a) Prüfungspflicht für Jahresabschluss und Lagebericht (Abs. 1)

 

Tz. 8

Solange der Jahresabschluss eines prüfungspflichtigen Unternehmens (vgl. Tz. 2) nicht geprüft wurde, besteht eine Feststellungssperre, d. h., der Jahresabschluss kann nicht festgestellt werden. Mangels rechtlicher Grundlage (Feststellung) kann über die Ergebnisverwendung (§ 42a Abs. 2 GmbHG) nicht wirksam beschlossen werden und es entsteht kein Zahlungsanspruch der Gesellschafter auf Auszahlung von Dividenden. Sofern dennoch Gesellschafter Dividenden bezogen haben, sind diese zurückzuzahlen, außer diese wurden in gutem Glauben bezogen (§ 62 AktG[1], § 32 GmbHG). Ein Jahresabschluss, der ohne Pflichtprüfung festgestellt wurde, ist gem. § 256 AktG mit analoger Anwendung für die GmbH sowie gem. § 10 Nr. 1 PublG für Unternehmen im Geltungsbereich des PublG (§ 3 PublG) nichtig. Ergibt sich die Prüfungspflicht allein aufgrund einer Satzungsbestimmung, handelt es sich nicht um eine gesetzliche Pflichtprüfung; § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB ist somit nicht anwendbar (vgl. § 316 HGB). Eine Feststellung des Jahresabschlusses ist daher auch ohne Prüfung möglich. Bei einem Verstoß gegen eine satzungsmäßige Prüfungspflicht bleiben etwaige Schadenersatzansprüche der Gesellschafter aus Vertragsrecht bestehen.

 

Tz. 9

Wurde der Vorjahresabschluss trotz Prüfungspflicht nicht geprüft oder nicht festgestellt, gilt der Jahresabschluss des Vorjahres als ungeprüft. Für die Prüfung des nachfolgenden Abschlusses zeitigt dies wie folgt Relevanz. In dieser Konstellation liegt für die Folgeperiode nach IDW PS 205, Tz. 1 und 17 eine Erstprüfung vor. Wurde der nichtige Vorjahresabschluss (unwirksam) festgestellt und ein (ebenfalls unwirksamer) Ergebnisverwendungsbeschluss gefasst, hat der Abschlussprüfer die Ordnungsmäßigkeit des Folgeabschlusses weiterhin danach zu beurteilen, ob die Rechtsfolgen aus der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses im Folgeabschluss zutreffend berücksichtigt worden sind (z. B. Stornierung einer auf einem unwirksamen Ergebnisverwendungsbeschluss beruhenden Rücklagendotierung zugunsten des Ergebnisvortrags, Behandlung unwirksamer Ausschüttungen).

 

Tz. 10

Liegt der Fall eines nicht geprüften, daher nicht wirksam festgestellten und somit nichtigen Vorjahresabschlusses vor, ergibt sich folgendes Problem: Der Abschluss der Folgeperiode setzt auf den Schlussbilanzwerten des Vorjahres auf bzw. beruht auf diesen. Mangels (rechtlichen) Vorhandenseins eines Vorjahresabschlusses fehlen entsprechend auch die Vorjahreswerte. Dieses wiederum wirkt sich auf die Prüfung der Werte der Folgeperiode aus. Hierbei ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Wurde der Vorjahresabschluss unwirksam festgestellt, kann der Folgeabschluss auf Basis der Schlussbilanzwerte des Vorjahrs geprüft werden, da der Beschluss über die (wenn auch unwirksame) Feststellung den Willen der Feststellungsorgane zum Ausdruck bringt. Die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks ist dabei nicht ausgeschlossen, sofern die Voraussetzungen (materielle Richtigkeit des geprüften Jahresabschlusses) hierfür vorliegen.
  • Wurde ein Feststellungsbeschluss für das Vorjahr überhaupt noch nicht gefasst, kann dem Abschluss der Folgeperiode unter bestimmten Voraussetzungen nur ein bedingter Bestätigungsvermerk erteilt werden. Ein Bestätigungsvermerk unter aufschiebender Bedingung gilt als noch nicht erteilt, der entsprechende Jahresabschluss also als (noch) nicht geprüft. Die aufschiebende Bedingung ist unmittelbar vor dem Text des Bestätigungsvermerks aufzuführen.[2] Mit Eintritt der Bedingung (Feststellung des Vorjahresabschlusses) wird der Bestätigungsvermerk erst wirksam. Der Nachweis des Eintritts der Bedingung ist hierbei durch die geprüfte Gesellschaft zu erbringen.
 

Tz. 11

Ein weiterer Aspekt betrifft das Verhältnis von Offenlegung zu Rechtsgültigkeit eines Jahresabschlusses. Während die Offenlegungspflichten nach § 325 HGB eine Pflichtprüfung voraussetzen, ergibt sich keine Rückwirkung einer Nichtoffenlegung eines festgestellten und geprüften Jahresabschlusses auf dessen Rechtsgültigkeit.

[1] § 62 AktG ist nach Auffassung von Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 316 HGB Rn. 6 analog auf die GmbH anzuwenden.
[2] Für ein Formulierungsbeispiel IDW PS 400, Rn. 101, WPg Supplement 2010, 25 (40 f.).

b) Konzernabschluss und -lagebericht (Abs. 2)

aa) Prüfungsobjekt und -subjekt (Abs. 2 Satz 1)

 

Tz. 12

Abs. 2 Satz 1 des § 316 HGB dehnt den Anwendungsbereich der Prüfungspflicht auf die Konzernebene, d. h. den Konzernabschluss (vgl. §§ 297, 315a HGB) und -lagebericht (vgl. § 313 HGB), aus. Angesprochen sind Muttergesellschaften in der Rechtsform der Kapital- und KapCo-Gesellschaften gem. § 264a HGB.

Einer Pflichtprüfung unterliegt auch der (Teil-)Konzernabschluss des Mutterunternehmens aufgrund dessen Tochtergesellschaften die Befreiungsregelung des § 264 Abs. 3 HGB bzw. § 264b HGB in Anspruch nehmen.

Weitere Prüfungspflichten für Konzernabschlüsse ergeben sich aus branchenspezifischen Vorgaben bzw. anderen Gesetzen

Von der Prüfungspfl...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge