Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform ist verfassungsgemäß

 

Leitsatz (amtlich)

1. An der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG bestehen keine ernstlichen Zweifel.

2. Dies gilt auch für die Gewerbesteuerpflicht einer Mitunternehmerschaft, an der neben freiberuflich tätigen Mitunternehmern eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, deren Gesellschafter und (hier) Geschäftsführer wiederum sämtlich freiberuflich tätig sind.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; GewStG § 2 Abs. 2; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG des Landes Sachsen-Anhalt (Entscheidung vom 19.08.2003; Aktenzeichen 4 V 108/02; EFG 2003, 1640)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 19.04.2004; Aktenzeichen 1 BvR 549/04)

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). In den Streitjahren 1995 bis 2000 waren nicht nur mehrere Rechtsanwälte Gesellschafter der GbR, sondern auch eine Wirtschafts- und Steuerberatungs-GmbH (GmbH), auf die 79 v.H. der Anteile an der GbR entfielen.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) behandelte die Antragstellerin wegen der Beteiligung der GmbH als Gewerbebetrieb und erließ Gewerbesteuermessbescheide. Gegen die Bescheide für 1995 bis 1999 hat die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben. Über den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2000 ist noch nicht entschieden.

Nach Ablehnung der Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) durch das FA hatte ein beim Finanzgericht (FG) gestellter Antrag Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2003, 1640).

Das FG führte aus, es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Antragstellerin zur Gewerbesteuer heranzuziehen sei. Eine Personengesellschaft, zu der sich Angehörige eines freien Berufs zur Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit zusammengeschlossen hätten, könne freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tätig sein, wenn alle Gesellschafter in ihrer Person die Tatbestandsvoraussetzungen der Freiberuflichkeit erfüllten. Alle Gesellschafter der Antragstellerin einschließlich der GmbH erfüllten diese Voraussetzungen.

Im summarischen Verfahren sei davon auszugehen, dass die GmbH mitunternehmerisch und nicht als typisch stille Gesellschafterin an der Antragstellerin beteiligt sei, denn sie habe die Anteile von einem ausscheidenden Gesellschafter erworben und sei in dessen Stellung eingerückt. Ob der Kaufvertrag infolge eines Verstoßes gegen Berufsrecht nichtig sei, könne dahinstehen, weil die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Kaufvertrags hätten eintreten und bestehen lassen.

Nach der ―im summarischen Verfahren nicht zu bezweifelnden― Behauptung der Antragstellerin seien an der GmbH nur Freiberufler beteiligt und für sie als Geschäftsführer tätig gewesen. § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ordne seinem Wortlaut nach zwar auch für eine derartige GmbH an, dass die Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb seien. Soweit die Regelung jede Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Inhalt im Wege einer Fiktion zum Gewerbebetrieb erkläre, verstoße sie aber gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem zur Umsatzsteuer ergangenen Beschluss vom 10. November 1999 2 BvR 2861/93 (BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160; "Schwarzwaldklinik") Rechtsgrundsätze aufgestellt, die auch auf die Gewerbesteuer übertragen werden könnten. Die Rechtsform des Unternehmers sei nach dieser Entscheidung kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung, denn der umsatzsteuerliche Belastungsgrund ziele auf jeden Unternehmer, unabhängig von dessen Rechtsform. Bezogen auf die Gewerbesteuer erweise sich die Anknüpfung an die Rechtsform des Betriebs ebenfalls als nicht sachgerecht. Die innere Rechtfertigung für die Gewerbesteuer werde traditionell darin gesehen, dass den Gemeinden durch typische Gewerbebetriebe besondere Lasten entständen (z.B. durch Straßenbau, Baulanderschließung, öffentliche Verkehrsmittel, Krankenhäuser). Land- und Forstwirtschaft, selbständige Arbeit und Vermögensverwaltung verursachten solchen Aufwand jedenfalls nicht in demselben Maß wie Gewerbebetriebe. Deshalb sei die Anknüpfung an die Rechtsform nicht sachgerecht, sondern willkürlich.

Mit der Beschwerde, die das FG zugelassen und der es nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, die Rechtsform stelle für die Frage der Gewerbesteuerpflicht einen sachlichen Differenzierungsgrund i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG dar. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG sehe bewusst eine uneingeschränkte Gewerbesteuerpflicht jeder GmbH vor. Die konkrete Tätigkeit solle unbeachtlich sein, um die schwierige Abgrenzung zu den nicht gewerblichen Tätigkeiten entfallen zu lassen. Bereits darin sei ein sachlicher Differenzierungsgrund zu sehen. Außerdem bewirke die Regelung einen Gleichlauf mit dem Körperschaftsteuerrecht, denn auch § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) knüpfe an die Rechtsform an.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei § 2 Abs. 2 GewStG verfassungskonform. Insbesondere stehe Art. 3 Abs. 1 GG einer Behandlung von Kapitalgesellschaften als Gewerbebetrieb ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit nicht entgegen (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1976 I R 148/74, BFHE 120, 265, BStBl II 1977, 10; vom 8. Juni 1977 I R 40/75, BFHE 122, 318, BStBl II 1977, 668). Die Rechtsgrundsätze des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160 seien auf die Gewerbesteuer nicht übertragbar. Umsatzsteuerliche Grundsätze könnten schon aus rechtssystematischen Gründen nicht ohne Weiteres auf das Ertragsteuerrecht übertragen werden. Außerdem sei es bei der Umsatzsteuerfrage um eine Steuerbefreiung gegangen, während hier ein steuerbegründender Tatbestand zu beurteilen sei. Die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG hänge außerdem mit den Besonderheiten zusammen, die gerade die Rechtsform des Betriebs mit sich bringe. Die Rechtsform der GmbH gewähre einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft eine Rechtsposition, die im Wettbewerb mit Freiberuflern ins Gewicht falle, denn sie mache das Unternehmen unabhängig vom Wechsel seiner Mitglieder und ermögliche den Fortbestand des Firmennamens auch nach Ausscheiden eines Gesellschafters. Die Ungleichbehandlung gegenüber Personenunternehmen sei deshalb im Hinblick auf das Handelsrecht unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung gerechtfertigt. Im Übrigen habe das BVerfG alle verfassungsmäßigen Bedenken zur Fiktion einer Kapitalgesellschaft als Gewerbebetrieb mit seinem Beschluss vom 21. März 1977 1 BvR 1/77 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1977, Nr. 264) ausgeräumt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Anträge auf AdV abzulehnen.

