Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachholbarkeit des Belegnachweises bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Unternehmer innergemeinschaftliche Lieferungen i.S. des § 6a Abs. 1 UStG 1999 ausgeführt und den nach § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG 1999, § 17c UStDV 1999 erforderlichen Buchnachweis rechtzeitig und vollständig erbracht, kann der nach § 17a UStDV 1999 erforderliche Belegnachweis bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG nachgeholt werden.
Normenkette
UStG 1999 § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, 3, § 14 Abs. 2, § 14a Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 3, § 25a; UStDV 1999 §§ 17a, 17c, 31 Abs. 5; EWGRL 388/77 Art. 22 Abs. 3 Buchst. a S. 2, Buchst. b, Abs. 8, Art. 26a Teil B, Art. 26a Teil D Buchst. b, c, Art. 28a Abs. 1 Buchst. a, Art. 28c Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 28h
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligen streiten darüber, ob Lieferungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999), § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV 1999) steuerfrei sind.
Der Kläger betrieb von März 1998 bis November 2000 einen Handel mit gebrauchten Kfz. Im Streitzeitraum (Januar und Februar 2000) lieferte er 13 gebrauchte Kfz, die er zuvor mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erworben hatte, nach Italien. In den Rechnungen an die italienischen Abnehmer, die mit seiner und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Erwerber versehen waren, wies er keine Umsatzsteuer gesondert aus. Er brachte neben dem Rechnungsbetrag den Vermerk "Verkauf nach Art. 25a" an. Die italienischen Abnehmer wendeten auf die gelieferten Kfz in Italien die Regelungen der Differenzbesteuerung nach italienischem Recht an.
In den Umsatzsteuervoranmeldungen für den Streitzeitraum Januar und Februar 2000 behandelte der Kläger die 13 Kfz-Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Die entsprechenden Belege für die Lieferungen nach Italien und die Nachweise in der Buchführung lagen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) stimmte den Voranmeldungen zunächst zu, behandelte die Kfz-Lieferungen jedoch nach Durchführung einer Außenprüfung in den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für Januar und Februar 2000 als steuerpflichtig, weil die Erwerber in Italien den innergemeinschaftlichen Erwerb nicht versteuert hätten. Die Einsprüche des Klägers blieben erfolglos.
Im Laufe des Klageverfahrens berichtigte der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Rechnungen über die Kfz-Lieferungen dahin gehend, dass die Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei seien.
Das FG wies die Klage ab. Es vertrat in seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2004, 530 veröffentlichten Urteil die Auffassung, der Kläger habe die innergemeinschaftlichen Lieferungen der Kfz im Streitzeitraum nicht gemäß § 6a Abs. 3, § 17a UStDV 1999 nachgewiesen; denn die gemäß § 6a Abs. 3 UStG 1999, § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV 1999 für den Belegnachweis erforderlichen Doppel der Rechnungen an die italienischen Abnehmer hätten damals nicht vorgelegen. Mit den zunächst erstellten Rechnungen mit dem Vermerk "Verkauf nach Art. 25a" habe der Kläger den Belegnachweis nicht führen können, weil er nach § 14a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 in den Rechnungen auf die Steuerbefreiung hätte hinweisen müssen.
