Ordonnance pour le commerce von 1673. Sie wirkte später in den Artikeln 28 ADHGB von 1861 nach. Jene Regelungen bildeten wiederum die Vorlage für die §§ 38 ff. HGB a. F. Die Buchführungspflicht war ursprünglich eingeführt worden als Voraussetzung für die besonderen Beweisregeln, die dem Stand der Kaufleute als Privileg gewährt wurden.[4]

 

Tz. 5

Abs. 1 stimmt vollständig und Abs. 2 weitgehend mit der Vorgängervorschrift des § 38 HGB a. F. überein. Abs. 1 Satz 2 und 3 wurden bei der Transformation der Vierten EG-Richtlinie in das HGB entsprechend dem Wortlaut des § 145 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO übernommen, die ihrerseits auf die Rechtsprechung des BFH zurückgehen.[5]

[4] Hüffer, in: Ulmer, BilanzR, § 238 HGB Rn. 6 m. w. N.
[5] Walz, in: Heymann, HGB, § 238 HGB Rn. 2.

c) Geltungsbereich

aa) Kaufleute

 

Tz. 6

Die Buchführungspflicht nach § 238 HGB galt vor Inkrafttreten des BilMoG 2009 für jeden Kaufmann i. S. d. §§ 13 HGB, auch für Handelsgesellschaften i. S. d. § 6 HGB, eingetragene Genossenschaften i. S. d. § 17 Abs. 2 GenG, juristische Personen i. S. d. § 33 HGB, für Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts (insbes. Bund, Länder, Kommunen), mit dem Recht, von § 238 abzuweichen (§ 263 HGB). Seit dem BilMoG sieht § 241a HGB eine Befreiung für "kleine" Einzelkaufleute vor, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 600.000 Euro Umsatzerlöse und 60. 000 Euro Jahresüberschuss aufweisen.[6]

 

Tz. 7

Die Buchführungspflicht nach § 238 HGB gilt nicht für Nichtkaufleute, also etwa Kleingewerbetreibende und Freiberufler, auch wenn sie nach § 5 HGB zu Unrecht (noch) im Handelsregister als Kaufmann eingetragen sind,[7] oder wenn sie als Kaufmann aufgetreten sind.[8] Ebenso wenig gilt sie, wenn ein Minderjähriger ein Handelsgeschäft ohne die erforderliche Genehmigung betreibt (§ 112 BGB).[9] Denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche und zudem strafbewehrte Pflicht.[10] Der Kaufmann ist buchführungspflichtig nur mit seinem Betriebsvermögen und den im Betrieb des Unternehmens begründeten Verbindlichkeiten, nicht mit seinem Privatvermögen oder seinem von ihm als Kaufmann oder Gesellschafter einer OHG oder KG oder als Land- oder Forstwirt gewidmeten sonstigen Vermögen. Auch Personen, die nach § 238 nicht buchführungspflichtig sind, können aber steuerrechtlich buchführungspflichtig sein.[11]

 

Tz. 8

Schließlich unterliegt auch der Scheinkaufmann, also derjenige, der kein Gewerbe oder nur ein Kleingewerbe betreibt und eine Handelsregistereintragung herbeigeführt hat, oder der eine Löschung versäumt hat, der Buchführungspflicht. Konsequenzen können sich daraus für die Gewinnermittlung nach Steuerrecht ergeben.

 

BEISPIEL

Die X-OHG überträgt am 1. Januar im Wege der steuerlichen Betriebsaufspaltung ihren Gewerbebetrieb auf die Y-GmbH. Anschließend ist die X-OHG nur noch vermögensverwaltend tätig. Die Löschung im Handelsre...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?


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