Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Den Anspruch auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer kann auch ein Vollkaufmann nicht in das Betriebsvermögen "einlegen". Vorgänge, die mit der Bezahlung der Einkommensteuer und der Entstehung eines Anspruchs gegen das Finanzamt auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer zusammenhängen, gehören ihrer Art nach notwendig in den außerbetrieblichen (privaten) Vermögensbereich der Steuerpflichtigen.

 

Normenkette

EStG § 10a/2, § 12 Nr. 3, § 15 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Revisionskläger (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) sind Ehegatten. Bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer für die Jahre 1957 bis 1959 ist ihnen die Vergünstigung für nichtentnommenen Gewinn gewährt worden. Der für die Nachversteuerung maßgebende Betrag ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1959 auf 58.465 DM festgestellt worden.

Bei der Veranlagung für das Jahr 1960 legte das Finanzamt (FA) den Erklärungen der Stpfl. entsprechend einen Gewinn von 107.924 DM und Entnahmen von (116.279,79 DM ./. 338,35 DM =) 115.941,44 DM zugrunde, ohne eine Nachversteuerung durchzuführen. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung berichtigte es die Einkommensteuerveranlagung, indem es von um 15.000 DM höheren Entnahmen ausging; es führte nunmehr auch eine Nachversteuerung durch. Der Stpfl. hatte eine Forderung gegen das FA auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer von 15.000 DM aktiviert und als Einlage behandelt. Diesen Vorgang erkannte das FA nicht als Einlage an, weil die Erstattungsforderung notwendig zum Privatvermögen der Stpfl. gehöre und deshalb nicht Teil des Betriebsvermögens werden könne.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer, so führte das Finanzgericht (FG) aus, gehörten einkommensteuerrechtlich zum notwendigen Privatvermögen und seien daher nicht einlegbar (Urteil des Hessischen FG Kassel I 491/63 vom 28. November 1963, "Entscheidungen der Finanzgerichte" - EFG - 1964 S. 323; Kittmann, Das Einkommensteuerrecht, 7. Aufl., Anm. 24 zu § 10 a EStG; im Ergebnis auch so das Urteil des FG München II 141/62 vom 21. August 1963, EFG 1964 S. 164). Der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz gelte nicht uneingeschränkt, soweit es sich um Wirtschaftsgüter handle, die objektiv nicht geeignet oder bestimmt seien, dem Betrieb zu dienen oder ihn zu fördern. Derartige Wirtschaftsgüter könnten nicht gewillkürtes Betriebsvermögen sein (Urteile des BFH VI 10/60 vom 15. Juli 1960, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 71 S. 625 - BFH 71, 625 -, BStBl III 1960, 484; I 185/59 S vom 19. Juli 1960, BFH 71, 629, BStBl III 1960, 485; IV 305/59 U vom 1. Dezember 1960, BFH 72, 419, BStBl III 1961, 154). Die objektive Beziehung zum Betriebe werden nicht bereits dadurch begründet, daß eine "Einlage" dazu bestimmt sei, Mehrentnahmen auszugleichen und eine Nachversteuerung zu verhindern. Ansprüche und Erstattung von Einkommensteuer seien untauglich, dem Betriebe eines Steuerpflichtigen zu dienen oder ihn zu fördern. Erst die zur Tilgung des Anspruchs gezahlten Geldmittel könnten diesen Zweck erfüllen, wenn sie in den Betrieb eingelegt würden. Im Streitfall werde der Sinn dieser Auffassung besonders dadurch deutlich, daß der Stpfl. die Forderung bereits beim Jahresabschluss 1961 wieder "entnommen" habe.

