Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalanteil i.S. von Art. 10 Abs. 1 S. 1 Buchst. a DBA-Russland ist der Anteil am Grund- oder Stammkapital
Leitsatz (redaktionell)
1) Soweit Art. 10 Abs. 1 S. 1 Buchst. a DBA-Russland für eine Quellensteuerreduktion auf 5% des Bruttobetrags voraussetzt, dass der Kapitalanteil des Gesellschafters mindestens 160.000 DM beträgt, ist der Anteil am Grund- oder Stammkapital gemeint. Der tatsächliche Wert der Beteiligung ist ohne Bedeutung.
2) Die Anwendung des deutschen Rechts ist auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht von der konkreten Gestaltung des ausländischen Rechts abhängig.
Normenkette
DBA RUS Art. 10 Abs. 1 Sätze 1, 1 Buchst. a, Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Frage, ob der Beklagte zu Recht drei Bescheide über die Erstattung von Kapitalertragsteuer gem. § 50d des Einkommensteuergesetzes – EStG – in Verbindung mit Artikel 10 des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Russland – DBA Russland – nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – zum Nachteil der Klägerin geändert hat.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft russischen Rechts. Sie ist am Stammkapital der A-Handelsgesellschaft mbH – GmbH – zu 46,67 Prozent beteiligt. Ihr Anteil am Stammkapital von 150.000 DM beträgt 70.005 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage 3 zur Klageschrift verwiesen.
Die GmbH leistete in den hier interessierenden Zeiträumen 1997 bis 1999 für die Jahre 1996 bis 1998 Ausschüttungen an die Klägerin.
Der Ausschüttungsbetrag für 1996 belief sich auf 4.021.593 DM. Davon wurden ordnungsgemäß 1.005.398,25 DM Kapitalertragsteuer und 75.404,87 DM Solidaritätszuschlag einbehalten.
Der Ausschüttungsbetrag für 1997 belief sich auf 5.293.700,58 DM. Es wurden 1.323.425,15 DM Kapitalertragsteuer und 72.788,38 DM Solidaritätszuschlag einbehalten.
Der Ausschüttungsbetrag für 1998 belief sich auf 4.348.590,00 DM. Es wurden 1.087.147,50 DM Kapitalertragsteuer und 59.793,1 DM Solidaritätszuschlag einbehalten.
Die einbehaltenen Beträge wurden ordnungsgemäß an das für die GmbH zuständige Finanzamt in X abgeführt.
Die Klägerin beantragte im Jahre 1997 zunächst die Erstattung von 402.159,30 DM Kapitalertragsteuer und 75.404,86 DM Solidaritätszuschlag aus der Ausschüttungen 1996. Dies entsprach im Ergebnis einer völligen Freistellung vom Solidaritätszuschlag und einer Reduktion der Kapitalertragsteuer auf 15 Prozent des Ausschüttungsbetrages.
Der Beklagte erließ unter dem 20.1.1998 einen antragsgemäßen Bescheid über die Freistellung und Erstattung. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO.
Unter dem 28.1.1998 erging ein weiterer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid unter der gleichen Registriernummer des Beklagtes. Mit ihm wurde die Freistellung über weitere 402.159,30 DM ausgesprochen. Zur Erläuterung wurde ausgeführt, dass das DBA Russland geändert worden sei. Die Erstattung erfolge mit Bezug auf den ursprünglichen Antrag und Bescheid und berücksichtige die rückwirkend anzuwendenden Steuersätze und die bereits erstatteten Beträge.
Auf dieser Basis beantragte die Klägerin für die beiden Folgejahre jeweils eine Reduktion der Kapitalertragsteuer auf 5% der Ausschüttungsbeträge.
Im Dezember 2000 wiesen die steuerlichen Vertreter der GmbH, die sich insoweit berühmten auch die Vertreter der Klägerin zu sein, darauf hin, dass ihres Erachtens Artikel 10 des DBA Russland eine Reduktion der Kapitalertragsteuer im Streitfall nur auf 15 Prozent Reststeuersatz zulasse.
Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 5.1.2001 die hier streitbefangenen drei Änderungsbescheide zur Kapitalertragsteuererstattung für die Jahre 1996 bis 1998. Mit ihnen reduzierte er die Kapitalertragsteuer jeweils auf einen Reststeuersatz von 15%. Die Änderungen waren auf § 164 Abs. 2 AO gestützt. Sie führten zu Rückforderungsbeträgen von 402.159,30 DM für 1996 und 529.370,06 DM für 1997 und 434.859,00 DM für 1998. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide verwiesen.
Die Bescheide wurden zunächst den vermeintlichen Bevollmächtigten der Klägerin, den Bevollmächtigten der GmbH, bekanntgegeben. Es kann nicht genau festgestellt werden, wann die Klägerin von den drei Bescheiden Kenntnis erhielt.
Die Klägerin erhob – unstreitig fristgerecht – am 10.1.2002 Einspruch gegen die Bescheide. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, dass das Schreiben der Bevollmächtigten der GmbH ihr nicht zugerechnet werden könne, da sie weder einen Auftrag für ein derartiges Schreiben erteilt noch von dem Schreiben überhaupt Kenntnis gehabt habe.
Die Rückforderungsbescheide seien auch sachlich fehlerhaft. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Reduktion der Kapitalertragsteuer auf einen Reststeuersatz von 5%. Dies ergebe sich aus Artikel 10 Abs. 1a des DBA Russland. Dort sei ausgeführt, dass der Kapitalanteil mindestens 160.000 DM betragen müssen. Damit sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht der nomi...