Die Antragstellerin hat keine Stellungnahme abgegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung der Anträge auf AdV.

Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH entfaltet eine Mitunternehmerschaft nur dann eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn alle ihre Mitunternehmer freiberuflich tätig sind (vgl. etwa Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteile vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 23. November 2000 IV R 48/99, BFHE 193, 482, BStBl II 2001, 241). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn an einer Personengesellschaft auch eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Denn eine Kapitalgesellschaft kann die Merkmale eines freien Berufs nicht erfüllen, weil ihre Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets als Gewerbebetrieb gilt.

2. Der beschließende Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG.

a) Der BFH hat mehrfach entschieden, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, die Tätigkeit jeder Kapitalgesellschaft als gewerblich anzusehen, keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG darstellt (BFH-Urteile in BFHE 120, 265, BStBl II 1977, 10, und in BFHE 122, 318, BStBl II 1977, 668). Die gegen diese Entscheidungen eingelegten Verfassungsbeschwerden wurden nicht zur Entscheidung angenommen (Beschlüsse des BVerfG in HFR 1977, Nr. 264, und vom 23. Dezember 1977 1 BvR 715/77, HFR 1978, Nr. 78).

Es ist daran festzuhalten, dass Kapitalgesellschaften sich von natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften in der Rechtsordnung so wesentlich unterscheiden, dass ihre Behandlung als Gewerbebetrieb ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit im Einzelnen sachlich gerechtfertigt erscheint. Infolge ihrer Ausstattung mit einem Mindestkapital (§ 7 des Aktiengesetzes ―AktG―; § 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―) und ihrer Unabhängigkeit von Art und Zahl der Mitglieder (§ 1 AktG; § 13 Abs. 1 GmbHG) sind Kapitalgesellschaften Gebilde mit eigener wirtschaftlicher Kraft und zur wirtschaftlichen Betätigung bestimmt.

b) Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass sich aus dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160 die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform ergebe. Diesem Beschluss zufolge verbietet der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine allein nach der Rechtsform eines Unternehmens differenzierende Umsatzsteuerbefreiung. Die Entscheidung stellt darauf ab, dass nach der Konzeption des Umsatzsteuerrechts eine Umsatzsteuerbefreiung nicht von der Rechtsform des Leistenden abhängig gemacht werden dürfe, denn systemgerecht seien nur Vergünstigungen im Interesse der Verbraucher, nicht aber einzelner Unternehmergruppen. Eine solche Konzeption, die ein Anknüpfen an die Rechtsform verbietet, liegt dem Gewerbesteuerrecht jedoch nicht zugrunde. Sie kann insbesondere nicht aus dem Äquivalenzprinzip abgeleitet werden.

Die Rechtsprechung des BVerfG steht auch nicht der Behandlung einer Mitunternehmerschaft als Gewerbebetrieb entgegen, wenn an ihr neben freiberuflich tätigen Mitunternehmern eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Zwar hat das BVerfG im Zusammenhang mit dem Beschluss in BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160 auch entschieden, eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes dürfe nicht mit der Begründung versagt werden, der Unternehmer übe mangels beruflicher Qualifikation keinen freien Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus (BVerfG-Beschlüsse vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155, und vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92, BStBl II 2000, 158). Der beschließende Senat hat diese Grundsätze jedoch für nicht auf das Einkommen- und Gewerbesteuerrecht übertragbar gehalten (Urteile vom 29. November 2001 IV R 65/00, BFHE 197, 228, BStBl II 2002, 149, und vom 19. September 2002 IV R 45/00, BFHE 200, 317, BStBl II 2003, 21). Die gegen das letztgenannte Senatsurteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 9. Juli 2003 1 BvR 2317/02). Dementsprechend kann aus den Entscheidungen des BVerfG zur Umsatzsteuer auch nicht auf die Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuerpflicht von Mitunternehmerschaften, an denen eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, geschlossen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1109705

BFH/NV 2004, 585

BStBl II 2004, 303

BFHE 2004, 290

BFHE 204, 290

BB 2004, 482

DB 2004, 465

DStR 2004, 349

DStRE 2004, 368

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