Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilweise betrieblich veranlaßte Auslandsreise; Saldierung mit Betriebseinnahmen

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Begrenzung des Entscheidungsrahmens durch das Klagebegehren einerseits und das Verbot der Schlechterstellung andererseits.

2. Die für die einkommensteuerrechtliche Zuordnung einer Auslandsreise erforderliche Gesamtbeurteilung kann auch im Fall des zweiwöchigen Auslandsaufenthalts einer mehrköpfigen Familie für ein Familienmitglied einen unmittelbar betrieblichen Anlaß (z. B. Abschluß eines wichtigen Vertrages) ergeben, der es ausnahmsweise erlaubt, familiäre Aspekte und touristische Begleitumstände der Unternehmung insoweit in den Hintergrund treten zu lassen und den damit verbundenen Aufwand (hier An- und Abreisekosten) dieser Person anteilig als Betriebsausgabe anzuerkennen.

3. Ein solcher Aufwand ist allerdings ggf. mit dem Vorteil zu verrechnen, der in dem kostenlosen Aufenthalt der Familienmitglieder des Steuerpflichtigen zu sehen und diesem (z. B. wegen der zugrunde liegenden Einladung durch den Geschäftspartner) als Betriebseinnahme zuzurechnen ist.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 2; EStG § 4 Abs. 4, § 8 Abs. 1-2, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Tischlerei. Außerdem baut er ... , verkauft ... motoren sowie -zubehör und führt Schulungen im Auftrag eines Dritten durch. Ferner nehmen er und seine Tochter erfolgreich an ... -Wettkämpfen teil.

Vom 14. bis 30. Oktober 1986 unternahm der Kläger auf (mündliche) Einladung der Firma X, die in Japan ... motoren herstellt und schon seit längerem Geschäftsbeziehungen zum Kläger unterhält, mit Ehefrau und drei Kindern eine Japanreise. Nahezu die gesamten Kosten des Aufenthalts in Japan trug die Firma X, die dem Kläger und seiner Familie außerdem für diese Zeit einen Kleinbus mit Fahrer und einen Dolmetscher zur Verfügung stellte. Die Reise verlief nach dem von der Firma X gestalteten Programm wie folgt: Nach der Ankunft in Tokio am Abend des 15. Oktober 1986 waren der Kläger und seine Tochter vom 16. bis einschließlich 19. Oktober 1986 mit den Vorbereitungen und der Teilnahme an internationalen Wettkämpfen (mit ... , die von der Firma X gestellt waren) beschäftigt. Auch die übrige Familie war die ganze Zeit über am Wettkampfort A anwesend. An den übrigen elf Tagen folgten Besichtigungen in Nikko (Tempel), Tokio (Kaisertempel) und Kyoto (alte Kaiserstadt) sowie Besuche der ... und Motorenbaubetriebe der Firma X, der ... , des Z.- Building sowie eines Ausbildungszentrums. Etwa drei Tage standen zwischendurch zur freien Verfügung des Klägers und seiner Familie. Am 22., 23. und 24. Oktober 1986 traf sich der Kläger mit Vertretern der Firma X und deren Präsidenten zu Gesprächen, die im Rahmen eines Geschäftsessens und einer Schlußkonferenz dazu führten, daß der Kläger das alleinige Vertriebsrecht für die Motoren der Firma X in Deutschland und verschiedenen benachbarten Staaten erhielt.

Der Kläger hatte im wesentlichen nur die Flugkosten nach Japan für sich, seine Ehefrau und die drei Kinder in Höhe von 16 250 DM zu tragen. Hiervon verbuchte er 5 400 DM für zwei Kinder als Privatanteil, den Rest als Betriebsausgaben.

