Stille Reserven stellen den Differenzbetrag zwischen dem tatsächlichen Wert des Reinvermögens und dem niedrigeren Reinvermögensausweis in der Bilanz dar. Beträgt der tatsächliche Wert der Aktiva (Vermögenswert) 1.000 EUR und der Passiva (Verbindlichkeiten) 500 EUR, ergibt sich daraus eine Differenz und ein Reinvermögen von 500 EUR. Wurden in der Bilanz jedoch nur Aktiva von 800 EUR sowie Passiva in Höhe von 600 EUR angesetzt, resultiert hieraus ein Reinvermögen von 200 EUR. Die stillen Reserven (verstecktes Reinvermögen) berechnen sich somit mit 300 EUR, wenn man vom tatsächlichen Wert (500 EUR) den Bilanzwert (200 EUR) abzieht.

Anders ermittelt: In den Aktiva finden sich 200 EUR an stillen Reserven (tatsächlicher Wert 1.000 EUR abzüglich bilanzierter Wert 800 EUR); in den Passiva 100 EUR (tatsächlicher Wert 500 EUR abzüglich bilanzierter Wert 600 EUR) – beide Bilanzseiten zusammen ergeben 300 EUR.

4.1 Stille Reserven im Anlagevermögen

Stille Reserven werden oft schnell und nicht selten unwissentlich gebildet. In erster Linie geschieht dies, wenn die Anschaffungs-/Herstellungskosten (AHK) auf eine kürzere als die tatsächliche Nutzungsdauer verteilt werden oder mit der degressiven Abschreibung ein Abschreibungsverfahren gewählt wird, bei dem in den ersten Jahren mehr abgeschrieben wird, als es der tatsächlichen Wertminderung entspricht. Selbst bei geringwertigen Wirtschaftsgütern, die sofort abgeschrieben werden (Buchwert 0 EUR), können sich stille Reserven bilden. So kann beispielsweise ein sofort abgeschriebener Tisch oder Stuhl zum Bilanzstichtag noch einen tatsächlichen Wert von 200 EUR haben. Infolgedessen werden hier durch die Anwendung der Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern stille Reserven in Höhe von 200 EUR gebildet.

Dasselbe gilt für andere Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, wie z. B. Firmenwagen und Maschinen. Ein Geschäftswagen mit einem Kaufpreis von 60.000 EUR wird nach der amtlichen AfA-Tabelle über 6 Jahre abgeschrieben. Somit entstehen durch Abschreibungen jährliche Aufwendungen von 10.000 EUR. Nach 6 Jahren hat das Fahrzeug laut eines Gutachtens beispielsweise noch einen Wert von 15.000 EUR, der somit deutlich über dem "Erinnerungswert" in der Bilanz von 1 EUR liegt. Die Folge: Bei dem Betrag von 14.999 EUR handelt es sich um stille Reserven, die erst gewinnerhöhend aufgelöst werden, wenn das Fahrzeug veräußert oder entnommen wird.

 
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Stille Reserven im Anlagevermögen

Der Geschäftswagen mit einem Erinnerungswert in Höhe von 1 EUR wird für 15.000 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer gegen Rechnung verkauft.

 

Konto

SKR 03/04 Soll

Konten-

bezeichnung

Betrag

EUR

Konto

SKR 03/04 Haben

Konten-

bezeichnung

Betrag

EUR
1400/1200 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 17.850

8820/4845

1776/3806

Erlöse aus Verkäufen Sachanlagevermögen

Umsatzsteuer (19 % USt)

15.000

2.850

4.2 Stille Reserven bei Rückstellungen

Bei Rückstellungen entstehen stille Reserven beispielsweise durch absichtliche oder unabsichtliche Überbewertung von Rückstellungen. Ein Beispiel hierfür sind die Rückstellungen für ungewisse Verpflichtungen oder drohende Verluste, da deren Höhe nur geschätzt wird. Es entstehen stille Reserven in der Höhe, in der die spätere tatsächliche Auszahlung hinter der Schätzung zurückbleibt. Ein weiteres Beispiel hierfür sind auch Garantierückstellungen. Diese Rückstellungen werden in der Regel jährlich im Verhältnis zum Umsatz neu berechnet. Schätzt ein Unternehmer nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände das Risiko für Gewährleistungen auf 3 % des Umsatzes und bildet infolgedessen Garantierückstellungen in eben dieser Höhe, entstehen stille Reserven, wenn im besagten Zeitraum weniger Garantiefälle als 3 % des Umsatzes eintreten. Diese kann das Unternehmen zur Innenfinanzierung nutzen – zumindest so lange, bis die stillen Reserven aufgedeckt werden (müssen).

4.3 Stille Reserven bei den Vorräten

Stille Reserven können auch bei der Bewertung von Warenbeständen entstehen, etwa durch einen zu niedrigen Ansatz der Herstellungskosten (HK) bei den selbst erstellten Erzeugnissen. Dies erfolgt, indem beispielsweise nicht alle Gemeinkosten, die durch die Herstellung verursacht worden sind, in die Berechnung der Anschaffungskosten (AK) einbezogen werden.[1] Aber auch durch den Ansatz bestimmter Bewertungsverfahren können stille Reserven entstehen, beispielsweise bei der Lifo-Methode in Verbindung mit steigenden Preisen: Hier würden die zuerst beschafften Waren zu niedrig bewertet, so dass diese so lange stille Reserven enthalten, bis durch den Verkauf der Waren eine Umsatzrealisation und damit eine Auflösung der stillen Reserven erfolgt.

Darüber hinaus kann auch eine extrem vorsichtige Bewertung von Vorräten zu stillen Reserven führen. Die Liste an Beispielen ist lang. Bedeutsam wird es, wenn es sich um große Beträge handelt, die über einen langen Zeitraum in den Bilanzen stehen (z. B. Grundstücke) und erst Jahre später steuerwirksam aufgedeckt werden.

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