Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkte Zulassung der Revision unwirksam; nahezu ausschließlich berufliche Nutzung einer Videokamera; Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung

 

Leitsatz (NV)

1. Auch nach Einfügung des Abs. 2 des § 99 FGO durch das FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) kann die Zulassung der Revision nicht auf einzelne Rechtsfragen beschränkt werden.

2. Werden die Anschaffungskosten eines Gerätes der Unterhaltungselektronik als Werbungskosten geltend gemacht, so muß der Kläger die nahezu ausschließlich berufliche Nutzung dieses Gerätes im einzelnen darlegen und nachweisen.

3. Typische Unterhaltszuwendungen an ein Kind können von einem Dritten nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, wenn den Eltern oder einem Elternteil des Kindes ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag zusteht.

 

Normenkette

FGO § 99; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 6-7, § 12 Nr. 1, §§ 32, 33 Abs. 1, § 33a Abs. 1 S. 1, Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte in seiner Einkommensteuer erklärung für das Streitjahr 1990 u. a. Aufwendungen für den Lebensunterhalt seines im August 1963 geborenen Neffen und Patenkindes in Höhe von ... DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Außerdem beantragte er, Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von ... DM für eine im Jahre 1987 angeschaffte Videokamera als Werbungs kosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Projektmanager im Außendienst einer Anlagen-Leasing-Gesellschaft zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte diese Aufwendungen nicht an.

Die Klage hatte wegen dieser Streitpunkte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, aus der Übernahme einer Patenschaft folge die sittliche Verpflichtung, das Patenkind zu unterstützen, wenn die leiblichen Eltern -- wie im Streitfall die geschiedene Schwester des Klägers -- dazu nicht in der Lage seien. Deshalb seien die Aufwendungen für die Unterstützung des Neffen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Dem stehe § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht entgegen. Denn die Schwester des Klägers habe keinerlei Einkünfte und beanspruche infolgedessen keinen Kinderfreibetrag.

Bei der Beurteilung der Anschaffungs kosten der Videokamera habe das FA die von ihm zutreffend erkannten Grundsätze nicht richtig auf den Streitfall angewendet. Vorliegend handle es sich um einen Ausnahmefall, in dem die Anschaffung der Videokamera zu Werbungskosten führe. Der Kläger habe glaubhaft gemacht, daß er die Videokamera ausschließlich beruflich nutze. Er besitze neben der Videokamera eine hochwertige Schmalfilmkamera (Super-acht). Eine Schmalfilmkamera bringe deutlich bessere Aufnahmen als eine Videokamera. Daher leuchte es ein, daß man private Filme mit der Schmalfilmkamera mache und nicht mit der Videokamera. Wäre es anders, hätte man die Schmalfilmkamera bei Anschaffung der Videokamera in Zahlung gegeben. Daß der Kläger für seine beruflichen Zwecke eine Videokamera benutze und nicht seine Schmalfilmkamera verwende, verstehe der Senat. Denn der laufende Betrieb einer Schmalfilmkamera sei wesentlich teurer als der einer Videokamera. Sodann könne bei der Videokamera sofort überprüft werden, ob die Aufnahmen gelungen seien.

Das FG hat hinsichtlich des Streitpunktes außergewöhnliche Belastung die Revision zugelassen und dazu die Auffassung ver treten, aus der sich aus § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergebenden Berechtigung, zu Teilfragen selbständig zu entscheiden, folge die Möglichkeit, die Zulassung der Revision auf diese Teilbereiche zu beschränken.

Das FA wendet sich mit der Revision gegen die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung und der Aufwendungen für die Videokamera; es macht die Verletzung materiellen Rechts geltend.

Der Kläger ist nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision des FA ist trotz der Beschränkung der Zulassung durch das FG auf den Streitpunkt der außergewöhnlichen Belastung unbeschränkt zulässig. Der Senat hat mit Urteil vom 28. September 1990 VI R 157/89 (BFHE 162, 290, BStBl II 1991, 86) entschieden, die Zulassung der Revision könne nicht auf einzelne Rechtsfragen beschränkt werden. An dieser Rechtsauffassung ist auch nach der Einfügung des Abs. 2 des § 99 FGO durch das FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) festzuhalten. Die durch § 99 Abs. 2 FGO eröffnete Möglichkeit, durch Zwischenurteil über entscheidungserhebliche Sach- und Rechtsfragen vorab zu entscheiden, rechtfertigt es nicht, abweichend von der bisherigen Rechtslage die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das FG für wirksam zu erachten, wenn tatsächlich im konkreten Fall ein Zwischenurteil nicht erlassen worden ist.

