Entscheidungsstichwort (Thema)

– vom gesetzlichen Leitbild abweichende KG –

 

Leitsatz (amtlich)

In einer durch die Größe der Mitgliederzahl und die körperschaftliche Verfassung vom gesetzlichen Leitbild abweichenden Kommanditgesellschaft können die Gesellschafter vereinbaren, daß der Gesellschaftsvertrag, auch soweit er die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses regelt, mit Mehrheit geändert werden kann, ohne daß sie gleichzeitig die Beschlußgegenstände näher bezeichnen müßten.

Die Gesellschafter einer handelsrechtlichen Personengesellschaft können im Gesellschaftsvertrag bestimmen, daß diese mit einer Dreiviertelmehrheit in eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder GmbH umgewandelt werden kann.

 

Normenkette

HGB § 119; UmwG §§ 42, 48

 

Verfahrensgang

LG Mannheim

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mannheim vom 14. Dezember 1981 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Gesellschafterversammlung am 4. April 1981 mehrheitlich beschlossenen Änderung des Gesellschaftsvertrages. Diese sieht vor, daß die Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen die Umwandlung der verklagten Gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft beschließen kann. Die Beklagte, eine Familiengesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, entstand 1936 durch Umwandlung aus einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der von den damals 18 Gesellschaftern bei der Umwandlung beschlossene § 28 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages lautete:

„Die Gesellschafterversammlung kann, unbeschadet der folgenden Absätze und des § 5, mit einer Mehrheit von 75% der in der Versammlung anwesenden Stimmen beschließen, den Gesellschaftsvertrag zu ändern, soweit hierdurch nicht die wesentlichen Grundlagen der vorliegenden Regelung der Gesellschaftsverhältnisse umgestaltet werden.”

Am 11. April 1970 gaben die – inzwischen – 133 Gesellschaft der Mehrheitsklausel im § 22 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrag einstimmig den folgenden Wortlaut:

Die Gesellschafterversammlung kann mit einer Mehrheit von 75% der in der Versammlung anwesenden Stimmen beschließen, den Gesellschaftsvertrag in allen ihr richtig erscheinenden Punkten zu ändern.

Am 4. April 1981 änderte die Gesellschafterversammlung durch 23 Beschlüsse mit Mehrheiten von 80, 87 bis 93, 37% den Gesellschaftsvertrag in zahlreichen Punkten. Sie erweiterte den § 22 Abs. 1 mit einer Mehrheit von 91, 51% um einen Katalog der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrag deren spätere Änderung mit Mehrheit„insbesondere” möglich sein sollte. Ferner fügte sie dem Vertrage den § 22 a mit folgendem Wortlaut ein:

(1) Die Gesellschafterversammlung kann mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen die Umwandlung der Gesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) beschließen. Auf die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien finden die §§ 40 bis 45, auf die Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung die §§ 46 bis 49 des Umwandlungsgesetzes Anwendung.

(2) Der Gesellschafterbeschluß ist notariell zu beurkunden. Er hat alle erforderlichen Erklärungen über die Gründung der neuen Gesellschaft, insbesondere deren Satzung und den Übergang des Gesellschaftsvermögens auf sie mit dem Recht der Firmenfortführung zu enthalten. Er hat auch zu bestimmen, in welcher Höhe die Ausgleichs- und Sperrkonten zur Bildung des Grundkapitals oder von Rücklagen zu verwenden sind. Jeder Gesellschafter hat bei der Umwandlung Anspruch auf eine seiner Kapitaleinlage entsprechende Beteiligungsquote an der Kapitalgesellschaft.