Mit der Rechnungsberichtigung, die der Kläger während des Klageverfahrens vorgenommen habe, habe er zwar später einen ordnungsgemäßen Belegnachweis steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen erbracht, weil der Nachweis der tatsächlichen Erwerbsbesteuerung in Italien für die Gewährung der Steuerbefreiung nicht erforderlich sei. Die Berichtigung der Rechnungen wirke jedoch entsprechend § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1999 a.F. nicht auf den Streitzeitraum zurück. Zwar sei anerkannt, dass der Belegnachweis bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG geführt werden könne. Weil der Kläger das FA zunächst nicht auf den Mangel hingewiesen habe, könne er die Steuerbefreiung dennoch nicht beanspruchen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die 13 Kfz-Lieferungen nach Italien seien gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG 1999 steuerfrei, weil die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erfüllt seien. Die Fahrzeuge seien tatsächlich nach Italien befördert worden, sie seien für die Erwerber als Unternehmer und für deren Unternehmen bestimmt gewesen und sie hätten in Italien der Umsatzbesteuerung unterworfen werden können. Er, der Kläger, habe als liefernder Unternehmer die Tatbestandsvoraussetzungen auch gemäß § 6a Abs. 3 UStG 1999, § 17a UStDV 1999 nachgewiesen. Zwar sei in den ursprünglichen Rechnungen nicht gemäß § 14a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 auf die Steuerfreiheit der Lieferungen hingewiesen worden. Dies führe jedoch nicht zur Versagung der Steuerbefreiung. Überdies habe er mittlerweile die Rechnungen berichtigt. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei Ausfuhrlieferungen seien beim Belegnachweis Belege noch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beibringbar. Wenn der Unternehmer später die Nachweisunterlagen vervollständige und damit die materielle Rechtslage mit dem Inhalt der Steueranmeldung übereinstimme, sei eine Berichtigung der zuvor unrichtigen Steueranmeldungen nicht mehr veranlasst.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung des FA vom 30. November 2001 und die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Januar und Februar 2000 vom 1. Dezember 2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Steuerbefreiung der 13 innergemeinschaftlichen Lieferungen sei im Streitzeitraum mangels Belegnachweises weiterhin zu versagen, obwohl der Kläger mittlerweile zutreffende Rechnungen erteilt hat.
1. Das FG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger innergemeinschaftliche Lieferungen ausgeführt hat und die Lieferung der 13 Kfz nicht unter § 25a UStG 1999 fällt.
a) Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG 1999 liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung u.a. dann vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat und der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt.
b) Alle drei Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Nach den Feststellungen des FG waren die 13 Kfz an Unternehmer in Italien gelangt. Die Abnehmer als Unternehmer haben die 13 Kfz für ihre jeweiligen Unternehmen erworben.
Ihr innergemeinschaftlicher Erwerb unterliegt ferner nach Art. 28 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in Italien den Vorschriften der Umsatzsteuer. Anders wäre es nur dann, wenn der Kläger die Lieferungen im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hätte (vgl. Art. 26a Teil D Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG 1999). Denn dann würde der innergemeinschaftliche Erwerb in Italien nach Art. 26a Teil D Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. § 25a Abs. 7 Nr. 2 UStG 1999) nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Die Anwendung der Differenzbesteuerung ist aber nach Art. 26a Teil B Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG 1999) ausgeschlossen, weil der Kläger die Kfz von anderen Unternehmern steuerpflichtig erworben und aus den Eingangsrechnungen den Vorsteuerabzug vorgenommen hat.
Auf den Umstand, ob die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Italien tatsächlich durchgeführt wurde, kommt es insoweit nicht an (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 6a Anm. 50; Weymüller in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz. 9; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 29. März 1996, BStBl I 1996, 458, Abs. 4 Satz 3).
Liegen danach die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG 1999 im Streitfall vor, schuldet der Kläger für die Kfz-Lieferungen grundsätzlich keine Umsatzsteuer (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH― vom 3. März 2004 C-395/02, Transport Service, Slg. 2004, I-1991, RandNr. 19).
2. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Steuerbefreiung der Lieferungen im Streitzeitraum nicht beansprucht werden kann. Der Kläger hat den zunächst fehlenden Belegnachweis durch Ergänzung der Rechnung zulässigerweise nachgeholt. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben.
a) Art. 28c Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG gestattet den Mitgliedstaaten, zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung und zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch Bedingungen festzulegen, unter denen die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung zu gewähren ist. In Ausfüllung dieser Befugnis (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616, unter II.2.b) verlangt § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999, dass die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung vom Unternehmer nachgewiesen werden müssen. Das BMF kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat (§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG 1999). Dazu ist nach § 17c UStDV 1999 zum einen ein ―im Streitfall vorliegender― buchmäßiger Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung erforderlich. Zum anderen ist in § 17a UStDV 1999 bestimmt worden, dass der Unternehmer den Nachweis belegmäßig führen muss (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 25. November 2005 V B 75/05, BFH/NV 2006, 447). Solange der Belegnachweis nicht geführt ist, kann eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht als steuerfrei behandelt werden (BFH-Beschluss vom 2. April 1997 V B 159/96, BFH/NV 1997, 629).
aa) § 17a UStDV 1999 bestimmt:
"(1) Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a Abs. 1 des Gesetzes) muss der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben.
(2) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber wie folgt führen:
1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes), …
(4) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber wie folgt führen:
1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes)"
bb) Die hierdurch in Bezug genommene Vorschrift des § 14a UStG 1999 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601) lautete auszugsweise wie folgt:
"(1) Führt der Unternehmer steuerfreie Lieferungen im Sinne des § 6a aus, so ist er zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist. …"
Der Gesetzgeber hatte mit dieser Vorschrift Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Satz 2, Buchst. b, Abs. 8, Art. 28h der Richtlinie 77/388/EWG in der im Streitjahr noch geltenden Fassung vor In-Kraft-Treten der Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 15 vom 17. Januar 2002, S. 24) umgesetzt, die bestimmten:
"(3) a) … Jeder Steuerpflichtige hat … eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen … für unter den Bedingungen des Art. 28c Teil A ausgeführte Lieferungen von Gegenständen. …
b) Die Rechnung muss getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie gegebenenfalls die Steuerbefreiung ausweisen.
Die Rechnung muss außerdem folgendes ausweisen:
- …
- für die in Art. 28c Teil A Buchst. a) genannten Umsätze die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Steuerpflichtigen im Inland sowie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers in einem anderen Mitgliedstaat, …
(8) Die Mitgliedstaaten können unter Beachtung der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen im Inland und zwischen Mitgliedstaaten bewirkten Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen."
cc) Die Ausstellung einer Rechnung, die den Anforderungen des § 14a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 genügt, also ―anders als zunächst im Streitfall― einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung nach § 6a UStG 1999 enthält, ist nach dem Wortlaut des § 17a Abs. 2 UStDV 1999 ("soll") keine zwingende Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Lieferung nach § 6a UStG 1999 (vgl. z.B. Birkenfeld in Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 166 Rz. 17 f.; Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/ Geist, a.a.O., § 14a Rz. 34; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 14a Rz. 82; Wäger, UStB 2004, 206, 207; Widmann in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 14a UStG a.F. ―Bd. III―, Rz. 42; Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, § 14a Rz. 8; a.A. Leonard in Bunjes/Geist, a.a.O., § 6a Rz. 36 a.E.).
§ 17a Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1 UStDV 1999 sind Sollvorschriften, so dass der Unternehmer den Belegnachweis auch abweichend von § 17a Abs. 2 bis 4 UStDV 1999 führen kann, wenn er die zwingenden Grundsätze des § 6a Abs. 3 Satz 1, § 17a Abs. 1 UStDV 1999 beachtet (vgl. BRDrucks 633/92, S. 39). Deshalb ist der Belegnachweis nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999, § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV 1999 auch dann als geführt anzusehen, wenn der Unternehmer durch andere Belege mit einer gleichwertigen Aussagekraft die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG 1999 eindeutig und leicht nachprüfbar nachweist (ähnlich zum Ausfuhrnachweis BFH-Urteil vom 4. Juni 1987 V R 143/79, BFH/NV 1988, 125, unter II.1.d; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 6a Rz. 69). Auch dann ist den in Art. 28c Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG niedergelegten Zielen Genüge getan.
b) Gemessen daran ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger den erforderlichen Belegnachweis zunächst nicht erbracht hatte.
