Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung von Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung eines GrESt-Bescheides

 

Leitsatz (NV)

1. An einer Sicherheitsleistung besteht kein öffentliches Interesse, wenn mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache eine für den Stpfl. günstige Entscheidung zu erwarten ist.

2. Die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk bzw. zum Erwerb im Bauherrenmodell sind bei einem Grundstückserwerb zu Sanierungszwecken nicht anzuwenden, wenn die auf Sanierung gerichteten Aktivitäten nicht von der Veräußerer-, sondern von der Erwerberseite entfaltet werden.

3. Die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 ist dann nicht anwendbar, wenn der ein Grundstück in die Gesamtheit einbringende Gesamthänder entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstückseinbringung seine Gesellschafterstellung überträgt oder beschränkt.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Tatbestand

Die Antrin. und Bgin. (Antrin.) ist im Jahre 1979 gegründet worden. Sie firmierte damals als Z-KG. Ihre Gesellschafter waren als persönlich haftende Gesellschafterin die Z-GmbH (Gesellschafter: A, B, C, D; Geschäftsführer: A) und als Kommanditist E. Ab Dezember 1982 bis zum 31. Dezember 1983 waren Kommanditisten B und D. Der Gesellschaftsvertrag ist am 17. Oktober 1983 geändert worden. Gesellschaftszweck waren nun

1. der Erwerb und die Bebauung der Grundstücke X-Straße und Y-Straße im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues mit Wohnhäusern sowie deren anschließende Verwaltung und

2. der Erwerb und die Sanierung gemäß § 17 II. WoBauG der Altwohnanlage S-Straße sowie deren anschließende Verwaltung.

Die persönlich haftende Gesellschafterin wurde nunmehr berechtigt und bevollmächtigt, das Gesellschaftskapital durch Aufnahme weiterer Kommanditisten bis zu einem Betrag von insgesamt . . . DM zu erhöhen. Die Dauer der Gesellschaft ist unbestimmt; das Gesellschaftsverhältnis kann erstmals zum 31. Dezember 1992 gekündigt werden.

In der Zeit vom 22. November bis zum 29. Dezember 1983 traten . . . Kommanditisten bei mit einem Kommanditfestkapital von . . . DM. Ihr Eintritt erfolgte aufgrund eines - bei Bauherrenmodellen üblichen - Prospekts vom 17. Oktober 1983, herausgegeben von der Z-KG, der Erwerb und Baumaßnahmen auf den genannten drei Grundstücken betraf. Noch im Jahre 1983 schloß die Antrin. - soweit ersichtlich - . . . im Rahmen von Bauherrenmodellen übliche Verträge ab. Am 29. November 1985 wurde die persönlich haftende Gesellschafterin ausgetauscht und der Firmenname in den jetzigen geändert.

Der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks S-Straße veräußerte das Grundstück am 13. Mai 1983 an die zum Konzernkreis A/B gehörige T-KG. Diese verkaufte es am 18. Okotber 1983 zu einem Kaufpreis von . . . DM an die Antrin.

Der Ag. und Bf. (das FA) setzte aufgrund des ihm zunächst allein bekannten Kaufvertrages vom 18. Oktober 1983 mit Bescheid vom 7. Dezember 1983 gegen die Antrin. GrESt in Höhe von . . . DM (2 v.H. aus . . . DM) fest. Aufgrund einer im Jahre 1987 durchgeführten Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, es liege ein einheitliches Vertragswerk vor mit der Folge, daß Gegenstand des Kaufvertrags das Grundstück im sanierten Zustand sei, und setzte nunmehr mit nach § 173 AO 1977 geändertem teilweise vorläufigem Bescheid vom 12. November 1987 aus einer Bemessungsgrundlage von . . . DM gegen die Antrin. GrESt in Höhe von . . . DM fest. Über den gegen den Änderungsbescheid eingelegten Einspruch ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

