Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Abgrenzung Leibrente/dauernde Last
Leitsatz (amtlich)
Wird Vermögen (hier: Einzelhandelsgeschäft und privater Grundbesitz) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge u.a. gegen eine lebenslängliche Geldrente übertragen, ist deren Höhe auch dann, wenn eine ausdrückliche Änderungsklausel fehlt, regelmäßig abänderbar (Anschluß an BFH-Beschluß vom 15.Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78).
Orientierungssatz
1. Das bürgerlich-rechtliche Altenteil ist ein Inbegriff von Versorgungsleistungen verschiedener Art, die durch die gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten ganz oder teilweise zu versorgen, zu einer rechtlichen Einheit verbunden sind (vgl. RG-Rechtsprechung und BGH-Rechtsprechung). Der Altenteilsvertrag kann ein Anwendungsfall des Versorgungsvertrags sein. Die in einem Altenteilsvertrag vereinbarten Versorgungsleistungen werden in der Regel (aus der Rechtsnatur des Vertrags als Versorgungsvertrag) abänderbar sein und deswegen zu einer dauernden Last führen. Eine Leibrente hingegen wird vornehmlich anzunehmen sein, wenn und soweit die Vertragsparteien eine Abänderbarkeit ausdrücklich ausschließen.
2. Versorgungsleistungen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit einem Vermögensübergabevertrag vereinbart worden sind, sind wegen ihres Charakters als vorbehaltene Vermögenserträge keine Zuwendungen i.S. des § 12 Nr. 2 EStG.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1, § 12 Nr. 2; ZPO § 323
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Entscheidung vom 15.04.1988; Aktenzeichen VII (IV) 499/84) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Die Klägerin ist Inhaberin eines Fotofachgeschäftes; der Kläger ist dort angestellt. Durch Übergabevertrag vom 20.Dezember 1972 hat die Klägerin mit Wirkung vom 1.Januar 1973 von ihrem damals 69 Jahre alten Vater dieses Geschäft und von ihren Eltern Teileigentum (Geschäftslokal und eine Wohnung) gegen Zahlung einer monatlichen Rente übernommen. Die Rente betrug zunächst 750 DM monatlich und war durch Anbindung an den Lebenshaltungskostenindex wertgesichert. Der Vertrag enthält keine ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, die Hälfte aller nicht durch Versicherungsleistungen gedeckten Krankheitskosten zu tragen und den Eltern im Alter und bei Krankheit --gemeinsam mit ihrer Schwester-- Wart und Pflege zu gewähren. In dem Übergabevertrag heißt es: "Die ... Rente dient der Altersversorgung der Übergeber." Zur Pflegeleistung ist vereinbart:
"Frau M.H. hat ihren Eltern im Alter und bei Krankheit freie Wart und sorgsamste Pflege zu gewähren und sämtliche Arbeiten und Verrichtungen des täglichen Lebens zu verrichten, insbesondere die täglichen Mahlzeiten zuzubereiten, soweit die Übergeber hierzu selbst nicht mehr in der Lage sind. Hierzu gehört insbesondere auch das Reinigen der Wohnung und das Instandhalten der Kleidung und Wäsche, sowie die sonstigen Handreichungen des täglichen Lebens und die Durchführung aller Botengänge."
Mit notariellem "Nachtrag" vom 25.Februar 1980 wurde der Übergabevertrag dahin ergänzt, daß nunmehr sowohl die Klägerin als auch ihr Vater --die Mutter war im Jahre 1978 verstorben-- berechtigt sind, eine Änderung der Rentenhöhe zu verlangen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Vertragschließenden ändern,
"insbesondere also
a) wenn sich die Lebensbedürfnisse des Vaters wesentlich erhöhen oder vermindern, beispielsweise durch unerwartetes Hinzukommen oder Wegfallen einer weiteren Einnahmequelle oder durch langwierige und kostspielige, nicht durch Versicherungsleistungen oder sonstige Leistungen gedeckte Krankheiten, oder
b) wenn sich die Leistungsfähigkeit der Tochter wesentlich ändert, insbesondere durch eine wesentliche, heute noch nicht vorhersehbare Änderung der Ertragslage des an sie mit der Vorurkunde übergebenen Geschäftsbetriebes."