(3) Gesellschaftern, die dem Umwandlungsbeschluß nicht zustimmen oder an der Gesellschafterversammlung nicht teilgenommen haben, ist im Umwandlungsbeschluß anzubieten, sich innerhalb einer Frist, die mindestens einen Monat betragen muß, dem Umwandlungsbeschluß anzuschließen. Die Anschlußerklärung bedarf der notariellen Beurkundung und ist dem Notar, der den Umwandlungsbeschluß beurkundet hat, oder dessen Amtsnachfolger gegenüber abzugeben. Gesellschafter, die nicht fristgemäß die Anschlußerklärung abgeben, scheiden mit dem Ablauf der gemäß § 1 gesetzten Frist aus der Gesellschaft aus. Hinsichtlich ihrer Anteile muß der Gesellschafterausschuß innerhalb von weiteren zwei Monaten eine Entscheidung nach § 31 Abs. 6 b) bb) bis ee) oder c) in Verbindung mit Abs. 6 d) treffen. Für die Berechnung des Entgelts gilt der Stichtag der Umwandlungsbilanz als Tag der Anteilsübertragung. Für diese Ergänzung stimmten 80, 87% des in der Versammlung vollständig vertretenen Nominalkapitals von 150.000.000 DM.

Die Klägerin, Kommanditistin mit einer Einlage von 3.813.600 DM (= 2, 5424% des Gesamtkapitals), stimmte dagegen.

Mit der Klage will die Klägerin festgestellt wissen, daß § 22 a des Gesellschaftsvertrages unwirksam ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Zutreffend verklagt die Klägerin die Gesellschaft und nicht ihre Mitgesellschafter. Zwar können die Gesellschafter einer Personengesellschaft den Streit über die Wirksamkeit einer Änderung des Gesellschaftsvertrages mit Rechtsverbindlichkeit auch für die Gesellschaft selbst – nur untereinander austragen (vgl. BGHZ 81, 263, 264f.). Abweichend von der gesetzlichen Regel ist aber nach § 20 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages die Klage gegen die Gesellschaft zu richten. Eine solche Vertragsbestimmung ist zulässig (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 1966 – II ZR 149/64, WM 1966, 1036).

II.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil es die Regelung der §§ 42 Abs. 1 Satz 1 und 48 Abs. 1 Satz 1 UmwG, nach der die Umwandlung einer Personenhandelsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, für unabdingbar hält. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes können die Gesellschafter einer Personengesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen den Gesellschaftsvertrag durch Mehrheitsbeschluß ändern. Ob daran das Umwandlungsgesetz für die Umwandlung einer Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft etwas geändert hat, wird im Schrifttum kontrovers diskutiert. Die Frage ist jedoch zu verneinen. Soweit aus den Materialien ersichtlich, ist während des Gesetzgebungsverfahrens die Frage, ob das Einstimmigkeitserfordernis abbedungen und durch eine vertragliche Mehrheitsklausel ersetzt werden soll, nicht erörtert worden. Es ging allein darum, ob ähnlich der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personenhandelsgesellschaft auch für den umgekehrten Fall eine Mehrheitsentscheidung kraft Gesetzes möglich sein sollte. Der Bundestag hat sich – dem Regierungsentwurf (BTDrucks. V/3165, S. 9f.) und dem Bericht des Rechtsausschusses (BTDrucks. V/4253, S. 2) folgend – gegen eine Vorschrift entschieden, die Mehrheitsbeschlüsse generell zugelassen hätte, da das dem gesetzlichen Leitbild und damit dem Wesen der Personengesellschaft widerspräche, für das Einstimmigkeit gelte. Dadurch ist aber den Gesellschaftern nur die Möglichkeit vorenthalten worden, schon kraft Gesetzes mit Mehrheit eine Umwandlung gegen eine widersprechende Minderheit durchzusetzen. Das Gesetz enthält dagegen keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, daß die Gesellschafter hier nicht auch im vorhinein vom Einstimmigkeitsprinzip sollten abgehen und sich nicht ebenso wie bei anderen Änderungen der gesellschaftsvertraglichen Organisation einer Mehrheitsentscheidung sollten unterwerfen können.

