9.2.2.1 Einkünfte aus passiver Tätigkeit

Durch den Wegfall der Verweisung auf die Tatbestände des § 8 Abs. 1 Nr. 5a AStG entfällt die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG ab 2010 (und auch für alle nicht bestandskräftigen Besteuerungsfälle) die den Dienstleistungsbereich betreffen.

Verbleibende Anwendungsbereiche

Lediglich für den Teilgeschäftsbereich ‹Einkauf für verbundene Unternehmen› oder für Lizenzverwertungsbetriebsstätte bleibt es bei der Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG.

9.3.2.2 Niedrige Besteuerung i. S. des § 8 Abs. 3 AStG

Diese Frage soll anhand des Beispiels Schweiz erläutert werden. Kapitalgesellschaften unterliegen in der Schweiz regelmäßig einer niedrigen Besteuerung.

Für die Besteuerung von in der Schweiz beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen lässt sich dies nicht ohne eine Berechnung der Schweizer Ertragsteuerbelastung klären. Für diese Berechnung sind die Schweizer Einkünfte nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln.[1] Der so ermittelte Betrag ist danach ins Verhältnis zu den tatsächlich in der Schweiz gezahlten Steuern zu setzen (Ertragsteuerbelastung). Liegt die Ertragsteuerbelastung unter 25 %, sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AStG diesbezüglich erfüllt.

 
Hinweis

Ermittlung der Ertragsteuerbelastung

Der Bund erhebt in der Schweiz eine Einkommensteuer von natürlichen Personen, eine Gewinnsteuer von juristischen Personen und eine Quellensteuer sowohl von natürlichen als auch juristischen Personen nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG). Eine spezielle Einkommensteuer (als Quellensteuer auf Dividenden und Kapitalzinsen) ist die vom Bund erhobene Verrechnungssteuer. Neben dem Bund sind auch die Kantone und Gemeinden berechtigt, Steuern zu erheben. Zur Ermittlung einer Ertragsteuerbelastung sind alle Steuern, d. h. die vom Bund, dem jeweiligen Kanton und der jeweiligen Gemeinde, zusammenzurechnen.

Das Abstellen auf die individuelle Einkommensteuerbelastung kann aber auch dazu führen, dass wegen der Besonderheiten der ausländischen Besteuerung (z. B. Familiensplitting in Frankreich) aufgrund persönlicher Verhältnisse § 20 Abs. 2 AStG greifen kann. Die Finanzverwaltung (NV Beschluss) zieht daher im Rahmen der Fiktionsbetrachtung alternativ auch die Belastung für Kapitalgesellschaften heran.

[1] Vgl. Tz. 8.3.2.1 des AEAStG.

9.3.2.3 § 20 Abs. 2 AStG bei Einkünften aus freiberuflicher oder selbstständiger Tätigkeit

§ 20 Abs. 2 AStG bezieht sich gem. dem Wortlaut auf Betriebsstätten, und zwar auf Betriebsstätten i. S. des nationalen Rechts nach § 12 AO. Die Begriffsbestimmung des § 12 AO gilt auch für die freiberufliche und selbstständige Tätigkeit (vgl. AEAO zu § 12 Nr. 1). Dies führt dazu, dass § 20 Abs. 2 AStG nicht nur bei Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern auch bei Einkünften aus selbstständiger und freiberuflicher Tätigkeit greift.

9.3.2.4 Beteiligungen an Personengesellschaften/Sozietäten mit ausländischer Betriebsstätte

Beteiligungen an Personengesellschaften werden nach DBA-Recht als Unternehmensgewinne i. S. d. Art. 7 OECD-MA qualifiziert. Die mitunternehmerische Beteiligung eines im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen an einer in- oder ausländischen Personengesellschaft, die im Ausland eine Betriebsstätte unterhält, führt dazu, dass die Betriebsstätte dem inländischen Beteiligten jeweils – anteilig – zuzurechnen ist. Für die Frage, ob die Einkünfte dieser "anteiligen Betriebsstätte" nach einem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei zu stellen sind oder ob nach § 20 Abs. 2 AStG die Anrechnungsmethode greift, ist hinsichtlich der Beteiligungshöhe lediglich auf den jeweiligen Anteil an der Betriebsstätte abzustellen. Daher ist nicht maßgebend, ob in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige zu mehr als der Hälfte an der betroffenen Personengesellschaft beteiligt sind.

9.3.2.5 Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG in Fällen der doppelten Ansässigkeit

§ 20 Abs. 2 AStG bezieht sich nur auf die unbeschränkte Steuerpflicht nach nationalem Recht. Ob Deutschland bei einer doppelten Ansässigkeit auch gem. Art. 4 OECD-MA als Ansässigkeitsstaat i. S. d. jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens angesehen wird, ist für die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG unbeachtlich.

9.3.2.6 Freigrenze bei gemischten Einkünften (§ 9 AStG)

§ 20 Abs. 2 AStG verweist auf die Hinzurechnungsbesteuerung insgesamt. Wenn ein Gewerbetreibender/Selbstständiger in seiner ausländischen Betriebsstätte sowohl aktive als auch passive Einkünfte i. S. d. § 8 AStG erwirtschaftet, ist die Freigrenze des § 9 AStG ebenfalls analog anzuwenden.

9.3.2.7 § 20 Abs. 2 AStG und EU-Recht

Es stellt sich die Frage, ob § 20 Abs. 2 AStG gegen die Grundfreiheiten des EGV verstößt. Der EuGH hat dies verneint.[1] Diese Entscheidung ist allerdings zur alten Fassung des § 20 Abs. 2 AStG ergangen, nach der diese Switch-over-Klausel nur bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter gegolten hat. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind zur Frage, ob § 20 Abs. 2 AStG in der aktuellen Fassung EU-widrig ist, die gleichen Grundsätze anzuwenden.

Der Gesetzgeber ist der Beurteilung gefolgt und hat die Anwendung des Escapes nach § 8 Abs. 2 AStG ausdrücklich in den Fällen des § 20 AStG ausgeschlossen, da hier kein Durchgriff durch einen ausländischen Rechtsträger (Zwischengesellschaft) erfolgt, sondern lediglich die Freistellungsmethode durch die Anrechnungsmethode ersetzt wird und beide dem Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen.

[1] EuGH, Urteil v. 6.12.2007, C – 298/05 "Columbus Containe...

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