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1980 bis 1982 beantragten die Kläger, für die Zeit ab Februar 1980 den inzwischen auf monatlich 1 000 DM gestiegenen Rentenbetrag voll zum Abzug als Sonderausgaben (§ 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zuzulassen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht; er berücksichtigte die Leistungen nur in Höhe des Ertragsanteils von 19 v.H. (1980 und 1981) bzw. 23 v.H. (1982).
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Änderungsvertrag vom 25.Februar 1980 sei für die steuerrechtliche Beurteilung der privaten Versorgungsrente unbeachtlich. Er stehe nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der sieben Jahre zuvor vereinbarten Vermögensübergabe: Die Gründe für die Vertragsänderung lägen nicht in der ursprünglichen Abhängigkeit von Vermögensübergabe und Leistungen. Auch sei nicht ersichtlich, daß die Vertragsparteien bei Abschluß des Übergabevertrages falsche Vorstellungen über den Wert des übertragenen Vermögens gehabt hätten.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts und des Grundsatzes der Amtsermittlung sowie Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze. Die im Vertrag vom 25.Februar 1980 getroffene Regelung habe ihre Wurzeln im ursprünglichen Übergabevertrag und entspreche inhaltlich dem Rechtsgedanken des § 323 ZPO.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für
die Streitjahre in der Weise abzuändern, daß die monatlichen Zahlungen in
Höhe von 1 000 DM in vollem Umfang zum Abzug als dauernde Last anerkannt
werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Schon die auf der Grundlage des Vertrages vom 20.Dezember 1972 gezahlten Leistungen sind, weil abänderbar, als dauernde Last abziehbar (§ 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 1 EStG). Die Abänderbarkeit folgt hier zwar nicht aus einem ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Rechtsnatur der Zahlungen infolge des Ergänzungsvertrages vom 25.Februar 1980 geändert hat.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs.1 Nr.1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs.1 Nr.1a Satz 1 EStG). Leibrenten können --nach näherer Maßgabe des § 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 2 EStG-- nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
2. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.
a) In seinem Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847, dort unter C. II. 1. a) hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.
In zivilrechtlicher Hinsicht handelt es sich hierbei um eine Vereinbarung, in der Eltern ihr Vermögen, insbesondere ihren Hof, Betrieb oder (auch: privaten) Grundbesitz mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge auf einen oder mehrere Abkömmlinge übertragen und dabei für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt und für die außer dem Übernehmer noch vorhandenen weiteren Abkömmlinge Ausgleichszahlungen ausbedingen. Die Besonderheit des Übergabevertrages wird darin gesehen, daß er der folgenden Generation unter Vorwegnahme des Erbfalls das Nachrücken in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht und gleichzeitig die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zu einem Teil sichert (Beschluß in BFHE 161, 317, 327, BStBl II 1990, 847, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH--).
In steuerrechtlicher Hinsicht beruht die Zurechnung der Versorgungsleistungen aus einer Vermögensübergabe zu den Sonderausgaben und wiederkehrenden Bezügen darauf, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt von Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen. Durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr.1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr.2 EStG. Da die Versorgungsleistungen keine Gegenleistung des Übernehmers sind, müssen sie nicht vorab mit dem Wert des übertragenen Vermögens verrechnet werden (Beschluß in BFHE 161, 317, 328 f., BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1. c).