Mit ihrer Revision rügen die Stpfl. Verletzung des § 243 Abs. 1 AO a. F. durch ungenügende Aufklärung und Verletzung der §§ 5 und 10 a EStG durch Verkennung der Begriffe Einlagen und Betriebsvermögen. Das FG, so machen sie geltend, hätte auf die Gründe eingehen müssen, auf die die Entstehung des Erstattungsanspruches zurückzuführen sein. Der Anspruch sei betrieblicher Herkunft gewesen. Die Ausbuchung des Anspruchs im Jahre 1961 habe keine Manipulation bezweckt, sondern sei lediglich durch den Wechsel der Berater veranlaßt worden. Wäre der Sachverhalt in dieser Hinsicht eingehender aufgeklärt worden, dann hätte das FG festgestellt, daß das Vermögen der Stpfl. ganz überwiegend betriebsgebunden sei und Manipulationen ausgeschlossen gewesen seien. Im übrigen sei es unzutreffend, Ansprüche auf Rückzahlung nicht abzugsfähiger Steuern nach der Aufhebung des § 30 EStDV 1950 als grundsätzlich nicht mehr einlegbar anzusehen. Ein Steuererstattungsanspruch nehme sicherlich dann betrieblichen Charakter an, wenn der Unternehmer ihn in sein Vermögen einbringe, um ihn erfüllungshalber oder an Erfüllungs Statt an einen seiner Geschäftsgläubiger abzutreten. Hier stehe fest, daß der Erstattungsanspruch objektiv mit dem Betrieb im Zusammenhang gestanden habe und bestimmt und geeignet gewesen sei, den Betrieb zu fördern. Selbst wenn man die Entrichtung von Einkommensteuer als außerbetrieblichen Vorgang ansehe, könne ein Kaufmann doch den Erstattungsanspruch in sein Betriebsvermögen einlegen. Die Rechtsprechung, daß Darlehen an Verwandte grundsätzlich nicht im Rahmen eines Betriebs gegeben würden, treffe einen anderen Fall. Selbst bei Verwandtendarlehen sei aber gegen die "Einlegung" des Anspruchs nichts einzuwenden, wenn der Anspruch sicher sei. Würde z. B. ein Kommanditist seine Einlage mit einem Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens gegen seinen Vater belegen, so müsse das einkommensteuerlich anerkannt werden. Da hier aber gegen die Einlegung des Anspruchs auf Erstattung von Einkommensteuer keine Bedenken bestünden, seien die Entnahmen zu Unrecht um 15.000 DM erhöht worden. Die Anerkennung ihrer Einlage werde auch allein dem Sinn des § 10 a EStG gerecht. Es wäre ungerecht, wenn ihnen ein steuerlicher Nachteil daraus erwüchse, daß die dem Fiskus durch überzahlung der Einkommensteuer eine "übertreue" erwiesen hätten. Schließlich sei auch zu beachten, daß sie die entsprechenden Entnahmen durch eine Beleihung des Erstattungsanspruchs hätten vermeiden können. Würde man die Einlegung des Anspruchs nicht anerkennen, so würden letztlich reiche Steuerpflichtige bevorzugt, die vorangegangene Entnahmen durch andere freie Mittel ausgleichen könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben. Nach § 10 a EStG ist eine Nachversteuerung in dem Jahr durchzuführen, in dem die Entnahmen den Gewinn übersteigen. Diese Voraussetzung hat das FG für den Streitfall zu Recht bejaht. Daß es die Einbuchung des Anspruchs auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer nicht als "Einlage" anerkannt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer, die den Steuerpflichtigen persönlich belasten soll. Ihre Zahlung fällt in den privaten Lebensbereich, wie sich aus § 12 Ziff. 3 EStG ergibt. Das gilt auch, wenn in dem Einkommen des Steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb enthalten sind oder die Einkommensteuer aus Mitteln des Betriebs bezahlt wird. Werden Mittel des Betriebs zur Bezahlung der Einkommensteuer verwendet, so werden die Mittel zuvor durch eine Entnahme aus dem Betrieb in den privaten Vermögensbereich überführt; die Einkommensteuer wird dann aus privaten Mitteln bezahlt.

Da die Entstehung der Einkommensteuerschuld und ihre Bezahlung in den privaten Lebensbereich gehören, müssen umgekehrt auch der Anspruch gegen das FA auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer und die Einbeziehung dieses Anspruchs dem privaten Lebensbereich zugewiesen werden, weil der Erstattungsanspruch aus der überzahlung der Einkommensteuer als persönliche Schuld entsteht.

