Entscheidungsstichwort (Thema)
(Neuer einfuhrumsatzsteuerlicher Einfuhrbegriff (Binnenmarkt): kein Einfluß auf TruzG, Truppenabgabenrecht von Gemeinschaftsrecht nicht berührt)
Leitsatz (amtlich)
§ 1 Abs.1 Nr.4 UStG 1993 läßt die truppenabgabenrechtliche Regelung in § 4 Abs.1 TruZG unberührt. Auch nach Vollendung des Binnenmarktes entsteht für umsatzsteuerlich entlastetes, in den freien Verkehr gelangendes Gut der Truppe eines anderen EU-Mitgliedstaates oder ihrer Angehörigen nach Maßgabe von § 4 TruZG die Einfuhrumsatzsteuer in der Person des Erwerbers.
Normenkette
TrZG 1962 § 4 Abs. 1-2; UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die den Kraftfahrzeughandel betreibt, erwarb 1993 von Angehörigen der französischen Streitkräfte in Deutschland gebrauchte, abgabenfrei eingeführte Personenkraftwagen. Das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) setzte dieserhalb gegen die Klägerin Einfuhrumsatzsteuer fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Einfuhrumsatzsteuer sei gemäß § 4 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Nr.1 Buchst.a des Truppenzollgesetzes 1962 (TruZG) jeweils durch Entnahme aus der bleibenden Zollgutverwendung der Veräußerer in der Person der Klägerin entstanden. Diese Rechtsfolge ergebe sich auch nach dem 1. Januar 1993 (Binnenmarkt). Zwar unterliege seither der Erwerb eines gebrauchten Kraftwagens von einem Nichtunternehmer in einem anderen Mitgliedstaat weder der Einfuhrumsatzsteuer noch der (inneren) Umsatzsteuer, doch treffe der Grund dieser Regelung nach den maßgebenden truppenzollrechtlichen Vorschriften über eine personenbezogene Abgabenfreiheit nicht zu. § 1 Abs.1 Nr.4 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- (i.d.F. des UStG-Binnenmarktgesetzes vom 25. August 1992, BGBl I 1992, 1548, BStBl I 1992, 552) stehe der Abgabenerhebung nicht entgegen: diese Vorschrift besage nicht, daß auf Waren nur bei Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet Einfuhrumsatzsteuer erhoben werden könne. Jedenfalls bleibe § 4 Abs.1 Satz 1 TruZG anwendbar, da das Truppenzollrecht auch hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer nicht unter den Regelungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle.
Mit der Revision bringt die Klägerin vor, § 4 Abs.1 TruZG könne ab 1. Januar 1993 keine Geltung mehr beanspruchen, soweit es sich um Mitglieder von Streitkräften und Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten handele. In diesem Falle sei die Entnahme aus der Zollgutverwendung umsatzsteuerrechtlich wie ein --hier indes nicht zu besteuernder-- innergemeinschaftlicher Erwerb zu behandeln. Eine zur Einfuhrumsatzsteuer führende Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet liege nicht vor. Unbeschadet der im Truppenzollrecht getroffenen Sonderregelung enthalte das geltende Umsatzsteuerrecht keine Vorschrift über die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer in Fällen der streitigen Art. Die Vorschriften für Zölle seien nicht anwendbar.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Anfechtungsklage aus im wesentlichen zutreffenden Gründen abgewiesen. Die Einwendungen der Klägerin vermögen eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
Richtig hat das FG ausgeführt, daß eine Besteuerung nach dem UStG 1993 nicht in Betracht kommt. Insbesondere liegt kein Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs (§ 1 Abs.1 Nr.5 UStG) vor. Hiervon geht ersichtlich auch das HZA aus. Gestritten wird darüber, ob die Besteuerung mit Einfuhrumsatzsteuer erfolgen durfte. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerin, die eine solche Besteuerung im Hinblick auf die Einengung des Steuertatbestandes in § 1 Abs.1 Nr.4 UStG 1993 für ausgeschlossen hält, zu bejahen.
Nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, daß es sich bei den von der Klägerin erworbenen Waren um von der Umsatzsteuer entlastete Kraftwagen gehandelt hat, für die den Veräußerern --Mitglieder einer "Truppe"-- Abgabenvergünstigungen nach Art.66 Abs.1 des --auch mit Frankreich geschlossenen-- Zusatzabkommens zu dem NATO-Truppenstatut zustanden.