Der Große Senat hat an der überkommenen Rechtsprechung festgehalten, daß Versorgungsleistungen, die anläßlich der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden, weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten, sondern wiederkehrende Bezüge und Sonderausgaben darstellen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Leibgedinges (Art.96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch --EGBGB--) erfüllt sind (BFHE 161, 317, 327 f., BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1. b und c).
b) Mit Beschluß vom 15.Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 2. und 3.) hat der Große Senat zur Unterscheidung von Leibrente und dauernder Last entschieden:
Der steuerrechtliche Begriff der Leibrente setzt gleichbleibende Leistungen/Bezüge voraus. Mit der Ertragswerttabelle bezweckt das Gesetz, bei einer von der Lebensdauer einer Person abhängigen Verrentung der Höhe nach feststehender Vermögensansprüche den abziehbaren/steuerbaren Zinsanteil von der nichtsteuerbaren Vermögensumschichtung zu sondern. Diese Fälle der Vermögensumschichtung sind dadurch gekennzeichnet, daß eine Versorgung der Bezugsberechtigten allenfalls Motiv für den Leistungsaustausch ist, nicht aber Vertragsinhalt in dem Sinne, daß die Höhe der Leistungen bei Änderungen in der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder des Versorgungsbedürfnisses des Berechtigten schwanken könnte.
Demgegenüber sind in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Geld- und Sachleistungen dauernde Lasten, wenn sie nicht gleichbleibend sind (unter C. II. 3.). Auch soweit Geldleistungen Inhalt eines solchen Versorgungsvertrages sind, haben die Vertragschließenden die rechtlich anerkannte Möglichkeit, diese als abänderbar und damit als dauernde Last zu vereinbaren. Für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel genügt der "Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO", weil dies so zu verstehen ist, daß der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Fehlt eine Bezugnahme auf § 323 ZPO, kann sich eine gleichwertige Änderungsmöglichkeit aufgrund eines Vertragsinhalts ergeben, der eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Vermögensübergebers und/oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt (unter C. II. 3. c). Die Änderungsmöglichkeit kann auch aus der "Rechtsnatur des Versorgungsvertrags" hergeleitet werden. Ein Anwendungsfall des Versorgungsvertrages kann der Altenteilsvertrag (Art.96 EGBGB) sein (unter C. II. 1. d).
3. Eine dauernde Last liegt nicht nur dann vor, wenn sich die Abänderbarkeit aus dem Vertragstext ergibt. Die Aussage des Großen Senats ist vielmehr so zu verstehen, daß sich die Änderungsmöglichkeit auch aus der "Rechtsnatur des Versorgungsvertrages" ergeben kann. Damit ist der allgemeine Vertragstyp angesprochen, dem der einzelne Vertrag seinem (von Fall zu Fall durch Auslegung zu ermittelnden) Inhalt nach zuzuordnen oder von dem er in gleicher Weise jeweils abzugrenzen ist. Dabei gehören zum "Vertragsinhalt" nicht nur die ausdrücklich ausformulierten Klauseln, sondern auch die Gesamtheit der Rechtsfolgen, für die das dispositive Recht diejenigen Rechtssätze bereithält, die ihrerseits den betreffenden Schuldvertragstyp beschreiben. Die vertragstypischen Rechte und Pflichten ergeben sich nicht erst "aus der sie benennenden Norm, sondern aus dem Inhalt des konkreten Vertrages in Verbindung mit dem Rechtssatz, daß verpflichtende Verträge grundsätzlich rechtsverbindlich sind" (vgl. zu "erläuternden Rechtssätzen" Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6.Aufl. 1991, S.258 f., 297 f.). Bezogen auf den "typischen" Versorgungsvertrag bedeutet dies, daß die Abänderbarkeit der Versorgungsleistungen immanenter "Vertragsinhalt" ist, der die "Rechtsnatur" des Vertrages prägt.
4. Die Verweisung auf Inhalt bzw. Rechtsnatur des anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsvertrages führt zu den folgenden Grundsätzen.
