Leitsatz (amtlich)

Hat ein Gewerbetreibender gegen eine Personengesellschaft Forderungen aus Warenlieferungen und tritt er als Gesellschafter in die Personengesellschaft ein, so verwandeln sich die Forderungen nicht ohne weiteres in steuerliches Eigenkapital. Etwas anderes gilt dann, wenn die geschuldeten Beträge mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis der Gesellschaft als Darlehen zur Verfügung gestellt oder vereinbarungsgemäß als Gesellschaftereinlage behandelt werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2, §§ 4, 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden im Veranlagungszeitraum 1967 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Ehemann (Kläger) war Inhaber der Firma I. Er erwarb im Streitjahr 1967 von 56 Gläubigern Forderungen aus Warenlieferungen gegen die M-KG, an der unter anderem die Klägerin als Kommanditistin beteiligt war und die am 9. November 1966 einen Vergleich angemeldet hatte. Die Vergleichsquote betrug 40 v. H. Die Gläubiger verkauften ihre durch den Vergleich auf 187 365 DM herabgesetzten Forderungen an den Kläger zu einem Preis von 117 422 DM, weil sich der Kläger bereit erklärt hatte, die Vergleichsforderungen mit 25 v. H. ihrer ursprünglichen Valuta sofort zu begleichen. Die Anschaffungskosten der Forderungen erfaßte der Kläger auf dem Konto "durchlaufende Posten".

Am 12. März 1967 starb M., ein Gesellschafter der GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der M.-KG war. Seine Anteile an der GmbH erwarb die Ehefrau des Klägers (Klägerin). Gleichzeitig erwarb der Kläger die übrigen Anteile an der GmbH. Der Kläger wurde Geschäftsführer der GmbH und damit gleichzeitig Geschäftsführer der M-KG.

Am 13. Dezember 1967 kaufte der Kläger die Kommanditbeteiligung der S an der M-KG. Damit lagen alle Anteile an der M.-KG in den Händen der beiden Kläger.

Bei Aufstellung des Jahresabschlusses 1967 im Jahre 1968 buchte der Kläger die Anschaffungskosten der aufgekauften Forderungen auf sein Privatkonto um. Den Unterschied zwischen den Anschaffungskosten und dem durch Vergleich herabgesetzten Nennbetrag (69 943 DM) betrachtete der Kläger als privaten Gewinn.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging demgegenüber davon aus, der Kläger habe in Höhe des streitigen Betrags von 69 943 DM in seinem Einzelunternehmen einen Gewinn erzielt.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat den Unterschiedsbetrag von 69 943 DM nicht als Gewinn aus Gewerbebetrieb behandelt und die Einkommensteuer 1967 entsprechend herabgesetzt. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, der Kläger habe allerdings die Vergleichsforderungen aus betrieblichen Erwägungen erworben. Dafur spreche, daß der Kläger mit der M-KG geschäftliche Beziehungen durch gegenseitige Warenlieferungen unterhalten habe. Der Kläger habe deshalb ein eigenes betriebliches Interesse an dem Fortbestand der M-KG gehabt. Das werde auch verdeutlicht durch mehrere Stützungsmaßnahmen des Klägers für die M-KG noch vor dem Erwerb der Forderungen (Gründung einer Gesellschaft, die den Vertrieb der Erzeugnisse des Einzelunternehmens und der KG übernommen habe, sowie Gewährung eines Darlehens von 80 000 DM). Doch auch wenn man davon ausgehe, daß die aufgekauften Forderungen zum Betriebsvermögen des Klägers gehörten, seien sie mit den Anschaffungskosten anzusetzen gewesen; eine Gewinnverwirklichung sei im Streitjahr nicht eingetreten. Gehe man weiter davon aus, daß die Forderungen nach dem Erwerb des Gesellschaftsanteils der Kommanditistin durch den Kläger als dessen Beteiligung an der M-KG zu bilanzieren gewesen seien, so seien sie als Eigenkapital der M-KG nur in Höhe der Anschaffungskosten von 117 422 DM auszuweisen gewesen. Dem Kläger sei kein höherer Einlagebetrag gutgeschrieben worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der mangelnde Sachaufklärung, ein Verstoß gegen den eindeutigen Inhalt der Akten und eine Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt werden. Das FA wendet sich gegen die Feststellung des FG, dem Kläger sei bei der Umwandlung der aufgekauften Forderungen gegen die M-KG in eine Beteiligung an dieser KG, die durch den Eintritt des Klägers als Gesellschafter bewirkt worden sei, kein höherer Gegenwert als die Anschaffungskosten der Forderungen gutgeschrieben worden. Die M-KG habe im Abschluß zum 31. Dezember 1968 nur die Anschaffungskosten des Klägers als Einlage gebucht und den Unterschied von 69 943 DM fälschlich als "Sanierungsgewinn" behandelt. Diesen "Sanierungsgewinn" habe die M-KG den Klägern je zur Hälfte zugerechnet und damit deren Kapitalkonten erhöht. Der ebenfalls an der M-KG beteiligten GmbH sei kein Gewinnanteil zugerechnet worden. Daraus ergebe sich, daß die M-KG keinen Gewinn nach dem Gewinnverteilungsschlüssel verteilt, sondern die Kapitalkonten der Kläger durch Einlagebuchungen aufgestockt habe. - Der Kläger und die M-KG hätten allerdings ein Wahlrecht gehabt, bei der Umwandlung der Forderungen in eine Beteiligung, die einen tauschähnlichen Vorgang darstelle, die stillen Reserven zu verwirklichen. Dieses Wahlrecht hätten die Beteiligten im Sinne der Gewinnverwirklichung ausgeübt. Denn bei der KG sei rechtskräftig festgestellt worden, daß der Betrag von 187 365 DM als Einlage (Gutschrift auf dem Kapitalkonto des Klägers) zu behandeln sei.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen (BdF) gelangte in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, daß im Zusammenhang mit dem Eintritt des Klägers als Kommanditist in die M-KG keine Gewinnrealisierung im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens stattgefunden habe. Weder habe der Kläger die zu diesem Zeitpunkt mit den Anschaffungskosten bilanzierten Kaufpreisforderungen in ein Darlehen umgewandelt, noch habe er sie in Erfüllung einer ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Einlageverpflichtung erlassen. Vielmehr seien die Forderungen in geschäftsüblicher Weise beglichen worden. Sie hätten ihren Charakter als Fremdgeschäfte nicht verloren.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