Er hatte nämlich nach der tatsächlichen Würdigung des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen ist und den Senat deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO bindet, im Streitzeitraum Rechnungen über steuerpflichtige Lieferungen im Rahmen der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG 1999) ausgestellt; die Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung lagen aber nicht vor (vgl. zu II.1.b).
Mit solchen Rechnungen kann der erforderliche Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht geführt werden; denn sie enthalten weder einen dem § 14a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 gleichwertigen Hinweis auf die Steuerfreiheit noch ergibt sich aus ihnen ―was auch bei einem von § 17a Abs. 2 bis 4 UStDV 1999 abweichenden Belegnachweis nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999, § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV 1999, Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG erforderlich ist― eindeutig und leicht nachprüfbar, dass steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen ausgeführt wurden.
c) Der zunächst fehlende Belegnachweis nach § 17a UStDV 1999 liegt jedoch mittlerweile vor; der Kläger hat den zunächst fehlenden Teil des Belegnachweises nach den tatsächlichen Feststellungen des FG im Klageverfahren erbracht. Entgegen der Auffassung des FG wirkt sich dies auf die unter b) dargestellte rechtliche Beurteilung im Streitzeitraum aus.
aa) Bei Ausfuhrlieferungen kann der erforderliche Belegnachweis bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG nachgeholt werden, wenn der Steuerpflichtige den Buchnachweis rechtzeitig geführt hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. Dezember 1994 XI R 70/93, BFHE 176, 494, BStBl II 1995, 515, unter II.4.; vom 28. Februar 1980 V R 118/76, BFHE 130, 118, BStBl II 1980, 415, unter I.4. und 5.). Dies gilt angesichts des identischen Wortlauts der einschlägigen Vorschriften auch für den Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 V R 59/03, BFHE 208, 502, BStBl II 2005, 537, unter II.1.c; s. auch BFH-Urteil in BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616, unter II.2.a).
Demnach hat der Kläger, der nach den Feststellungen des FG den Buchnachweis rechtzeitig geführt hatte, den zunächst unrichtigen Beleg (Rechnung ohne Hinweis auf die Steuerfreiheit) zulässigerweise nachträglich richtig gestellt.
bb) Entgegen der Auffassung des FG folgt aus § 14 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1999 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (UStG 1999 a.F.) keine andere Beurteilung.
§ 14 Abs. 2 UStG 1999 a.F. lautete wie folgt:
"(2) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, so ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden."
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1999 a.F. nicht vor.
Der Kläger hatte nach den Feststellungen des FG den Abnehmern zwar zunächst Rechnungen über einen (nach § 25a UStG 1999) steuerpflichtigen und nicht über einen (nach § 6a UStG 1999) steuerfreien Umsatz erteilt. Er hatte aber in den Rechnungen keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, die er als "Mehrbetrag" bis zur Berichtigung der Rechnungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1999 a.F. vorübergehend schulden könnte. Deshalb ist auch kein "Steuerbetrag" vorhanden, der nach § 14 Abs. 2 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1999 a.F. (erst) in einem späteren Voranmeldungszeitraum zu berichtigen sein könnte. Die Berichtigungen des Klägers wirken deshalb auf den Zeitpunkt der Erteilung der ursprünglichen Rechnungen zurück (vgl. Widmann in Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 14 Rz. 114; Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 14 Rz. 486).
3. Die Sache ist spruchreif. Die Kfz-Lieferungen sind als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei. Die angefochtenen Änderungsbescheide und die Einspruchsentscheidung sind deshalb ersatzlos aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 1514432 |
BFH/NV 2006, 1424 |
BStBl II 2006, 634 |
BFHE 2006, 148 |
BFHE 213, 148 |
BB 2006, 1308 |
DB 2006, 1253 |
DStR 2006, 988 |
DStRE 2006, 768 |
DStZ 2006, 429 |
HFR 2006, 805 |
UR 2006, 397 |