4.1 Stichtagsinventur – Erfassung zum Bilanzstichtag

Bei der Stichtagsinventur werden sämtliche Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag erfasst.[1] Dies ist die klassische Art der körperlichen Bestandsaufnahme. Da die Erfassung am 31.12. oft zu einer unzumutbaren Belastung führt, erkennt das Finanzamt auch eine Bestandsaufnahme innerhalb eines Zeitraums von 10 Tagen vor und 10 Tagen nach diesem Stichtag als ordnungsmäßig an.[2] Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sämtliche Bestandsveränderungen zwischen Aufnahme- und Bilanzstichtag genau belegt und berücksichtigt werden.

 
Praxis-Tipp

Sparen Sie Lohnkosten

Diese Flexibilität erspart den Unternehmen z. B. die Zahlung tariflicher Zuschläge für Feiertags- oder Sonntagsarbeit.

[1] Petersen/Zwirner, in Handbuch der Rechnungslegung, A 220 Vorratsinventur Rz. 11 ff. (Stand 69. Lieferung 9/2022).
[2] Störk/Lewe, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 240 HGB Rz 4; IDW HFA 1/1/1990 C.I. sowie R 5.3. Abs. 1 EStR; Graf, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, § 240 HGB Rz 16 (Stand 24.10.2022).

4.2 Verlegte Inventur erfordert besondere Verfahren

Ein Inventurvereinfachungsverfahren bietet das Handelsgesetzbuch nach § 241 Abs. 3 HGB in Form der verlegten Inventur.[1] Danach dürfen Kaufleute innerhalb der letzten 3 Monate vor oder innerhalb der ersten 2 Monate nach dem Bilanzstichtag ihren Bestand körperlich aufnehmen (im sog. besonderen Inventar). Dazu müssen Sie gewährleisten, dass der Wert des Bestandes zum Schluss des Geschäftsjahres durch ein zulässiges Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahren aus dem besonderen Inventar bestimmt werden kann.

Die Vereinfachung der verlegten Inventur besteht darin, dass nur der wertmäßige, nicht aber der mengenmäßige Bestand zum Schluss des Geschäftsjahres ermittelt werden muss.[2] Wenn die Zusammensetzung des Warenbestandes an den beiden Stichtagen nicht wesentlich voneinander abweicht, kann der Bestand zum Jahresende vom Inventurbestand hochgerechnet werden. Dies geschieht, indem der Wareneingang bis zum Bilanzstichtag hinzugerechnet und der Wareneinsatz abgezogen wird.

 
Praxis-Beispiel

Verlegte Inventur

Der Spielwarenhändler X erfasst zum 1.10. seinen Warenbestand vor Beginn des Weihnachtsgeschäftes im Wert von 150.000 EUR. Seine Wareneinkäufe bis Ende des Jahres – keine ausgesprochenen Weihnachtsartikel – betragen zusätzliche 250.000 EUR. Er erzielt zwischen dem 1.10. und 31.12. 300.000 EUR Umsatz bei einem durchschnittlichen Rohgewinn von 50 % des Umsatzes. Wie hoch ist der Wert seines Warenbestandes zum 31.12.?

 
Wert des Warenbestands am Bilanzstichtag    
Wert des Warenbestands am Inventurstichtag   150.000 EUR
zuzüglich Wareneingang   250.000 EUR

abzüglich Wareneinsatz (Umsatz abzüglich des durchschnittlichen

Rohgewinns) (300.000 ./. 150.000)
./. 150.000 EUR
    250.000 EUR

Ausnahmen

Vorräte, deren Wert nach den Verbrauchsfolgeverfahren ermittelt werden soll, sind von der verlegten Inventur ausgeschlossen und müssen zum Bilanzstichtag im mengenmäßigen Bestand körperlich aufgenommen werden.

Ausgeschlossen sind ebenfalls alle Gegenstände, die entweder besonders wertvoll sind oder bei denen durch Schwund, Verderb, Zerbrechen u. Ä. unkontrollierte Verluste eintreten, sofern der Schwund nicht annähernd zutreffend abgeschätzt werden kann.[3]

Eine vorverlegte oder nachverlegte Inventur ist daher insbesondere für Einzelhandelsunternehmen mit ausgeprägtem Weihnachtsgeschäft geeignet, während dieses Inventurverfahren z. B. für Molkereigroßbetriebe mit eigener Lagerung und eigenem Transport nicht angebracht ist.

[1] Störk/Lewe, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 241 HGB Rz 55 ff.

4.3 Permanente Inventur durch Lagerbuchhaltung oder Bestandsbuchführung

Das Inventar für den Bilanzstichtag darf auch aufgrund einer permanenten Inventur aufgestellt werden.[1] Dabei ergibt sich der Bestand nach Art und Menge aus einer Lagerbuchhaltung. In der Bestandsbuchführung (Lagerbuch, Lagerkartei, Lagerdatei) müssen alle Bestände sowie die Zu- und Abgänge einzeln nach Tag, Art und Menge (Stückzahl, Gewicht, Maß) eingetragen und belegt werden.[2]

In jedem Wirtschaftsjahr müssen mindestens einmal durch körperliche Bestandsaufnahme die tatsächlichen Bestände mit den Sollbeständen in der Buchhaltung abgeglichen werden.[3] Die Prüfung braucht aber nicht für alle Bestände gleichzeitig zu erfolgen. Es empfiehlt sich, jeweils die Mindestmengen oder gar den Nullbestand eines Artikels vor einer Neubestellung zu prüfen.

Nach der Überprüfung sind die Buchbestände ggf. zu berichtigen und der Prüfungstag ist auf der Lagerkarte o. Ä. zu vermerken.[4]

Wie bei jeder Inventur müssen auch hier Aufzeichnungen über die Bestandsaufnahme in sog. Inventurlisten vorgenommen werden, die die aufnehmenden Personen abzeichnen müssen. Die Inventurlisten müssen auch bei der permanenten Inventur 10 Jahre lang aufbewahrt werden.[5]

Ausnahmen

Von der permanenten Inventur sind wiederum alle besonders wertvollen und alle durch unkontrollierten Schwund betroffenen Wirtsc...

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