Die Freiheit, durch Vertrag Mehrheitsentscheidungen zuzulassen, gehört zu den festen Bestandteilen des Rechts der Personengesellschaften ebenso wie die – von Ausnahmen abgesehen – allgemeine Geltung des Einstimmigkeitsprinzips, wenn nichts anderes vereinbart worden ist. Es müßten daher schon gewichtige Anhaltspunkte dem Umwandlungsgesetz zu entnehmen sein, wenn das hier ausnahmsweise anders sein sollte. Das ist aber nicht der Fall. Es läßt sich auch nicht generell sagen, eine Umwandlung greife stets in einem Maße in die gesellschaftsrechtlichen Belange der Mitglieder ein, daß die Zustimmung aller von der Sache her geboten sei; denn auch andere, dem Mehrheitsbeschluß unbestritten zugängliche organisatorische Veränderungen in der Gesellschaft, wie etwa deren Auflösung oder eine Änderung in der Geschäftsführung, können eine ähnliche Tragweite haben. Auch sonst gibt es keinen durchgreifenden Grund anzunehmen, das Zustimmungserfordernis des § 42 Abs. 1 Satz 1 UmwG stehe nicht zur Disposition der Gesellschafter. Auf die Sonderfrage, ob die Mehrheitsklausel für Umwandlungsfälle nur zulässig ist, wenn der Gesellschaftsvertrag zugleich den widersprechenden Gesellschaftern das Recht gibt, gegen Abfindung auszuscheiden, braucht hierbei nicht eingegangen zu werden, da der Gesellschaftsvertrag der Beklagten das vorsieht (§ 22 a Abs. 3). Aus der Zulässigkeit des Mehrheitsbeschlusses folgt selbstverständlich, daß auch der Vollzug der Umwandlung durch Gesamtrechtsnachfolge nach § 44 Abs. 1 Satz 2 UmwG nicht davon abhängig ist, daß die Gesellschafter die Umwandlung einstimmig beschlossen haben; für Minderheitsgesellschafter, die nicht zugestimmt haben, aber nicht ausscheiden wollen, ist der Beschluß verbindlich, sie haben sich daher ohne weiteres auch an der Anmeldung der Umwandlung zum Handelsregister zu beteiligen (§ 43 Abs. 3 UmwG). Fragen, die sich sonst bei Mehrheitsbeschlüssen aus den Vorschriften über die Anmeldung zum Handelsregister ergeben können (§ 43 Abs. 3 UmwG) da der Nachweis der Zustimmung aller Gesellschafter verlangt wird, können im vorliegenden Fall nicht auftreten, da es nach § 22 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages keine in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter geben kann die der Umwandlung nicht zumindest nachträglich zugestimmt haben.

III.

Es fragt sich jedoch, ob die – im Grundsatz rechtlich zulässig – mit einer Mehrheit von 80, 87% beschlossene, die Möglichkeit der Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft regelnde Änderung des Gesellschaftsvertrages auch im übrigen rechtlich einwandfrei zustande gekommen ist.

Das wird von der Klägerin insbesondere deshalb bestritten, da der Gesellschaftsvertrag vom 11. April 1970, auf dessen Grundlage der vertragsändernde Beschluß vom 4. April 1981 gefaßt wurde, nicht ausdrücklich etwas darüber enthielt, daß gerade eine Umwandlung mit (qualifizierter) Mehrheit zugelassen werden dürfe.