a) Der Übergabevertrag unter Vorbehalt von Versorgungsleistungen ist zivilrechtlich ein selbständiger Vertragstypus. Die durch die Übergabe existenzsichernden Vermögens und den hierauf gründenden einvernehmlichen Vertragszweck vorgeprägte Interessenlage ist exemplarisch und richtungweisend bewertet in den zu Art.96 EGBGB ergangenen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen. Wesentlich ist das "Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz --wenigstens teilweise-- begründende Wirtschaftseinheit" (BGH-Urteile vom 31.Oktober 1969 V ZR 138/66, BGHZ 53, 41, 43; vom 28.Oktober 1988 V ZR 60/87, NJW-Rechtsprechungs- Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1989, 451, Wertpapier-Mitteilungen/ Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- IV 1989, 70). Eine "Verknüpfung der beiderseitigen Lebensverhältnisse" (Pecher in Münchener Kommentar --MünchKomm--, Art.96 EGBGB Rdnrn.8, 17) ergibt sich daraus, daß das Versorgungsbedürfnis typischerweise notwendige Folge der Übertragung des existenzsichernden Vermögens ist: Die Vermögensüberlassung begründet "die aus der Überlassung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage gegen Übernahme der persönlichen Versorgung folgende wechselseitige Gebundenheit" (Pecher, a.a.O., Rdnr.6). In diesem Sinne ist das bürgerlich-rechtliche Altenteil ein Inbegriff von Versorgungsleistungen verschiedener Art, die durch die gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten ganz oder teilweise zu versorgen, zu einer rechtlichen Einheit verbunden sind (Urteil des Reichsgerichts --RG-- vom 30.Oktober 1939 V 83/39, RGZ 162, 52, 57; BGH-Urteil vom 19.Juni 1964 V ZR 4/63, LM Preuß. AGBGB Art.15 Nr.6).
Die für den Altenteilsvertrag entwickelten Regeln über die Anpassung der Versorgungsleistungen werden vielfach auf ähnliche Versorgungsverträge übertragen (BGH-Urteil vom 20.März 1981 V ZR 152/79, WM IV 1981, 657, Der Betrieb --DB-- 1981, 1614; Oberlandesgericht --OLG-- Düsseldorf, Urteil vom 28.Oktober 1987 9 U 69/87, NJW-RR 1988, 326 m.w.N.; Pecher, a.a.O., Rdnr.6). Der Zweck der Unterhaltssicherung erfordert eine flexiblere Risikoverteilung als bei einer Verrentung im Rahmen eines vermögensrechtlichen Leistungsaustauschs (vgl. allgemein zu Renten mit vertragsimmanenten Versorgungszweck BGH-Urteil vom 19.Juni 1962 VI ZR 100/61, LM BGB § 157 --Ge-- Nr.6).
Altenteilsleistungen können der Art nach insofern abgeändert werden, als sich bei einer erheblichen Veränderung der Verhältnisse ein Anspruch auf Natural- und Versorgungsleistungen in einen Geldanspruch umwandeln kann (vgl. --zu Art.15 § 8 Preuß. AGBGB-- BGH-Beschluß vom 8.Oktober 1957 V BLw 12/57, BGHZ 25, 293, 295; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Eine Änderung der Höhe nach ist z.B. möglich, wenn sich die Ertragskraft des übertragenen Vermögens verbessert (vgl. Pecher, a.a.O., Rdnr.26 ff.; Dressel, Recht der Landwirtschaft --RdL-- 1970, 58, jeweils m.w.N.).
b) Der Altenteilsvertrag kann ein Anwendungsfall des Versorgungsvertrages sein. Auch für Versorgungsverträge gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit; der Vertragstypus "Versorgungsvertrag" ist nicht gesetzlich definiert; die landesrechtlichen Regelungen haben nur ergänzende Bedeutung und sind abdingbar (BGH-Beschluß vom 30.Oktober 1951 V Blw 49/50, LM Preuß. AGBGB Art.15 Nr.1; Pecher, a.a.O., Rdnr.1, 3). Nach den dargelegten Grundsätzen werden die in einem Altenteilsvertrag vereinbarten Versorgungsleistungen regelmäßig abänderbar sein und deswegen zu einer dauernden Last führen. Eine Leibrente hingegen wird vornehmlich anzunehmen sein, wenn und soweit die Vertragsparteien eine Abänderbarkeit ausdrücklich ausschließen.
c) Bei dieser Sicht schließt die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel die darüber hinausgehende Abänderbarkeit von Leistungen nicht aus. Die Wertsicherungsklausel hat die Funktion, den inneren Wert des Anspruchs gegen ein allgemeines Währungsrisiko zu sichern. Dessen ungeachtet kann die Änderung der Rentenhöhe aufgrund einer neuen Wirtschafts- und Bedarfssituation zur Verwirklichung des mit dem Vertrag angestrebten Versorgungszwecks erforderlich werden.
