aa) Entstehung
Tz. 612
Der Unterschiedsbetrag ermittelt sich als Kehrseite des goodwill, als negative Differenz i. S. eines den Kaufpreises übersteigenden erworbenen Zeitwerts des Nettovermögens (§ 301 Abs. 3 HGB). Neben einem wirklichen passiven Unterschiedsbetrag als Spiegelbild einer günstigen Kauftransaktion (lucky buy) gibt es noch andere Möglichkeiten die zu einem passiven Unterschiedsbetrag führen können.[823] U. a. können zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs und der Erstkonsolidierung Gewinne thesauriert worden sein, die nicht in den Anschaffungskosten enthalten waren. Die bilanzielle Abbildung orientiert sich an § 309 Abs. 2 Satz 1 HGB (zukünftige Schlechtentwicklung) sowie § 309 Abs. 2 Satz 2 HGB (technischer Unterschiedsbetrag und lucky buy).[824] Für den Rückgriff auf eine der Methoden zur Auflösung muss die Ursache des passiven Unterschiedsbetrags genau bestimmt werden.[825]
bb) Auflösung des passiven Unterschiedsbetrags bei konformer Überbewertung
Tz. 613
Im Normalfall wird der Kaufpreis nicht unter dem Wert des erworbenen Nettovermögens liegen, d. h. ein rationaler Verkäufer würde sich nur im Notfall mit weniger begnügen als ihm zusteht. Eine regelkonforme Überbewertung kann allerdings bei nicht bilanziell berücksichtigungsfähigen Risiken in den Vermögensgegenständen und Schulden entstehen. Folglich mindert sich der Kaufpreis ohne jedoch die Bilanzierung eines bilanziellen (Risiko-)Pendants.
BEISPIEL
Die A-AG erwirbt zum 31.12.t1 den Arzneimittelhersteller P-GmbH. Die P-GmbH hält die Patente auf verschiedene Blockbusterpräparate in Europa und Patente auf einige weniger ertragsreiche Präparate, die für den südamerikanischen und afrikanischen Markt bestimmt sind. Die P-GmbH hat in der jüngeren Vergangenheit ein Arzneimittel in Afrika auf den Markt gebracht, das unter eher dubiosen Bedingungen zugelassen wurde, aber als, wenn auch zweifelhaftes, Heilmittel gegen eine hochansteckende Virusinfektion gilt. Darüber hinaus wurde das Arzneimittel aggressiv vermarktet, sodass eine Vielzahl von Ärzten dieses Produkt trotz gravierender Nebenwirkungen verschrieb. Nach Einnahme des Medikaments starben verschiedene Patienten aufgrund der Nebenwirkungen.
Die A-AG erwirbt die P-GmbH zu einem Kaufpreis unterhalb des beizulegenden Zeitwerts von 1 Mrd. EUR. Der Abschlag von rund 250 Mio. EUR den die A-AG vornimmt erklärt sich wie folgt:
- Auch wenn eine Verurteilung der P-GmbH auf Schadensersatzleistungen unwahrscheinlich ist, kann diese aufgrund des Restrisikos (der Höhe nach) bei der Kaufpreisfindung nicht unbeachtlich bleiben. Die bestehende Versicherung würde den maximal möglichen Betrag nur zu einem geringen Teil decken.
- Neben einer möglichen Schadensersatzzahlung ist auch ein zukünftiger Reputationsschaden möglich.
Charakterlich wäre hierzu der Ansatz einer Drohverlustrückstellung vergleichbar. Hauptunterschied ist allerdings die entgegen der Rückstellung erfolgende erfolgsneutrale Einbuchung.[826]
Tz. 614
Eine erfolgswirksame Auflösung des passiven Unterschiedsbetrags ist bei Auftreten der ungünstigen Entwicklung geboten.[827] Alternativ ist der passive Unterschiedsbetrag ebenfalls bei Feststellung des endgültigen Nichteintritts der ungünstigen Entwicklung aufzulösen.
cc) Auflösung des passiven Unterschiedsbetrags bei günstigem Kauf
Tz. 615
Der beizulegende Zeitwert definiert sich nach DRS 4.7 als der Betrag, der zwischen sachverständigen Dritten für einen Vermögensgegenstand vereinbart wird. Insofern muss regelmäßig von einer Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden. Ein Kaufpreis unterhalb der Gegenleistung indiziert zumeist eine verdeckte Sachleistungsverpflichtung des Käufers, die gerade keinem passiven Unterschiedsbetrag darstellt.
Tz. 616
Eine im Ausnahmefall nicht vorliegende verdeckte Sachleistungsverpflichtung resultiert in einem echten lucky buy, d. h. einem bei Kauf des Unternehmens entstehenden echten Gewinn. In Abhängigkeit von der Auslegung des Realisationsprinzips ist eine Gewinnvereinnahmung
- im engeren Sinne nur möglich bei Weiterveräußerung der Anteile bzw.
- im weiteren Sinne bei so gut wie sicherem Gewinn – längerfristig gute Ertragslage sowie hohe Gewinnthesaurierung
möglich. Hierbei spricht nichts gegen die Anwendung der Interpretation des Gewinnrealisationsprinzips im weiteren Sinne.[828] Unter Zugrundelegung von DRS 4 wäre allerdings wie folgt zu unterscheiden (DRS 4.41):
neg UB | < | Beizulegender Zeitwert der non-monetären Vermögensgegenstände | Gewinnvereinnahmung über die durchschnittliche Restlaufzeit der Vermögensgegenstände | 10 < 15 10 → verteilen |
neg UB | > | Anteil am beizulegende Zeitwert der non-monetären Vermögensgegenstände | Sofortige Gewinnvereinnahmung bei erstmaliger Einbeziehung | 20 > 15 15 → verteilen 5 → sofort realisieren |
Gewinnvereinnah...
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