1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des erkennenden Senats ist selbst dann, wenn der Gesellschaftsvertrag Vertragsänderungen durch Mehrheitsbeschluß zuläßt, zumindest die Wirksamkeit eines Beschlussesungewöhnlichen Inhalts davon abhängig, daß sich der Beschlußgegenstandunzweideutig – sei es auch nur durch Auslegung – aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt (vgl. RGZ 91, 166, 168; 151, 321, 327; 163, 385, 391; BGHZ 8, 35, 41ff.; 48, 251, 253ff.; BGH WM 1973, 100, 101; aus dem Schrifttum vergl. insbesondere Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I S. 409m.w.N.). Dieser sogenannte Bestimmtheitsgrundsatz schützt innerhalb der Personengesellschaft die Minderheit, der nicht unterstellt werden kann, sie unterwerfe sich der Mehrheit blindlings unter Inkaufnahme möglicherweise weittragender Folgen einer gar nicht bedachten Änderung. Nur wenn der mit Mehrheit beschlossene Eingriff in die Stellung des Gesellschafters im Vertrage konkret geregelt ist, ist die Feststellung erlaubt, der Gesellschafter habe das Für und Wider gerade dieser Änderung abgewogen und ihr im Vertrage vorweg seine Zustimmung erteilt. Ohne diese Zustimmung können die Gesellschafter später die Vertragsänderung von vornherein nicht mit Mehrheit, sondern nur einverständlich regeln. Der darin liegende mehr formale Schutz der Minderheit wiegt in der Regel den Nachteil auf, daß der Bestimmtheitsgrundsatz Mehrheitsbeschlüsse, deren Gegenstand im Vertrage nicht geregelt ist, auch in den Fällen verhindert, in denen die Entscheidung im Interesse der Gesellschaft dringend geboten ist. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. März 1979 (BGHZ 71, 53) ausgeführt hat, wird man zudem bei offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, die dem gesetzlichen Leitbild entsprechen, darauf vertrauen können, daß die dem Unternehmen im allgemeinen eng verbundenen Teilhaber bei dringend gebotenen Änderungen des Gesellschaftsvertrages zu einem Vertragskompromiß kommen. Der Senat hat aber bereits damals gefragt, ob der Bestimmtheitsgrundsatz immer in seiner Absolutheit gelten oder unter stärkerer Berücksichtigung der gesellschaftlichen Treuepflicht aufgelockert werden sollte. Diese Frage ist für den vorliegenden Fall zu bejahen.

2. Der von der Klägerin angefochtene vertragsändernde Beschluß hat zweifellos einen ungewöhnlichen Inhalt im Sinne der oben erörterten Rechtsprechung. Er unterscheidet sich aber schon nach der Art der Ermächtigungsklausel, auf der er beruht, von den Fällen, die die Rechtsprechung bislang entschieden hat. Diese hat im wesentlichen Mehrheitsklauseln für ungenügend erachtet, die nur ganz allgemein ohne weitere Zusätze Vertragsänderungen durch die Mehrheit zuließen, so daß auch im Auslegungswege nicht feststellbar war, daß ungewöhnliche Änderungen in Kauf genommen werden sollten. Hier liegt das anders. Die von den 18 Gesellschaftern im Jahre 1936 vereinbarte Mehrheitsklausel sah noch vor, daß mit 75% der in der Versammlung anwesenden Stimmen der Gesellschaftsvertrag geändert werden konnte; von der Mehrheitsentscheidung ausgenommen und deshalb nur einstimmig zu beschließen war aber, wenn wesentliche Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses neu zu regeln waren.

Diese Ausnahme haben am 11. April 1970 die damals 133 Gesellschafter einstimmig aufgehoben und in § 22 Abs. 1 stattdessen hinzugesetzt, die Gesellschafterversammlung könne mit einer Mehrheit von 75% den Gesellschaftsvertrag„in allen ihr richtig erscheinenden Punkten” ändern. Wie die Beklagte dazu ausgeführt hat, wollten die Gesellschafter damit verhindern, daß im Interesse der Gesellschaft liegende Änderungen, auch wenn sie die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, am Widerstand einer Minderheit scheitern; das ergibt die Veränderung des Inhalts der Klausel auch aus sich heraus. Die 3/4-Mehrheit hat daher ermächtigt werden sollen, alle möglichen Beschlußgegenstände zu regeln; sinngemäß war deutlich gewollt, den Bestimmtheitsgrundsatz für Vertragsänderungen nicht gelten zu lassen.