5. Die Klägerin und ihr Vater haben in dem Vertrag vom 20.Dezember 1972 eine Vermögensübergabe gegen der Höhe nach abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart. Eine Abänderbarkeit ergibt sich zwar nicht aus einer Bezugnahme auf § 323 ZPO, wohl aber aus der Rechtsnatur des Vertrages als Versorgungsvertrag. Es spricht viel für die Annahme, daß es sich um einen Altenteilsvertrag i.S. der Art.32 ff. des Bayer. AGBGB 1899 (Art.7 ff. des Bayer. AGBGB 1982) handelt: Die Kläger haben sich in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe von existenzsicherndem Vermögen zu einem "Inbegriff von Versorgungsleistungen" verpflichtet, wie sie für Altenteilsverträge typisch sind. Auf die Zuordnung zum Altenteilsvertrag im Sinne des bayerischen Landesrechts kommt es indes letztlich nicht an. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Aus der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge folgt hinsichtlich deren Abänderbarkeit, daß die wirtschaftlichen Risiken des Vertrages nicht --vorbehaltlich eines nur unter besonderen Voraussetzungen anzunehmenden Wegfalls der Geschäftsgrundlage-- ein für allemal unabänderlich nach den im ursprünglichen Vertrag festgelegten Bedingungen verteilt sind. Damit entspricht der Vertrag dem Typus des Versorgungsvertrages, den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat.
6. Die hiergegen gerichteten Einwände des FA greifen nicht durch.
a) Das FA meint, die denkbaren variablen Lebensbedürfnisse der Eltern seien bereits durch die übrigen Vertragsklauseln abgedeckt, so daß die Geldleistung (in Höhe von ursprünglich 750 DM) für sich gesehen von vornherein als unabänderbar und somit als Leibrente vereinbart worden sei. Dem folgt der erkennende Senat nicht. Zwar haben die Vertragschließenden Vorsorge z.B. für den Fall getroffen, daß Krankheitskosten nicht von der Versicherung erstattet werden. Denkbar ist aber z.B., daß aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Eltern höhere Barleistungen erbracht werden müssen. Diese Überlegung zeigt, daß auch die in Geld zu erbringenden Leistungen aufgrund ihres Zweckes zum Inbegriff der Versorgungsleistungen gehören und die einzelnen Leistungen hinsichtlich Bestand und Höhe voneinander abhängig sind.
b) Zu Unrecht meint das FA, ein fremder Dritter hätte --anders als die Klägerin im Jahre 1980-- seine Rechtsposition nicht aufgegeben und sich nicht auf eine Änderung des Vertrages eingelassen. Das FA verkennt, daß Verträge der hier zu beurteilenden Art ohnehin in der Regel nur zwischen Angehörigen --zur Vorwegnahme der Erbfolge-- abgeschlossen werden. Es ist geradezu charakteristisch für die "Rechtsnatur des Versorgungsvertrages", daß die Vertragspartner auf wechselnde Einkommens- und/oder Bedarfssituationen angemessen reagieren und die Vertragspflichten entsprechend anpassen müssen.
7. Hiernach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind antragsgemäß zu ändern. Dem FA wird gemäß Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit aufgegeben, nach näherer Maßgabe des Urteilstenors die Steuer zu errechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 64106 |
BFH/NV 1992, 36 |
BFHE 166, 564 |
BFHE 1992, 564 |
BB 1992, 1113-1117 (LT) |
BB 1992, 1115 |
DB 1992, 1218-1220 (LT) |
DStR 1992, 645 (KT) |
DStZ 1992, 347 (KT) |
HFR 1992, 456 (LT) |
StE 1992, 264 (K) |