Die sich aufgrund des Änderungsbescheids ergebende zusätzliche GrESt in Höhe von . . . DM war am 15. Dezember 1987 fällig. Das FA setzte die Vollziehung insoweit durch Verfügung vom 8. März 1988 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gegen Sicherheitsleistung aus. Mangels Sicherheitsleistung forderte es die Antrin. durch Verfügung vom 12. August 1988 zur Zahlung auf. Daraufhin begehrte die Antrin. beim FG, die Vollziehung des GrESt-Bescheides vom 12. November 1987 in Höhe von . . . DM ohne Sicherheitsleistung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den eingelegten Einspruch, längstens bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache auszusetzen. Zur Begründung führte sie aus, der Kaufvertrag vom 18. Oktober 1983 habe nur das Grundstück in seinem damaligen tatsächlichen Zustand betroffen, sie als Erwerberin habe keinem Projektanbieter gegenübergestanden, sei vielmehr selbst Anbieterin gewesen und habe das Grundstück in eigener Regie modernisieren und instandsetzen wollen und habe dies auch getan. Wegen drohender Überschuldungsgefahr könne sie weder die Steuerforderung begleichen noch Sicherheit leisten.

Das FG hat dem Begehren der Antrin. teilweise stattgegeben und die Vollziehung des Änderungsbescheids vom 12. November 1987 ab 15. Dezember 1987 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in Höhe von . . . DM ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FG ausgeführt, das FA stütze sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BFH zu Bauherrenmodellen. Zwar sei der Streitfall einem Bauherrenmodell insofern ähnlich, als auch hier Interessenten geworben wurden, die (wohl) nur daran interessiert waren, Kapital als ,,Bauherren" zur Verfügung zu stellen und die Vorteile des . . .-Programms in Anspruch zu nehmen, ohne selbst auf die Sanierung einen nennenswerten Einfluß nehmen zu können. In grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht bestünden jedoch erhebliche Unterschiede. Nicht der Initiator habe Erwerbern ein Grundstück mit einem sanierten Gebäude ,,verschafft", sondern die Erwerberin - die Antrin. - habe sich selbst aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vorgänge durch die Initiatoren als Geschäftsführer das Vertragsbündel ,,aufgezwungen". Ein ,,Aufzwingen" sei hier nicht im Verhältnis Initiator/Grundstückserwerber geschehen, sondern erst später, nämlich im November und Dezember 1983, im Verhältnis Initiator/beitretende Kommenditisten und sei nicht mit dem hier grunderwerbsteuerrechtlich erfaßten Kaufvertrag verbunden gewesen, sondern mit einem später verwirklichten, mit dem angefochtenen Verwaltungsakt nicht erfaßten und nicht steuerbaren Wechsel im Personenstand.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt das FA, unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Entgegen der Auffassung des FG sei die Steuerfestsetzung insoweit nicht mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Die Gründung der Antrin. und die Einbringung des Grundstücks mit Kaufvertrag vom 18. Oktober 1983 durch die Initiatoren und der fast gleichzeitige Austritt der Altgesellschafter D und B im Rahmen der von den Initiatoren veranlaßten Kapitalerhöhung seien als Teile eines einheitlichen Erwerbsvorgangs mit dem sanierten Grundstück als Vertragsgegenstand i. S. des BFH-Urteils vom 13. April 1988 II R 134/86 (BFHE 153, 241, BStBl II 1988, 735) anzusehen. Dieser Entscheidung sei ein allgemeiner Grundsatz dahingehend zu entnehmen, daß eine formalistische Betrachtung im GrESt-Recht immer dann nicht erfolgen solle, wenn sich zum Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerbaren Vorgangs die unmittelbar daran anschließende Gestaltung bereits manifestiere, d. h. der Geschehensablauf sich nach vorgefaßtem Plan entwickle.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist unbegründet.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß kein öffentliches Interesse an einer Sicherheitsleistung besteht, wenn mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache eine für den Steuerpflichtigen günstige Entscheidung zu erwarten ist (vgl. BFH-Entscheidungen vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127, und vom 13. Oktober 1988 IV R 220/85, BFHE 154, 532, BStBl II 1989, 39). Es hat auch zutreffend entschieden, daß der angefochtene GrESt-Bescheid im Ausmaß seiner Anfechtung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist.