Damit wird zwar die Frage nahegelegt, ob der Bestimmtheitsgrundsatz nur eine Auslegungsregel (und deshalb ein ausdrücklicher Verzicht auf seine Anwendung zulässig und wirksam) oder ob er nicht vielmehr als eine formale Regel des Minderheitenschutzes grundsätzlich unverzichtbar ist (so wohl BGHZ 8, 35). Dem braucht aber hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Insoweit kommt nämlich die zweite Besonderheit des Falles zum Tragen, daß es sich bei der Beklagten um eine Kommanditgesellschaft handelt, die durch die Größe ihrer Mitgliederzahl und ihre körperschaftliche Verfassung vom gesetzlichen Leitbild der §§ 161ff. HGB ganz wesentlich abweicht. Ihre Gesellschafter haben, als sie das bis dahin für grundlegende Änderungen geltende Einstimmigkeitsprinzip als Gestaltungsmittel nicht länger für geeignet hielten und. einstimmig durch das Mehrheitsprinzip ersetzten, besonders dem Umstand Rechnung tragen wollen, daß bei weit über 100 (inzwischen 145) zum Teil in Übersee lebenden Gesellschaftern – auch wenn sie alle derselben Familie angehören – nicht darauf vertraut werden kann, daß Meinungsverschiedenheiten darüber, ob und wie der Gesellschaftsvertrag zu ändern ist, überwunden werden und es schließlich im Einvernehmen aller zu einem vertretbaren Vertragskompromiß kommt. Ist diese Situation innerhalb einer Gesellschaft eingetreten, sind also wegen der Vielzahl der Gesellschafter einverständliche Entscheidungen nicht mehr zu erwarten, so wird man den Belangen der Gesellschaft, wie von den Gesellschaftern am 11. April 1970 gewollt, nur dann hinreichend gerecht, wenn die Gesellschafterversammlung nicht auf einen Katalog mit Mehrheit zu beschließender Vertragsänderungen festgelegt wird. Denn im Interesse der Gesellschaft dringend gebotene, beim Abschluß des Gesellschaftsvertrages aber nicht bedachte, und darin deshalb nicht geregelte Änderungen könnten mit Mehrheit nicht beschlossen werden und müßten, da der Konsens aller nicht, zustande zu bringen ist, ganz unterbleiben, falls die Gesellschafter nicht den langwierigen, mit erheblichem Zeitverlust verbundenen Weg der Zustimmungsklage gegen die widersprechenden Mitgesellschafter gehen wollen. Für ein Unternehmen von der Größenordnung der Beklagten, die über einen Konzern herrscht, der 1980 Außenumsätze von 2, 25 Mrd. hatte, könnte ein solches Hindernis weittragende und deshalb unzumutbare Folgen haben. Andererseits müssen die überstimmten Gesellschafter – anders als bei Personengesellschaften, die dem gesetzlichen Leitbild entsprechen – nicht derart vor den in Betracht kommenden Veränderungen geschützt werden, da sie wegen der körperschaftlichen Ausgestaltung der Beklagten hiervon in aller Regel persönlich nicht unmittelbar betroffen werden. Selbst die persönlich haftenden Gesellschafter werden von der Gesellschafterversammlung nur für die Dauer von 5 Jahren bestellt, und sie können jederzeit aus wichtigem Grunde abberufen werden, so daß ihre Stellung in vieler Hinsicht der von Organen einer Aktiengesellschaft ähnelt. Wägt man unter diesen ganzen Umständen das Selbstbestimmungsrecht der Minderheit einerseits und das Interesse der Gesellschaft an unvorhergesehenen, aber vielleicht dringend nötigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages andererseits gegeneinander ab, gebührt hier dem Interesse der Gesellschaft, jedenfalls den einstimmigen Verzicht aller Gesellschafter auf die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes als rechtswirksam anzusehen, eindeutig der Vorzug. Ob die Rechtslage anders ist, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter nicht zugestimmt. haben und ihre Stellung mehr dem gesetzlichen Leitbild und weniger der von Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern entspricht, braucht nicht entschieden zu werden.

3. Die von § 22 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten vom 11. April 1970 für Vertragsänderungen geforderte Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen war den für Satzungsänderungen in der Aktiengesellschaft und der GmbH maßgeblichen § 179 Abs. 2 AktG und § 53 Abs. 2 GmbHG nachgebildet und daher unbedenklich. Für die im § 22 a nunmehr ermöglichte Umwandlung gilt dasselbe. Eine entsprechende Anwendung der §§ 9, 19 UmwG, wonach unter besonderen Voraussetzungen die Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine offene Handelsgesellschaft möglich, dazu aber eine Mehrheit von neun Zehnteln des Grundkapitals erforderlich ist, kommt entgegen der Ansicht der, Klägerin nicht in Betracht, da der hier geregelte Fall, in dem eine ohnehin schon körperschaftlich organisierte Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder Gesellschaft mbH umgewandelt werden soll, eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht damit nicht vergleichbare und weniger einschneidende Veränderung ist.