Daß ein Kaufmann für seine im Betrieb begründeten Schulden auch mit seinem außerbetrieblichen (privaten) Vermögen einstehen muß und daß ein privater Gläubiger auch in das betriebliche Vermögen vollstrecken kann, ist richtig. Das ändert aber nichts daran, das einkommensteuerrechtlich zwischen dem betrieblichen und dem außerbetrieblichen Bereich unterschieden werden muß. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz; denn wenn auf der einen Seite nach § 15 Ziff. 1 EStG die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern sind, andererseits aber nach § 12 EStG alle Aufwendungen, die die Lebenshaltung angehen, die Einkünfte nicht mindern dürfen, so erfordert dieser Aufbau des Gesetzes eine klare Trennung der beiden Bereiche des Betriebs und des privaten Lebens.

Soweit Vorgänge ihrer Art nach notwendig dem einen oder anderen Bereich zuzuordnen sind, kann der Kaufmann sie nicht nach seinem Willen dem anderen Bereich zurechnen. Er kann z. B. nicht eine dem Betrieb dienende Maschine "privat" kaufen und dann "einlegen" (Urteil des Senats VI 51/63 vom 24. Juli 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 12, das die Anschaffung eines Grundstücks unter Aufnahme eines Darlehens betrifft). Ebensowenig kann er ein für die Familie bestimmtes Einfamilienhaus oder die persönliche Kleidung "betrieblich" kaufen und sie dann "entnehmen". Hier wie dort fällt bereits der Anschaffungsvorgang mit seinen Nebenwirkungen zwingend in den bestimmten Bereich, so daß z. B. angefallene Porti und andere Unkosten bei Maschinenkäufen Betriebsausgaben sind, bei Anschaffung eines Einfamilienhauses aber nicht in den betrieblichen Bereich gebracht werden können.

Bei der Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die, wie z. B. Miethäuser und Wertpapiere, nicht ihrer Art nach zwingend zum betrieblichen oder zum außerbetrieblichen Vermögen gehören, kann der Vorgang von Vollkaufleuten grundsätzlich nach freier Entscheidung als betrieblich oder außerbetrieblich behandelt werden (gewillkürtes Betriebsvermögen). Ein solcher Vorgang steht aber hier nicht zur Entscheidung. Die Entstehung der Einkommensteuerschuld, ihre Bezahlung, ein sich hieraus ergebender Erstattungsanspruch und dessen Einziehung fallen, wie dargelegt, notwendig in den privaten Bereich.

Der Ansicht der Stpfl., daß sie, wenn auch die Entstehung des Erstattungsanspruchs in den außerbetrieblichen Bereich fallen mögen, doch einen entstandenen Anspruch "einlegen" könnten, ist nicht beizutreten. Ein Kaufmann kann zwar in aller Regel auch Wirtschaftsgüter, die er privat erworben hat, in sein Betriebsvermögen einlegen, wenn sie nicht notwendig zum Privatvermögen gehöre. Er kann z. B. Wertpapiere, die er privat angeschafft hat, in das Betriebsvermögen einlegen. Ebenso bestehen gegen die Einlegung einer privaten Darlehnsforderung oder einer Forderung aus dem privaten Verkauf eines Wertpapiers, grundsätzlich keine Bedenken. Kann der Kaufmann den Vorgang der Anschaffung oder der Darlehnsgewährung als betrieblich behandeln, so kann ihm auch die Einbringung der zunächst zum Privatvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter selbst nicht verwehrt sein; ebenso kann er umgekehrt auch derartige Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb entnehmen. Das gilt aber nicht für Wirtschaftsgüter, die notwendig entweder zum betrieblichen oder zum außerbetrieblichen Vermögen gehören. Forderungen können in diesem Zusammenhang nicht losgelöst von ihrem Entstehungsgrund betrachtet werden. Beruht ihre Entstehung auf einem Vorgang, der notwendig in den betrieblichen oder in den außerbetrieblichen Bereich fällt, so gehört auch die Forderung selbst notwendig dem entsprechenden Bereich an. Fällt ein Vorgang notwendig in den einen oder den anderen Bereich, so gehört grundsätzlich auch die Abwicklung notwendig in denselben Bereich. Eine Forderung aus dem Verkauf von Waren kann der Kaufmann ebensowenig dem Betrieb entnehmen, wie eine Forderung aus einem betrieblichen Darlehen oder einem Anspruch auf Erstattung überzahlter Umsatzsteuer. Umgekehrt kann eine Forderung aus einem allein aus verwandtschaftlichen Gründen gewährten Darlehen ebensowenig in den Betrieb einlegen wie den Anspruch auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer.

