Leitsatz

Der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung wirkt auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume, bis er vom Steuerpflichtigen widerrufen wird. Das Überschreiten der Umsatzgrenze ist weder ein Widerruf des Verzichts noch erledigt es die Verzichtserklärung in sonstiger Weise.

 

Normenkette

§ 19 UStG, Art. 281 bis 292 MwStSystRL

 

Sachverhalt

Der Kläger ist seit dem Jahr 2006 Unternehmer. Er verzichtete bei Gründung auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung.

In den Jahren 2011 und 2012 überschritt der Kläger die Umsatzgrenze von (damals) 17.500 EUR. Seit 2013 liegen seine Bruttoumsätze wieder unterhalb dieser Grenze.

Der Kläger wendete für das Jahr 2017 erstmals die Kleinunternehmerregelung an.

Das FA setzte gegen den Kläger Umsatzsteuer fest. Es vertrat die Auffassung, dass die Abgabe der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2014 als (neuer) Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung anzusehen sei. Dadurch habe eine neue fünfjährige Bindungsfrist zu laufen begonnen. Ein Widerruf für das Jahr 2017 sei daher nicht möglich.

Die Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 7.11.2019, 5 K 1768/19 U, Haufe-Index 13595855) gab der Klage statt. Da die Verzichtserklärung des Klägers aus dem Jahr 2006 stamme, könne er den Verzicht für das Jahr 2017 widerrufen.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG kann der Unternehmer dem FA bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet (Option zur Regelbesteuerung). Dieser Verzicht bindet den Unternehmer "mindestens" (!) für fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG) und kann (nach Ablauf der Frist) mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden (§ 19 Abs. 2 Satz 3 UStG).

2. Was geschieht nun, wenn der Unternehmer während oder nach Ablauf der Bindungsfrist in einem Kalenderjahr (01) die Umsatzgrenze von 22.000 EUR (früher: 17.500 EUR) überschreitet? Der Verzicht hat dann für das Folgejahr (02) keine Wirkung. Beginnt nun eine neue fünfjährige Bindungsfrist zu laufen, wenn der Unternehmer für das darauffolgende Jahr (03) weiter die Regelbesteuerung anwendet?

Der BFH hat diese Frage verneint. Die zwischenzeitliche Überschreitung der Umsatzgrenze lässt den ursprünglichen Verzicht unberührt. Das Überschreiten der Umsatzgrenze ist kein Widerruf des Verzichts. Es tritt auch keine Erledigung der ursprünglichen Verzichtserklärung in sonstiger Weise ein. Daher beginnt die fünfjährige Bindungsfrist danach nicht neu zu laufen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.9.2020 – XI R 34/19

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