I.

Die vom FA geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Dies bedarf gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlastG - vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1861) keiner Begründung.

II.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung den Sachverhalt zum Teil anders dargestellt, als er sich nach den Feststellungen des FG ergibt. Insbesondere haben sie vorgetragen, daß der Kauf der Forderungen durch den Kläger von Anfang an in keinerlei Zusammenhang mit seinem Einzelunternehmen gestanden habe. Vielmehr habe der Kläger die Mittel zur Anschaffung dieser Forderungen dem Betriebsvermögen entnommen; die Anschaffung der Forderungen habe sich im privaten Bereich abgespielt.

Der Senat kann offenlassen, ob in diesen Ausführungen der Kläger eine Gegenrüge (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 10 D) zu erblicken ist und gegebenenfalls, ob diese in gehöriger Form (vgl. § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) erhoben und sachlich begründet ist. Denn der Betrag von 69 943 DM hat das Einkommen der Kläger im Streitjahr auf keinen Fall erhöht, unabhängig davon, ob man den Kauf der Forderungen als außerbetrieblichen oder als einen (durch die Interessen des Einzelunternehmens bedingten) betrieblichen Vorgang wertet.

1. Hätte der Kläger - wie er selbst vorträgt - die Forderungen aus privaten Gründen angeschafft (etwa, um die Kommanditbeteiligung seiner Ehefrau an der M-KG zu retten), so hätte der Ansatz eines durchlaufenden Postens in seiner Buchführung im Zeitpunkt des Forderungskaufes lediglich bedeutet, daß in Höhe des für den Kauf aufgewandten Betrages vorübergehend ein Gegenposten gebildet wurde. Eine Aktivierung der angekauften Forderungen selbst wäre darin nicht zu erblicken. Der hinter der formalen Buchung stehende private Charakter des Rechtsgeschäftes wäre in diesem Falle bei der Auflösung des durchlaufenden Postens zu Lasten des Privatkontos des Klägers in Erscheinung getreten. Tatsächlich hätte der Kläger bei der Gestaltung des Sachverhalts in Höhe des Betrages von 117 422 DM aus seinem Einzelunternehmen Mittel zur Finanzierung eines privaten Geschäftes entnommen. Der Vorgang hätte das Ergebnis des Einzelunternehmens nicht berührt.

2. Unterstellt man hingegen - ausgehend von den Feststellungen des FG -, daß der Kläger die Forderungen gegen die M.-KG im Interesse der geschäftlichen Beziehungen des Einzelunternehmens mit der M.-KG (also aus betrieblichem Anlaß) erworben hat, so dürften die Forderungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den tatsächlichen Anschaffungskosten bewertet werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, aus denen sich ergibt, daß im Streitjahr 1967 in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Nennbetrag der Forderungen (187 365 DM) und ihrem niedrigeren Buchwert (117 422 DM) eine Gewinnrealisierung (§§ 4, 5 EStG) eingetreten ist.

a) Hat jemand eine Geldforderung gegen eine Personengesellschaft und tritt er später als Gesellschafter in das Unternehmen der Personengesellschaft ein, so kann die (bisherige) Fremdforderung unter bestimmten Voraussetzungen einkommensteuerrechtlich zu Eigenkapital werden.

