Rz. 21

Von der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose i. S. v. § 15a InsO ist die bilanzrechtliche Fortführungsprognose zu unterscheiden. Letztere ist Basis für die im Rahmen des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vorzunehmende Going-Concern-Prüfung.[1]

Danach ist bei der Bewertung der Jahresabschlussposten von der Fortführung des Unternehmens auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen. Über § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gilt dieser Grundsatz auch für die Steuerbilanz. Der Fortführungsgrundsatz stellt dabei den Regelfall dar, von dem erst bei einer zweifelsfreien Kenntnis entgegenstehender Gründe abgewichen werden darf.[2] Zu den entgegenstehenden tatsächlichen Gegebenheiten gehören beispielhaft[3] der Ausfall wesentlicher Kreditgeber, Lieferanten oder Kunden; ein nicht ausgleichbarer Entzug von Eigenkapital oder auch die fehlende Durchführbarkeit von wettbewerbssichernden Investitionen etc.

Zu den rechtlichen Gründen, die einer Going-Concern-Prämisse entgegenstehen, gehören in erster Linie Beschlüsse der Gläubigerversammlung über die Stilllegung eines Unternehmens, das sich im Insolvenzverfahren befindet[4] und des Weiteren sämtliche gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen zur Auflösung und Abwicklung von Unternehmen, wobei hier die tatsächliche Absicht der Liquidation hinzu kommen muss.[5]

Das IDW formuliert in Bezug auf die Voraussetzungen für die berechtigte Annahme der Unternehmensfortführung nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB: "Die gesetzlichen Vertreter haben bei der Aufstellung des Jahresabschlusses über die berechtigte Annahme (gemeint ist die Annahme der Unternehmensfortführung, Anm.d.V.) zu entscheiden. Sie können grundsätzlich hiervon ausgehen, wenn das Unternehmen in der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt hat, leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und keine bilanzielle Überschuldung droht."[6] Die vorgenannten Voraussetzungen, die im Übrigen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage rekurrieren, müssen kumulativ vorliegen, um sowohl bilanzrechtlich als auch insolvenzrechtlich die zwingende Notwendigkeit weiterer Analysen im Rahmen einer Going-Concern-Prognose abzuwenden.[7] Auch diese Option nimmt das IDW auf und formuliert in Rz. 10 des PS 270: "Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und verfügt das Unternehmen auch nicht über ausreichend stille Reserven, haben die gesetzlichen Vertreter eingehende Untersuchungen zur Unternehmensfortführung anhand aktueller, hinreichend detaillierter und konkretisierter interner Planungsunterlagen, insbesondere eines Finanzplans, anzustellen. Soweit erforderlich sind hierbei auch realisierbare Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen."[8] Die bilanzrechtliche Fortführungsprognose ist nicht als reine Zahlungsfähigkeitsprognose[9] auszugestalten, sondern beinhaltet zugleich auch eine Reinvermögensvorausschau.

[1] Groß/Amen, DB 2005, S. 1864.
[2] Winkeljohann/Büssow, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 252 HGB Rz. 9 f.
[3] Groß, WPg 2004, S. 1362; weitere Aufzählung in Winkeljohann/Büssow, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 252 HGB Rz. 15; IDW Prüfungsstandard 270, Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung, Rz. 11, dieser Prüfungsstandard entspricht dem International Standard on Auditing (ISA) 570 "Going Concern".
[4] Vgl. § 157 InsO.
[6] IDW Prüfungsstandard 270, Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung, Rz. 9.
[7] Groß/Amen, DB 2005, S. 1861.
[8] IDW Prüfungsstandard 270, Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung, Rz. 10.
[9] Groß, WPg 2004, S. 1370.

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