Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeldanspruch für in der Türkei schulpflichtiges Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

Wer über einen Wohnsitz im Inland verfügt, hat gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG für Kinder i.S. des § 63 EStG. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden jedoch Kinder nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Die Türkei zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.01.2010; Aktenzeichen III B 33/09)

BFH (Beschluss vom 28.01.2010; Aktenzeichen III B 33/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für seinen in der Türkei zur Schule gehenden Sohn A Kindergeld zusteht.

A wurde am 10.5.1989 in 1 geboren. Er besucht seit dem September 2005 Schulen in der Türkei, und zwar zunächst eine Schule mit Internatsunterbringung in 2 und seit September 2007 ab der 11. Klasse das 3 Gymnasium in 4 mit dem Zweig Fremdsprachen. In 4 ist A bei der Familie einer Schwester seiner Mutter untergebracht. Die türkischen Schulferien umfassten in den Streitjahren Zwischenzeugnisferien von rd. zwei Wochen (Ende Januar – Anfang Februar) und Sommerferien von rd. drei Monaten (Mitte Juni – Mitte September). A hielt sich ausweislich der Ein- und Ausreisestempel des Reisepasses (Bl. 71 und 72 FG-Akte) und der teilweise vorgelegten Flugtickets (Bl. 50 – 52 KG-Akte; Bl. 69 – 70 FG-Akte) in folgenden Zeiten in der Türkei auf:

17.08.2005 – 07.09.2005

??.09.2005 – 01.01.2006

28.01.2006 – 18.06.2006

06.08.2006 – 22.01.2007

09.02.2007 – 17.06.2007

22.07.2007 – 16.08.2007 (Ein- und Ausreise über 5)

14.09.2007 – 24.01.2008

10.02.2008 – 12.06.2008

Der Kläger teilte der Familienkasse am 13.11.2005 mit, dass A nunmehr in der Türkei in die Schule gehe. Diese stellte daraufhin die Kindergeldzahlung ein und forderte den Kläger mit Schreiben vom 11.11.2005 auf, einen Kindergeldantrag mit einer Bescheinigung des Arbeitgebers für den Kläger und eine türkische Familienstandsbescheinigung für A vorzulegen, um einen möglichen Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach den Sätzen des Abkommens über soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zu prüfen. Mit Bescheid vom 11.1.2006 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für A ab Oktober 2005 auf, da der Kläger die genannten Unterlagen nicht eingereicht habe.

Hiergegen legte der Kläger am 25.1.2006 Einspruch ein. Zur Begründung gab er an, dass A zwar die türkische Staatsangehörigkeit habe, die Türkei aber nicht als sein Heimatland anzusehen sei. A sei in Deutschland geboren und habe sich lediglich mit seiner Familie im Urlaub in der Türkei dort aufgehalten. Auch während der Schulausbildung in der Türkei sei er zunächst in einem Internat untergebracht gewesen. Die Ausbildung an einer Privatschule habe das Ziel eines dem deutschen Abitur vergleichbaren Abschlusses. Ob A diese Ausbildung erfolgreich beenden und was er danach tun werde, stehe noch nicht fest. Soweit möglich, also in den Ferien, komme A zur Familie nach Deutschland. Er, der Kläger, sei daher der Ansicht, dass A seinen Wohnsitz in Deutschland behalten habe und ihm nicht lediglich Kindergeld nach den Abkommenssätzen zustehe.

Die Familienkasse ließ das Einspruchsverfahren ruhen, um überprüfen zu können, ob A tatsächlich die gesamten Ferien in Deutschland verbringe. Der Kläger legte als Nachweis die entsprechenden Flugtickets vor.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27.11.2007 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Sie war der Ansicht, A habe seit Beginn des Schulbesuchs in der Türkei keinen inländischen Wohnsitz mehr. Ein minderjähriges Kind, das im Heimatland bei Verwandten untergebracht sei und dort die Schule besuche, verliere seinen inländischen Wohnsitz, wenn es sich nur in den Schulferien in Deutschland aufhalte. Ein derartiger Auslandsaufenthalt sei nicht in erster Linie durch den Zweck der Schulausbildung bestimmt. Er diene auch dazu, die Heimat der Familie genauer kennen zu lernen und sich in die dortigen Lebensverhältnisse einzuleben. Die Bindungen an den heimatlichen Kulturkreis würden (wieder-)hergestellt. Die Lockerung der bisher bestehenden Bindungen und die Verwurzelung im Ausland hätten daher den Verlust des inländischen Wohnsitzes zur Folge.

Mit seiner Klage vom 21.12.2007 begehrt der Kläger weiterhin Kindergeld in der vollen gesetzlichen Höhe für A. Er gibt an, er trage die Kosten für Schulgeld, Unterkunft und Verpflegung für A. A halte sich lediglich zeitlich begrenzt und zum Schulbesuch in der Türkei auf. Er wolle seine Fremdsprachkenntnisse verbessern, um hier bessere Berufschancen zu haben, und wolle nach Ende der Schulausbildung nach Deutschland zurückkehren. Heimatland As sei nicht die Türkei, sondern Deutschland. A habe nach wie vor sein Zimm...

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