Anläßlich einer 1990 beim Kläger für die Jahre 1986 bis 1988 durchgeführten Außenprüfung stellte sich die Prüferin auf den Standpunkt, das Programm der Japanreise weise auf eine fast ausschließlich private Veranlassung hin. Daher komme ein Betriebsausgabenabzug nicht in Betracht. Dem schloß sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) im Änderungsbescheid vom 17. November 1992 an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Der daraufhin erhobenen Klage dagegen gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, es habe sich um eine Reise mit konkretem betrieblichem Anlaß gehandelt. Das gelte auch hinsichtlich der Familienmitglieder, weil die japanischen Geschäftsfreunde deren Anwesenheit ausdrücklich gewünscht hätten. Die Besichtigungen und die Teilnahme an der _ veranstaltung würden in ihrem privaten (touristischen) Charakter ebenfalls zurückgedrängt durch den Umstand, daß auch insoweit die Initiative beim japanischen Gastgeber gelegen habe und der Kläger bzw. seine Familienmitglieder sich diesen Programmpunkten nicht hätten entziehen können. Der Zeitpunkt der Reise sei bewußt mit der _ veranstaltung abgestimmt worden, die durch die Teilnahme von Europäern (auch englischen und schwedischen Geschäftspartnern) habe aufgewertet werden sollen. Daß der Kläger und seine Tochter ausschließlich im geschäftlichen Interesse der Firma X an den Start gegangen seien, ergebe sich auch daraus, daß dies nicht in eigenen, sondern in von der Firma X gestellten ... geschehen sei. Dasselbe gelte im Ergebnis hinsichtlich der Besichtigung touristischer Sehenswürdigkeiten, weil auch insoweit das Reiseprogramm von der Firma X gestaltet worden sei und vom Kläger nicht hätte beeinflußt werden können, ohne seine Geschäftsbeziehungen und den angestrebten Vertragsabschluß zu gefährden. Insgesamt gesehen seien die auf den ersten Blick für eine private Veranlassung sprechenden Elemente daher nicht geeignet, dieser "Reise zu Vertragsverhandlungen" die unmittelbare betriebliche Veranlassung zu nehmen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des §4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Eine betriebliche Veranlassung komme allenfalls für den Kläger, nicht aber für die übrigen Familienmitglieder in Betracht.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil hinsichtlich der Einkommensteuer 1986 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt hinsichtlich der (vom Rechtsmittel allein betroffenen) Einkommensteuer 1986 zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zu Unrecht hat das FG den streitigen Aufwand (unter dem allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt des Betriebsausgabenabzugs) steuermindernd berücksichtigt. Soweit es sich dabei überhaupt um Betriebsausgaben handelt, sind diese in dem durch das Klagebegehren einerseits und das Verbot der Schlechterstellung andererseits vorgegebenen Rahmen mit Betriebseinnahmen zu verrechnen, so daß sich die Bemessungsgrundlage des angefochtenen Bescheids im Ergebnis nicht verändert.

1. Die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben setzt gemäß §4 Abs. 4 EStG voraus, daß sie durch den Betrieb veranlaßt sind. Das erfordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Aufwand und Betrieb (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH -- vom 1. Juni 1978 IV R 36/73, BFHE 125, 175, BStBl II 1978, 499, und vom 16. Oktober 1986 IV R 138/83, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208; s. auch Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., 1997, §4 Rz. 470, 480, m. w. N.). Andererseits dürfen solche Kosten im Hinblick auf §12 Nr. 1 Satz 2 EStG die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage grundsätzlich nicht mindern, wenn sie zugleich die private Lebensführung des Steuerschuldners betreffen; für diese sog. gemischten Aufwendungen gilt aus Gründen steuerlicher Gerechtigkeit grundsätzlich ein Aufteilungs- und Abzugsverbot (BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213); in solchen Fällen kommt ein uneingeschränkter Betriebsausgabenabzug nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt, das Hineinspielen der Lebensführung nicht ins Gewicht fällt und von ganz untergeordneter Bedeutung ist (BFH in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

2. Für die Zuordnung eines durch Auslandsreisen verursachten Aufwands ist maßgebend, ob die Aufwendungen objektiv durch die besonderen betrieblichen Gegebenheiten veranlaßt sind und die Befriedigung privater Interessen -- wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises -- nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteile vom 12. April 1979 IV R 106/77, BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513, und vom 23. Januar 1997 IV R 39/96, BFHE 182, 536, BStBl II 1997, 357; Schmidt/Heinicke, a.a.O., §4 Rz. 520 zu den Stichworten "Geschäftsreisen" und "Informationsreisen", jeweils m. w. N.). Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände kommt einerseits dem Zweck der Reise eine gewichtige Bedeutung zu (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1984 VIII R 296/81, BFHE 143, 53, BStBl II 1985, 325; in BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208; vom 18. Oktober 1990 IV R 72/89, BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92, und in BFHE 182, 536, BStBl II 1997, 357), andererseits können aber auch der Reiseverlauf und die Begleitumstände -- wie die Mitnahme der Ehefrau -- für eine nicht unerhebliche private Mitveranlassung sprechen (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1993 VI R 58/92, BFHE 171, 210, BStBl II 1993, 639).

