Dr. Falk Mylich, Dr. Thilo Schülke
aa1) Grundsatz der erfolgsneutralen rückwirkenden Korrektur
Tz. 90
IAS 8.42 und .46 schreiben den Grundsatz der rückwirkenden Fehlerkorrektur vor. Sie handeln nicht von der Korrektur fehlerhafter bereits veröffentlichter Abschlüsse und schreiben diese, anders als die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung (vgl. DRS 13.26) auch nicht vor. Stattdessen sehen IAS 8.42 und .46 vor, dass der Fehler einer früheren Periode im ersten nach Entdeckung des Fehlers aufzustellenden Abschluss korrigiert wird. Dazu sind die Anfangssalden des Abschlusses (Eröffnungsbilanzwerte) und alle dargestellten Vorjahres- und Vergleichswerte in der laufenden Periode erfolgsneutral, aber in der Fehlerperiode erfolgswirksam zu korrigieren. Ein Beispiel dazu geben die Anwendungsleitlinien zu IAS 8 (vgl. IAS 8.IG Example 1). Auch die Zeitreihen von Finanzkennzahlen werden nach IAS 8.46 so weit zurück angepasst, wie dies durchführbar ist. Die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und deren Entwicklung werden danach auf der Grundlage der berichtigten Vorjahreswerte dargestellt. Sämtliche Informationen des Abschlusses sind damit so darzustellen, als ob keine fehlerhaften Abschlüsse erstellt worden wären (vgl. IAS 8.5). Nur in der als Vergleichswert darzustellenden Ergebnisrechnung der Vorperiode, in der Eigenkapitalveränderungsrechnung (vgl. Kapitel 12) und im Anhang (vgl. IAS 8.49) wird der Prozess der Fehlerkorrektur dargestellt.
Tz. 91
BEISPIEL
Bei Aufstellung des Abschlusses für X5 wird entdeckt, dass eine Lieferung im Geschäftsjahr X4 deren Wert 7 % des Jahresumsatzes betrug, schon am 28.12.X4 ausgeführt worden war und daher die Forderung der Periode X4 zuzurechnen ist.
Lösung:
|
X5 |
X4 Korr |
X4 alt |
X3 |
Erlöse |
100 |
107 |
100 |
100 |
Ergebnis vor Steuern |
50 |
57 |
50 |
50 |
Steuern |
15 |
17 |
15 |
15 |
Gewinn |
35 |
40 |
35 |
35 |
Die Korrektur wird sich im Abschluss X5 nicht auf das Ergebnis der Periode X5, sondern nur auf das Ergebnis der Vergleichswerte für die Periode X4 aus.
aa2) Einschränkungen der rückwirkenden Anpassung
Tz. 92
IAS 8.43–.47 regeln Ausnahmen vom Grundsatz der erfolgsneutralen rückwirkenden Korrektur. Soweit die Korrektur der Anfangssalden und Vorjahreswerte undurchführbar (impractible) ist, muss die Bilanzkorrektur nicht rückwirkend durchgeführt werden. Undurchführbar ist die rückwirkende Korrektur nach der Definition in IAS 8.5, wenn die Anfangssalden und Vorjahreswerte "trotz aller angemessenen Anstrengungen" (every reasonable effort) nicht zutreffend ermittelt werden können. Mit dieser Formel werden der Grundsatz der Verlässlichkeit und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz adressiert. Bei der Bemessung des gebotenen Aufwands ist eine Abwägung zwischen dem Gewicht des Fehlers (Relevanz), der Bedeutung der zutreffenden Darstellung des Fehlers für die Abschlussadressaten (Wesentlichkeit) und der Kosten der rückwirkenden Korrektur vorzunehmen. Unterbleiben kann die rückwirkende Korrektur auch, soweit die Beschaffung der erforderlichen Sachverhaltsinformationen objektiv unmöglich ist, etwa weil die erforderlichen Daten aus Datenschutzgründen gelöscht werden mussten. In der Praxis kommt die in dieser Einschränkung zum Ausdruck kommende Anwendung des Wesentlichkeitsgrundsatzes selten zur Anwendung. Die Regel läuft in den meisten Fällen leer, es ist zu korrigieren.
Die IAS 8.50–.52 regeln weitere, in IAS 8.47 Satz 3 adressierte, Leitlinien zur Beurteilung der Undurchführbarkeit einer rückwirkenden Korrektur.
Die Durchführbarkeit ist periodenbezogenen zu beurteilen. Soweit eine rückwirkende Korrektur teilweise durchführbar ist, muss sie vorgenommen werden, soweit das möglich ist. Nach IAS 8.44 sind dann die Eröffnungsbilanz- und die Vergleichswerte mit den Werten anzusetzen, die sich aus der durchführbaren Korrektur ergeben. Nur im Einzelfall kann die rückwirkende Korrektur eines wesentlichen Fehlers vollständig unterbleiben (vgl. IAS 8.44 und IAS 8.45).
aa3) Angabepflichten
Tz. 93
Jede Fehlerkorrektur ist nach IAS 8.49 im Anhang zu erläutern. Darzustellen ist, gekennzeichnet als "Fehler" und übereinstimmend mit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung (vgl. DRS 13.32), die Art des Fehlers, die Art seiner Korrektur und, soweit das verhältnismäßig ist, die betragsmäßige Korrektur für jeden einzelnen berichtigten Posten in jeder früher dargestellten Periode, bzw. die betragsmäßige Korrektur am Anfang der frühesten dargestellten Periode. Soweit eine rückwirkende Korrektur unterblieben ist, weil sie nicht durchführbar war, ist dar...