IV.

Schließlich beanstandet die Klägerin zu Unrecht, daß der mit Mehrheit in den Gesellschaftsvertrag eingefügte § 22a nicht bereits den Inhalt des künftig zu fassenden Umwandlungsbeschlusses und die Satzung der Kapitalgesellschaft näher bestimmt; deshalb sei die Beibehaltung der Grundzüge der bisherigen Gesellschaftsorganisation, der Charakter der Familiengesellschaft und die Rechtsposition der einzelnen Gesellschafter nicht gesichert, sondern der Willkür der Gesellschaftermehrheit ausgeliefert.

Diese Bedenken sind rechtlich nicht begründet.

Es ist zwar richtig, daß § 22 a im wesentlichen nur die Bemessung des Grund- oder Stammkapitals der künftigen Gesellschaft sowie der entsprechenden Einlagen der Gesellschafter regelt und der beschließenden Gesellschafterversammlung die Möglichkeit gibt, neben den 15 Kapitalkonten auch die Ausgleichs- und Sperrkonten ganz oder teilweise in die Neufestsetzung des Kapitals einzubeziehen. Aus dieser knappen Regelung, mit der die Gesellschafterversammlung im übrigen auf keine bestimmte Satzungsgestaltung festgelegt wird, kann aber nicht geschlossen werden, jene habe im Rahmen des für die jeweils geltende Rechtsform geltenden Organisationsrechts einen beliebigen Spielraum, die Gesellschaftsverhältnisse neu zu ordnen. Aus der allgemeinen Treuepflicht, die auch die Mehrheit im Verhältnis zum einzelnen Gesellschafter und der Minderheit bindet, folgt zunächst, daß die aus betriebswirtschaftlichen, rechtlichen oder sonstigen Gründen beschlossene Umwandlung von der Mehrheit nicht dazu ausgenutzt werden darf, weitere, nicht durch die Umwandlung selbst oder ihre Gründe notwendig veranlaßte Veränderungen der bestehenden Gesellschaftsstruktur zu beschließen; vielmehr sind der Charakter der Familiengesellschaft, die Grundzüge der Gesellschaftsorganisation, die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane und die Rechtspositionen der einzelnen Gesellschafter im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen zu erhalten oder anzupassen und notwendige Veränderungen nur nach den Grundsätzen des geringstmöglichen Eingriffs vorzunehmen. Die persönliche Rechtsposition der Gesellschafter ist zudem dadurch weitgehend gesichert, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gesellschafter mit Selbstverständlichkeit auch hier gilt und der Kernbereich der gesellschaftsrechtlichen Position des einzelnen Gesellschafters grundsätzlich in seinem Bestande geschützt ist. Übergriffe braucht die überstimmte Minderheit nicht hinzunehmen, sie kann die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Umwandlungsbeschlusses verfolgen.

Im übrigen ist aber das in § 22 a des Gesellschaftsvertrages geregelte Ausscheiden der nichtzustimmungswilligen Gesellschafter eine Art zusätzlichen Schutzes, wenn sie sich mit der veränderten Rechtsform nicht abfinden wollen, andererseits aber auch gegen widerstrebende Gesellschafter eine Art Ausschluß satzungshalber, durch den Umwandlungsbeschluß der Mehrheit sachlich gerechtfertigt ist, wenn dieser nicht selbst willkürlich zustande gekommen ist. Die Frage, ob die für alle Fälle des Ausscheidens geltende Abfindungsregelung im Zeitpunkt der Umwandlung angemessen ist, läßt sich im vorhinein abschließend beurteilen. Das ist aber auch nicht erforderlich. Wäre sie unangemessen, wäre nicht die Umwandlung unwirksam, sondern die Abfindung zu erhöhen.

 

Fundstellen

BGHZ 85, 350

BGHZ, 350

ZIP 1983, 303

JZ 1983, 556

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