Die vom FG vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision war somit unzulässig und wirkungslos. Die Zulassung ist als unbeschränkte zu werten.

II. Die Revision des FA ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Das FG hat zu Unrecht die AfA für die Videokamera als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 und 7 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit und die Zuwendungen an den Neffen als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 Abs. 1 EStG) anerkannt.

1. Der Auffassung des FG, der Kläger habe die Videokamera nahezu ausschließlich beruflich genutzt, so daß § 12 Nr. 1 EStG dem Werbungskostenabzug nicht entgegenstehe, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Für Geräte der Unterhaltungselektronik besteht der Erfahrungssatz, daß sie regelmäßig auch im privaten Interesse angeschafft werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. September 1991 VI R 1/90, BFHE 166, 61, BStBl II 1992, 195). Dieser Erfahrungssatz, der auch für eine Videokamera gilt, kann nur entkräftet werden, wenn ein Steuerpflichtiger ernsthaft die Möglichkeit darlegt und nachweist, daß im konkreten Einzelfall eine abweichende Gestaltung vorliegt. Keineswegs reicht es für die Entkräftung dieses Erfahrungssatzes aus, wenn das FG lediglich den Versicherungen des Steuerpflichtigen Glauben schenkt, das streitige Gerät ausschließlich beruflich genutzt zu haben (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 VI R 54/90, BFH/NV 1994, 18).

Im Streitfall liegt lediglich die eigene Einlassung des Klägers über eine ausschließlich berufliche Nutzung der Videokamera vor. Der Kläger hat keine Indiztatsachen vorgetragen, die die Annahme nahelegen, eine private Mitbenutzung habe nicht stattgefunden. Es sprechen vielmehr die nämlichen Gründe, auf die das FG aufgrund des Vortrags des Klägers seine Überzeugung gestützt hat, die Videokamera werde vom Kläger ausschließlich für berufliche Zweke genutzt, auch für eine private Mitbenutzung. Daß der laufende Betrieb der Videokamera preiswerter sei als derjenige der Schmalfilmkamera und daß bei der Videokamera sofort geprüft werden könne, ob die Aufnahmen gelungen seien, sind Gesichtspunkte, die sich auch bei einer Verwendung der Videokamera für private Zwecke vorteilhaft auswirken. Die der Entscheidung des FG konkludent zugrunde liegende Annahme, daß Steuerpflichtige sich nur im beruflichen, nicht aber auch im privaten Bereich kostenbewußt verhalten, entbehrt der Grundlage. Soweit das FG seine Auffassung außerdem damit begründet hat, daß eine Schmalfilmkamera deutlich bessere Aufnahmen bringe als eine Videokamera, ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger für private Zwecke Aufnahmen mit einer besseren Qualität benötigt haben sollte als für seine beruflichen Zwecke.

Aus der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG überreichten Aufstellung über den Umfang der beruflichen Nutzung der Kamera geht hervor, daß er sie im Streitjahr an zehn Tagen für berufliche Zwecke eingesetzt hat. Damit ist eine Nutzung der Kamera auch für private Zwecke nicht ausgeschlossen.

2. Der Anerkennung der Unterhaltszuwendungen an den Neffen des Klägers als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG steht § 33 a Abs. 5 EStG entgegen. Der in dieser Vorschrift erwähnte Fall des § 33 a Abs. 1 Satz 1 liegt hier vor, weil der Kläger typische Unterhaltsaufwendungen an seinen Neffen geltend macht.

Eine Steuerermäßigung gemäß § 33 a Abs. 1 EStG scheidet im Streitfall aus, weil der Schwester des Klägers ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 1 bis 6 EStG zugestanden hat.

3. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65101

BFH/NV 1995, 216

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