Leitsatz
Für Kinder mit ausschließlichem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Nordzypern wird kein Kindergeld gewährt, wenn sie nicht im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchst. a EStG leben.
Normenkette
§ 63 Abs. 1 Satz 6 EStG, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO
Sachverhalt
Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld für die im Nordteil von Zypern studierende Tochter der Klägerin ab, weil diese im Streitzeitraum keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland oder einem EU-Mitgliedstaat gehabt habe. Das FG wies die anschließende Klage ab (FG Münster, Urteil vom 25.8.2020, 1 K 383/20 Kg) und ließ die Revision nicht zu.
Entscheidung
Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück, weil Nordzypern unzweifelhaft nicht Bestandteil eines EU-Mitgliedstaats ist.
Hinweis
1. Die Abfassung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist aufgrund der Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO schwieriger als eine Revisionsbegründung. Wird sie auf die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage gestützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), dann muss eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage herausgearbeitet werden. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt oder sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat.
Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung und setzt daher ebenfalls eine klärungsbedürftige Rechtsfrage voraus.
2. Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, einem EU-Mitgliedstaat oder einem EWR-Staat haben, wird kein Kindergeld gewährt, wenn sie nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S.d. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 1 Abs. 2 EStG leben. Ihr Existenzminimum wird (nur) durch die – ggf. nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats geminderten – Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG freigestellt.
3. Nordzypern ist eindeutig kein "Mitgliedstaat" der EU.
Der Gesetzeswortlaut zeigt, dass es nicht allein auf einen territorialen Aspekt ankommt, sondern der Beitritt des Staats zur EU vorausgesetzt wird; die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts müssen dort sofort und vollständig anwendbar sein, soweit nicht in Übergangsbestimmungen Abweichungen vorgesehen sind. Entscheidend ist also nicht nur, ob das Gebiet völkerrechtlich dem Gebiet der EU zugeordnet werden kann. Hinzukommen muss, dass auf diesem Gebiet auch das Recht der EU gilt. Die Anwendung des EU-Rechts ist aber im Bereich der völkerrechtlich nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern suspendiert, solange die Regierung der Republik Zypern in diesem Gebiet keine tatsächliche Kontrolle ausübt.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 18.2.2021 – III B 123/20