aa) Die (bürgerlich-rechtlich fortbestehende) Forderung kann sich in Eigenkapital verwandeln, wenn mit oder nach dem Eintritt des Forderungsinhabers als Gesellschafter die Voraussetzungen des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erfüllt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Januar 1975 I R 142/72, BFHE 115, 37, BStBl II 1975, 437). Dies trifft zu, wenn die Forderung nunmehr mit dem Gesellschaftsverhältnis in der Weise verknüpft wird, daß der Gesellschafter der Gesellschaft aus gesellschaftlichem Anlaß den geschuldeten Betrag zur Nutzung überläßt. Der Eintritt des Forderungsinhabers in die Gesellschaft bewirkt jedoch nicht stets eine Umwandlung der Forderung in Eigenkapital. Vielmehr können Forderungen und Verbindlichkeiten auch nach der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses den Charakter von Fremdgeschäften beibehalten (vgl. BFH-Urteile I R 142/72; vom 28. Januar 1976 I R 103/75, BFHE 118, 430, BStBl II 1976, 746; vom 22. Juni 1977 I R 8/75, BFHE 123, 127, BStBl II 1977, 798). Beruhen Forderungen auf Leistungen, die vor Eintritt des Forderungsinhabers in die Gesellschaft voll erbracht waren, so wird der Charakter der Forderung als (nicht gesellschaftsbedingte) Fremdforderung nicht verändert, wenn das Rechtsverhältnis nach Modalitäten abgewickelt wird, wie sie der Art des Rechtsgeschäftes üblicherweise entsprechen. Etwas anderes gilt, wenn die Forderung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nunmehr der Gesellschaft als Darlehen überlassen wird. Hierzu bedarf es indessen besonderer Umstände, sei es, daß Gesellschaft und Gesellschafter ausdrücklich oder stillschweigend ein Darlehen vereinbaren, sei es, daß der Gesellschafter die Forderung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht geltend macht.

bb) Aber auch der bürgerlich-rechtliche Untergang einer Forderung kann dazu führen, daß an ihre Stelle Eigenkapital des Gesellschafters tritt. Dieser Fall liegt vor, wenn die Forderung vereinbarungsgemäß als Gesellschaftereinlage behandelt wird (vgl. die Grundsätze des BFH-Urteils vom 15. Juli 1976 I R 17/74 BFHE 119, 285, BStBl II 1976, 748).

b) Keiner der dargelegten Tatbestände, die zu einer Gewinnverwirklichung im Einzelunternehmen des Klägers geführt haben könnten, ist im Streitjahr gegeben.

aa) Zum Zeitpunkt, in dem der Kläger Kommanditist der M.-KG geworden ist, waren die Leistungen, die die Forderungen begründet haben (Warenlieferungen der Zedenten), bereits erbracht. Das FG hat nicht festgestellt, daß der Kläger die geschuldeten Beträge der M.-KG mit oder nach seinem Eintritt in die Gesellschaft bereits im Jahre 1967 als Darlehen überlassen habe. Auch das FA hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.

bb) Der vom FG festgestellte Sachverhalt gibt auch keinen Anlaß zu der Annahme, daß der Kläger gegenüber der M.-KG im Jahre 1967 auf die Kaufpreisforderung verzichtet habe, insbesondere der Forderungsverzicht dem Kläger in der Bilanz der M.-KG auf den 31. Dezember 1967 als gesellschaftsrechtliche Einlage gutgeschrieben worden sei. Soweit sich das FA auf das Vorgehen der M.-KG bei Aufstellung ihrer Bilanz bezieht, handelte es sich nach dem eigenen Sachvortrag des FA um die Bilanz der M.-KG auf den 31. Dezember 1968. Nach der Darlegung des FA hat die M.-KG erst in dieser Bilanz dem Kläger die Forderung mit einem Betrag von 117 422 DM gutgeschrieben und den Unterschiedsbetrag von 69 943 DM als Sanierungsgewinn behandelt, der indessen vom FA nicht anerkannt worden sei. Rückschlüsse auf eine Gewinnrealisierung im Streitjahr lassen sich aus diesem Sachverhalt nicht ziehen.

2. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger bei Aufstellung seiner Bilanz auf den 31. Dezember 1967 im Jahre 1968 den auf dem Konto "durchlaufende Posten" festgehaltenen Betrag von 117 422 DM auf sein Privatkonto umgebucht. Falls in diesem Vorgang überhaupt eine Entnahme der Forderungen erblickt werden könnte, was einen entsprechenden Entnahmewillen des Klägers voraussetzen würde, so hätte es sich um einen laufenden Geschäftsvorfall des Jahres 1968 gehandelt, der die Buchführung, die Bilanz und den Gewinn des Streitjahres 1967 nicht berühren dürfte (zur Bedeutung der Entnahme als laufender Geschäftsvorfall vgl. BFH-Urteile vom 14. Juni 1967 VI 180/65, BFHE 89, 515, BStBl III 1967, 724; vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315).

 

Fundstellen

Haufe-Index 73227

BStBl II 1979, 673

BFHE 1979, 380

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