Diese Gegenstände befanden sich jeweils in einer nicht vorübergehenden --bleibenden-- Zollgutverwendung der Veräußerer (§ 1 Abs.1 TruZG); für sie entstand mit ihrer Entnahme (zum Begriff Senat, Beschluß vom 3. Mai 1994 VII B 49/94, BFH/NV 1994, 755) in der Person des Erwerbers eine Abgabenschuld, wie sie bei der Einfuhr der Waren entstehen würde (§ 4 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Nr.1 Buchst.a TruZG in Verbindung mit den seinerzeit maßgebenden Gemeinschaftszollvorschriften), hier im Hinblick auf die Einfuhrumsatzsteuer (auch arg. § 4 Abs.1 Nr.3 TruZG; § 21 Abs.2 UStG). Diese Vorschriften haben sondergesetzlichen Charakter. Daß nach ihnen in entsprechenden Fällen vor dem 1. Januar 1993 die Einfuhrumsatzsteuer in der Person der Klägerin entstanden wäre, wird selbst von der Revision nicht bezweifelt. Dasselbe gilt aber auch für die Tatbestandsverwirklichung nach Vollendung des Binnenmarktes, d.h. seit Geltung von § 1 Abs.1 Nr.4 UStG 1993. Wenn seither umsatzsteuerbar mit Einfuhrumsatzsteuer nur "die Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland ..." ist, statt, wie zuvor, die Einfuhr in das (nationale) Zollgebiet, so berührt diese Rechtsänderung die Rechtslage nach den truppenzollrechtlichen Vorschriften nicht. Unerheblich ist ebenso, daß der dem § 1 Abs.1 Nr.4 UStG a.F. entsprechende Einfuhrbegriff nach § 1 Abs.2 Satz 1 des Zollgesetzes 1961 gleichfalls zum 1. Januar 1993 entfallen ist (Art.2 des Zollrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2125), also schon für das Streitjahr 1993, vor vollständiger Anwendbarkeit des neuen Zollkodex --ZK-- am 1. Januar 1994 (Art.253 ZK). Das ergibt sich unabhängig davon, ob § 4 Abs.1 TruZG ("wie bei der Einfuhr") überhaupt auf den umsatzsteuerrechtlichen oder --mehr noch-- zollrechtlichen Einfuhrbegriff verweist und ob eine etwa vorliegende Verweisung statischer oder dynamischer Art (hierzu etwa Senat, Urteil vom 3. Mai 1990 VII R 71/88, BFHE 161, 260, 262) wäre. Läge keine Verweisung vor, so müßte davon ausgegangen werden, daß § 4 Abs.1 TruZG --auch-- eine eigenständige, mit der früheren umsatz- bzw. zollrechtlichen Bestimmung des Begriffs übereinstimmende, von ihr und damit auch von ihrer Änderung jedoch unabhängige Umschreibung enthält. Diese sondergesetzliche Regelung wäre durch die spätere --allgemeine-- Begriffseinschränkung nicht verdrängt (lex posterior generalis non derogat legi priori speciali; Senat, Urteil vom 29. September 1992 VII R 56/91, BFHE 169, 564, 570). Bei einer statischen Verweisung (zu ihr z.B. Senat, Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90, 92 f.) wäre die Begriffsbestimmung "Einfuhr" --festgelegt im Sinne der früheren Definition-- seit dem 1. Januar 1993 verselbständigt. Der Zweck der Sonderregelung könnte es nahelegen, von einer selbständigen Begriffsbestimmung oder von einer statischen Verweisung auszugehen, was jeweils besagen würde, daß die Änderung von § 1 Abs.1 Nr.4 UStG ohne Einfluß auf die Rechtslage nach dem TruZG bliebe. Die Frage kann indes offen bleiben, da sich auch dann nichts anderes ergäbe, wenn eine dynamische oder gleitende Verweisung vorläge. In diesem Falle wäre Verweisungsgegenstand zwar der derzeitige, auf das Verbringen von Waren aus Drittländern beschränkte Einfuhrbegriff, doch würde sich die begriffliche Reduzierung nicht auswirken, da auf den hypothetischen Fall einer derartigen Einfuhr abgestellt und lediglich bestimmt wäre, daß die Abgabenschuld in gleicher Weise entsteht wie bei einer Drittlandseinfuhr (die als solche nicht vorliegt und nicht vorzuliegen braucht). Welcher der angesprochenen Fälle anzunehmen ist --weitere Möglichkeiten kommen nicht in Betracht--, braucht nicht entschieden zu werden. Unter keiner von diesen Annahmen ist die Abgabenentstehung zu verneinen; in jedem Falle entspricht die Besteuerung mit Einfuhrumsatzsteuer, die, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auch und gerade unter dem Blickwinkel des Binnenmarktes sinnvoll und geboten ist, dem Gesetz.
Daß auch die übrigen Voraussetzungen von § 4 Abs.1 TruZG erfüllt sind, bedarf keiner weiteren Ausführung. Die Revision bringt hierzu Bedenken nicht vor. 1993 galten für den hier in Betracht kommenden Bereich auch noch die Vorschriften über die --bleibende-- Zollgutverwendung (zur Rechtslage ab 1. Januar 1994 Witte/Alexander, Zollkodex, 1994, Art.82 Rz.8 f.). Gemeinschaftsrecht steht dem Ergebnis, zu dem der Senat gelangt, nicht entgegen. Ebenso wie die truppenabgabenrechtlichen Vergünstigungen selbst (zu diesen Müller-Eiselt in Dorsch, Zollrecht, E II Rz.3; zum Zollbereich Senat, Beschluß vom 31. August 1993 VII B 80/93, BFH/NV 1994, 210; Hessisches FG, Urteil vom 11. Juni 1993 7 K 2813/92, Entscheidungen der Finanzgerichte 1993, 819) widersprechen auch Regelungen über die Abgabenentstehung für entnommenes Truppengut nicht dem Gemeinschaftsrecht.
Fundstellen
Haufe-Index 65982 |
BFH/NV 1996, 185 |
BFHE 179, 508 |
BFHE 1996, 508 |
BB 1996, 1156 (L) |
DStR 1996, 1200 (K) |
DStZ 1996, 409 (K) |
HFR 1996, 523-524 (L) |
StE 1996, 362 (K) |