Angefochten ist der Bescheid vom 12. November 1987, der den GrESt-Bescheid vom 7. Dezember 1983 änderte. Mit beiden Bescheiden sollte - wie sich aus der Begründung eindeutig ergibt - der notariell beurkundete Kaufvertrag vom 18. Oktober 1983 besteuert werden. Dieser Vertrag ist ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der GrESt unterliegendes Rechtsgeschäft, für das sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung bemißt (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 gilt bei einem Kauf als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Zutreffend ist demgemäß der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage herangezogen worden. Die mit dem angefochtenen Bescheid (erstmals) erfolgte Einbeziehung weiterer Beträge in die Bemessungsgrundlage findet jedoch bei summarischer Überprüfung im Gesetz keine Stütze.

In dem zwischen der T-KG und der Antrin. abgeschlossenen Kaufvertrag vom 18. Oktober 1983 wurden über den Kaufpreis hinaus - soweit ersichtlich - keine weiteren Gegenleistungen vereinbart. Auch gibt der Sachverhalt keinen Anlaß für das Vorliegen von Leistungen i. S. des § 9 Abs. 2 GrEStG 1983. Die mit der Sanierung des Grundstücks zusammenhängenden Aufwendungen können daher bei summarischer Prüfung nicht in die Bemessungsgrundlage für diesen der GrESt unterliegenden Vorgang einbezogen werden.

Auch die Grundsätze der vom erkennenden Senat entwickelten Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk bzw. zum ,,Erwerb im Bauherrenmodell" (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, und vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333, jeweils m.w.N.) führen zu keinem anderen Ergebnis, weil sie sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwenden lassen. Denn im vorliegenden Fall ist das Grundstück von der T-KG mit noch nicht saniertem Gebäude verkauft worden und auch in diesem Zustand bei der Erwerberin - der Antrin. - angekommen. Die Aktivitäten zur Sanierung wurden - das ist der maßgebliche Unterschied zu den der angeführten Rechtsprechung zugrunde liegenden Sachverhalten - nicht von der Veräußererseite, sondern allein von der Erwerberseite entfaltet. Damit aber fehlt es an den entscheidenden sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung.

Die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 24. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429 und in BFHE 154, 532, BStBl II 1989, 39) dann nicht anwendbar, wenn der ein Grundstück in eine Gesamthand einbringende Gesamthänder entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstückseinbringung seine Gesellschafterstellung überträgt oder beschränkt. Der Einbringende wird dabei so behandelt, als sei er zum Zeitpunkt der Einbringung bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden bzw. nur noch geringfügiger beteiligt. Schlußfolgerungen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergeben sich daraus entgegen der Auffassung des FA jedoch nicht. Zu beurteilen ist der Kaufvertrag vom 18. Oktober 1983. Für dessen grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung ist es ohne Belang, wer Gesellschafter der Antrin. war. Auf die Frage, welcher Zeitpunkt für einen Gesellschafterwechsel grunderwerbsteuerrechtlich maßgeblich ist, kommt es daher nicht an. Schon aus diesem Grund führt auch der Hinweis des FA auf diese Rechtsprechung für den vorliegenden Fall zu keinem Ergebnis.

Schließlich können auch die der Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk und der zu § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 zugrunde liegenden Gedankengänge nicht dahingehend ,,zusammengefaßt" werden, daß im vorliegenden Fall das von Anfang an geplante Endergebnis (vermögensmäßige Beteiligung der später eingetretenen Kommanditisten an einem Grundstück mit saniertem Gebäude) für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung maßgeblich wird. Eine derartige Betrachtungsweise wäre - ungeachtet der zivilrechtlichen Gestaltung - durch den wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs nicht gedeckt. Grunderwerbsteuerrechtlich zu berurteilen ist der Kaufvertrag zwischen der T-KG und der Antrin., dessen wirtschaftlicher Gehalt sich in der Übertragung des Grundstücks in dem Zustand, den es am 18. Oktober 1983 hatte, erschöpft. Die personelle Verflechtung an der Realisierung des Sanierungsvorhabens beteiligter Vertragspartner ändert daran nichts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416573

BFH/NV 1990, 594

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