Dr. Mathias Link, Mag. Klemens Eiter
aa) Zielsetzung
Tz. 35
Die Vorschriften des IFRS 10 zielen darauf ab, Grundsätze zur Darstellung und Aufstellung von Konzernabschlüssen bei Unternehmen festzulegen, die ein oder mehrere Unternehmen beherrschen (IFRS 10.1).
Nach Auffassung des Standardsetzers kann die Zielsetzung nur erreicht werden, indem die Bestimmungen des IFRS 10 Folgendes umfassen (IFRS 10.2):
- Festlegung, dass Konzernabschüsse von Mutterunternehmen vorzulegen sind, die ein oder mehrere andere Unternehmen (Tochterunternehmen) beherrschen
- Definition des Prinzips der Beherrschung und Festlegung der Beherrschung als Grundlage einer Konsolidierung
- Festlegung, wie das Prinzip der Beherrschung anzuwenden ist, um eruieren zu können, ob ein Investor ein Beteiligungsunternehmen beherrscht und es daher zu konsolidieren hat
- Darlegung der Bilanzierungsvorschriften zur Aufstellung von Konzernabschlüssen
- Definition einer Investmentgesellschaft und Festlegung einer Ausnahme von der Konsolidierung bestimmter Tochterunternehmen einer Investmentgesellschaft
bb) Verhältnis des IFRS 10 zu ausgewählten anderen Standards
Tz. 36
IFRS 10 behandelt insbesondere Fragen zum Konsolidierungskreis (d. h. zu den einzubeziehenden Unternehmen), zum Konzernabschlussstichtag, zur Schulden- und Aufwandskonsolidierung und zur Zwischenergebniseliminierung. Die Regelungen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses beschränken sich allerdings nicht auf IFRS 10, sondern sind über verschiedene weitere Standards hinweg verteilt. Hierzu zählen insbesondere
- IAS 21 zur Währungsumrechnung,
- IFRS 3 zur Kapitalkonsolidierung,
- IAS 28 und IFRS 11 zu assoziierten Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen sowie
- IFRS 12 zu Angaben zu Anteilen an anderen Unternehmen.
Dabei stehen IFRS 10 und IFRS 3 im Mittelpunkt. Sie legen die Definition von Mutter-Tochter-Beziehungen fest und beinhalten Regelungen zur konsolidierungstechnischen Behandlung. Sofern gemäß IFRS 10 nicht von einem Mutter-Tochter-Verhältnis ausgegangen werden kann, weil das übergeordnete Unternehmen nur Beteiligungen an assoziierten Unternehmen bzw. Gemeinschaftsunternehmen besitzt, besteht auch keine Konzernabschlusspflicht. Die Vorschriften des IAS 28 und IFRS 11 sind in diesem Falle nicht konzernabschlussrelevant, sondern entfalten lediglich Relevanz für die Bilanzierung von Beteiligungen im Einzelabschluss des übergeordneten Unternehmens. Die Vorschriften des IAS 21 sind nur von Bedeutung für den Konzernabschluss, sofern Einheiten eines Konzerns in unterschiedlichen Währungen bilanzieren. Somit sind IAS 28, IFRS 11 und IAS 21 lediglich im sekundären Sinne konzernabschlussrelevant.
cc) Zusammenspiel von IFRS 10, IAS-Verordnung und § 315a HGB
Tz. 37
IFRS 10 beinhaltet sowohl Vorschriften zur Konzernabschlusspflicht, d. h. zur Frage der Aufstellung eines Konzernabschlusses, als auch zum Konsolidierungskreis und damit zur Frage nach den in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen. Für kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die gem. Art. 4 der IAS-Verordnung einer Pflicht zur Aufstellung eines IFRS-Konzernabschlusses unterliegen, sowie für die das Wahlrecht nach § 315a Abs. 3 HGB zur Aufstellung eines befreienden IFRS-Konzernabschlusses nutzenden Gesellschaften laufen die IFRS-Vorschriften zur Konzernabschlusspflicht allerdings ins Leere. So bemisst sich die Pflicht zur Aufstellung, Veröffentlichung sowie Prüfung des Konzernabschlusses gemäß den Vorgaben der EU-Kommission sowie des Handelsrechts einzig nach der 7. EU-Richtlinie bzw. ihrer entsprechenden Umsetzung in nationales Recht. Nur die nach diesen Bestimmungen einen IFRS-Konzernabschluss aufstellenden Gesellschaften unterliegen auch den Regelungen des IFRS 10. Im Ergebnis erfolgt für in Deutschland ansässige Gesellschaften die Beurteilung einer Konzernabschlusspflicht demnach gemäß HGB, während sich der Konsolidierungskreis nach IFRS 10 bemisst. Somit liegt eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Regelwerken vor.