Nach diesen Grundsätzen ist auch die von den Stpfl. aufgeworfene Frage der Behandlung von Schulden zu entscheiden. Man mag, wenn Wirtschaftsgüter von dem einen Vermögensbereich in den anderen überführt werden können, auch die überführung der mit ihrem Erwerb zusammenhängenden Schulden für möglich oder gar geboten halten. Jedenfalls kann aber eine rein betriebliche Schuld ebensowenig in das Privatvermögen übernommen werden wie umgekehrt eine private Schuld in das Betriebsvermögen. So kann z. B. eine Umsatzsteuerschuld nicht als "Einlage" gebucht werden, wenn gleich, wenn sie aus privaten Mitteln bezahlt wird, der Zahlungsvorgang zu einer entsprechenden Einlage führt. Ebensowenig kann eine Einkommensteuerschuld als "Entnahme" gebucht werden, wenngleich ihre Bezahlung aus betrieblichen Mitteln zu einer Entnahme führt.

§ 30 EStDV 1950 hat für die Anwendung des § 10 a EStG eine Berücksichtigung der Einkommensteuerschulden wie auch der Erstattungsansprüche ausdrücklich zugelassen. Der Senat verzichtet darauf, die Regelung als einmalige Sonderregelung anzusehen und aus ihrer Aufhebung zu folgern, daß nach dem daraus erkennbaren Willen des Gesetzes die "Einlage" von Erstattungsansprüchen nunmehr unzulässig sein sollte. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die Frage, wieweit Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer zum Ausgleich von Entnahmen "eingelegt" werden können, wie auch die Stpfl. meinen, nur nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen ist. Nach diesen Grundsätzen kann aber ein Einkommensteuer-Erstattungsanspruch, wie ausgeführt, nicht in das Betriebsvermögen eingelegt werden.

Den Stpfl. ist zuzugeben, daß sie eine Mehrentnahme hätten vermeiden können, wenn sie die Vorauszahlungen der Einkommensteuer unter Aufnahme von Kredit aus privaten Mitteln gezahlt oder den Erstattungsanspruch beliehen hätten. Die Besteuerung muß aber an das anknüpfen, was tatsächlich geschehen ist. Ob auf einem anderen Weg ein steuerlich günstigeres Ergebnis hätte erreicht werden können, ist unerheblich.

Die Nachversteuerung wird entgegen der Ansicht der Stpfl. auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie durch die überzahlung der Einkommensteuer eine Art "übertreue" bewiesen hätten. Die Frage, worauf die Mehrentnahmen zurückzuführen sind, hat der Senat für die Nachversteuerung für unerheblich gehalten. Ebenso die umgekehrte Frage , ob geringe Entnahmen auf eine zu geringe "Treue" gegenüber dem Staat zurückzuführen sind, weil eine fällige Einkommensteuerschuld nicht bezahlt worden ist. Zuzugeben ist den Stpfl., daß Steuerpflichtige, die wegen anderweitigen Vermögens keine Entnahmen aus dem Betrieb zu machen brauchen, bei der Anwendung des § 10 a EStG einen Vorteil haben. Für alle Vergünstigungen gilt aber, daß sie nur von den Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden können, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Wer nicht die nötigen Mittel besitzt, um die Voraussetzungen einer gesetzlichen Vergünstigung zu erfüllen, ist - so betrachtet - immer im Nachteil gegenüber anderen Steuerpflichtigen, die, weil sie wirtschaftlich günstiger gestellt sind, die Voraussetzungen erfüllen können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412210

BStBl III 1966, 542

BFHE 1966, 482

BFHE 86, 482

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