3. Auf den Streitfall angewendet heißt dies, daß der Hauptzweck, das Aufsuchen des japanischen Geschäftspartners zum Abschluß eines Vertrages über die Vertriebsrechte der dort hergestellten _motoren, zwar der Reise des Klägers selbst einen unmittelbar betrieblichen Anlaß verleiht, der es erlaubt, die sonstigen Umstände bei der Gesamtbeurteilung in den Hintergrund treten zu lassen, daß sich Gleiches aber für die Mitreise der Ehefrau und von drei Kindern nicht sagen läßt: Der in der Einladung ausgedrückte Wunsch des japanischen Geschäftspartners, die gesamte Familie des Klägers kennenzulernen, ist nicht geeignet, der Mitreise der übrigen Familienmitglieder den touristischen Charakter zu nehmen. Bezogen auf die Beteiligung dieser Personen unterschied sich die Reise nicht wesentlich von einer privaten Familienunternehmung. Daß die einzelnen Stationen und Programmpunkte nicht vom Kläger selbst festgelegt worden waren, ist nicht entscheidend. Das ist bei der Mehrzahl privater Reisen (Pauschalreisen) nicht anders.

4. Einer Aufteilung des streitigen Aufwands des Klägers (Flugkosten in Höhe von 10 850 DM für ihn selbst, seine Ehefrau und eine Tochter) erübrigt sich, weil er insgesamt, ungeachtet seiner teilweisen Zuordnung zum betrieblichen Bereich, in jedem Fall aufgewogen wird durch den ihm zuzurechnenden Vorteil des kostenlosen zweiwöchigen Japanaufenthalts für vier Familienmitglieder.

Dieser Vorteil ist als Betriebseinnahme des Klägers zu werten.

a) Unter Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an §8 Abs. 1 EStG und §4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert zu verstehen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (BFH in ständiger Rechtsprechung; vgl. z. B. Urteile vom 14. März 1989 I R 83/85, BFHE 156, 462, BStBl II 1989, 650; vom 13. März 1991 X R 24/89, BFH/NV 1991, 537, und vom 9. Oktober 1996 XI R 35/96, BFHE 181, 309, BStBl II 1997, 125).

b) Dabei zählen zu den Wertzugängen in Geldeswert für alle Einkunftsarten i. S. des §2 Abs. 1 Satz 1 EStG gleichermaßen alle nach objektiven Merkmalen in Geld ausdrückbaren Vorteile, die einen wirtschaftlichen (nicht rein ideellen) Wert besitzen und damit eine objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers zur Folge haben (BFH-Urteile vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, und vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995; w. Nachw. bei Schmidt/Heinicke, a.a.O., §4 Rz. 427 ff. und §8 Rz. 30 ff.). Diese Voraussetzungen erfüllt auch die von einem Geschäftspartner kostenlos gewährte Reise, sofern sie -- wie hier -- in nicht unerheblichem Umfang auch der Befriedigung allgemein-touristischer Interessen dient (vgl. BFH-Urteile in BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995, und vom 20. April 1989 IV R 106/87, BFHE 157, 118, BStBl II 1989, 641). Dabei ergibt sich die betriebliche Veranlassung des Wertzugangs aus dem zuvor schon erörterten Sachzusammenhang mit der Geschäftsbeziehung des Klägers; sie wird durch den privaten Charakter, den die Reise für die Familienmitglieder des Klägers hatte, nicht in Frage gestellt, weil betriebliche Veranlassung nicht notwendig auch betriebliche Verwendung eines solchen Vorteils erfordert (BFH-Urteile in BFHE 157, 118, BStBl II 1989, 641, und vom 1. Oktober 1993 III R 32/92, BFHE 172, 445, BStBl II 1994, 179; Schmidt/Heinicke, a.a.O., §4 Rz. 27 ff. und 440 ff.).

c) Der Höhe nach ist die in der Einladung zum zweiwöchigen kostenlosen Japanaufenthalt (samt Nebenleistungen wie Überlassung eines Kleinbusses nebst Fahrer und Dolmetscher) bestehende Betriebseinnahme gemäß §8 Abs. 2 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Einer Zurückverweisung zur genaueren (schätzungsweisen) Ermittlung dieses Werts (vgl. auch BFH in BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995, unter 3.) bedurfte es ebensowenig wie zur Aufteilung der Flugkosten, weil offensichtlich ist, daß der darin enthaltene Anteil an Betriebsausgaben vom Wert der Vorteilsgewährung bei weitem übertroffen wird, und weil einer Erhöhung der Einkommensteuerschuld das Verbot der Schlechterstellung (dazu Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, §96 Rz. 5, m. w. N.) entgegensteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67062

BFH/NV 1998, 961

DStRE 1998, 910

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge