Rn. 154

Stand: EL 04 – ET: 11/2009

Der Fall, dass ein Erwerb von Anteilen an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen erfolgt, obwohl zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz nicht ausreichende frei verfügbare Eigenkapitalbestandteile zur Bildung der geforderten Rücklage vorhanden sind, ist gesetzl. nicht explizit geregelt. Bei der Aufstellung des JA kann jedoch der Fall eintreten, dass nicht (mehr) genügend freie Eigenkapitalbestandteile zur Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen vorhanden sind, sofern

(1) ursprünglich, d. h. beim Erwerb der Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen ausreichend freie Eigenkapitalkomponenten vorhanden, diese zwischenzeitlich allerdings aufgezehrt wurden;
(2) ein Erwerb trotz fehlender freier Eigenkapitalbeträge vorgenommen wurde, wodurch – eine analoge Anwendung der Regelungen zum Erwerb eigener Anteile nach § 71 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 AktG, § 71a Abs. 1 Satz 2 AktG und § 71d Satz 2 AktG bzw. § 33 Abs. 2 und 3 GmbHG unterstellt – der Erwerb zwar rechtswidrig, aber dennoch wirksam ist (vgl. auch Dusemond/Heusinger/Knop, HdR-E, HGB § 266, Rn. 94).
 

Rn. 155

Stand: EL 04 – ET: 11/2009

Fraglich ist, ob auch in diesem Fall die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen in voller Höhe dotiert werden muss, selbst wenn dadurch ein Bilanzverlust entsteht oder sich ein bestehender Bilanzverlust erhöht, oder ob die Rücklage zunächst nur in dem Umfang zu bilden ist, wie frei verfügbares Eigenkapital vorhanden ist und die vollständige Dotierung erst in den folgenden GJ erfolgt. Der mit der Rücklagenbildung verfolgte Zweck – nämlich das Errichten einer Ausschüttungssperre in Höhe des Betrags der erworbenen Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen – legt die zweite Vorgehensweise nahe; eine Ausschüttung kann nämlich nicht erfolgen, weil keine frei verfügbaren Eigenkapitalbeträge vorhanden sind. Außerdem hat eine vollständige Dotierung der Rücklage zur Folge, dass der in das folgende GJ vorzutragende Verlust zu einer Auflösung der gesetzl. Rücklage/Kap.-Rücklage gem. § 150 Abs. 3 bzw. 4 AktG führen kann, worin eine Umgehung des Grundsatzes der ausschließlichen Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen aus frei verfügbaren Eigenkapitalbestandteilen gesehen werden kann (vgl. Zilias, M./Lanfermann, J. 1980, S. 92). Gleichwohl dürfte angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 272 Abs. 4 Satz 2 (›ist ein Betrag einzustellen‹) nur eine vollständige Dotierung im Jahr des Erwerbs der Anteile zulässig sein, zumal ein Verstoß gegen die Passivierungspflicht dieser Rücklage die Nichtigkeit des JA (vgl. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG) zur Folge hat (vgl. auch Farr, W.-M. 1992, S. 14 f.; ADS 1995, § 272, Rn. 197, m. w. N.).

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